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Schweden
Die Probleme mit kampfbereiten Dschihadisten

Von Christoph Heinzle | 12.02.2015
    Das Propaganda-Video zeigt IS-Kämpfer an der Front – es zeigt das Leben schwedischer Dschihadisten bei der Terrorgruppe in Syrien und im Irak.
    "Wenn ihr uns mal besuchen würdet, dann könntet ihr verstehen, wie gut wir es haben", schwärmt in holprigem Schwedisch ein IS-Kämpfer, der sich Abu Bakr nennt und für die Kamera durch ein Gefecht läuft.
    "Schweden ist nichts für mich. Dort sieht man nackte Frauen, Menschen, die rauchen und trinken - alles, womit man nichts zu tun haben will", schimpft der IS-Kämpfer.
    Es sind auch Bilder wie diese und Kontakte über soziale Netzwerke, die nach offiziellen Angaben bislang 130 Dschihadisten aus Schweden in den vermeintlich Heiligen Krieg gezogen haben. Doch inoffizielle Schätzungen liegen bei mindestens 300 Islamisten.
    Linus Gustafsson, Terrorismusexperte an der schwedischen Verteidigungshochschule:
    "Der Islamische Staat hat eine offizielle Rekrutierungs- und Propaganda-Maschinerie. Aber gleichzeitig gibt es einzelne Personen, die Schwedisch sprechen und Schweden sind und die hier versuchen, Menschen dazu zu überreden, nach Syrien oder in den Irak zu gehen, um am Aufbau des Islamischen Staates teilzuhaben."
    Hier in Rinkeby werden die IS-Anwerber immer wieder fündig. Wer durch den Stadtteil am Rande Stockholms geht, hört kaum Schwedisch.
    Die kleine UNO nennt man Rinkeby, weil es hier Menschen aus 130 Staaten geben soll. 80 Prozent der Einwohner sind Muslime. In fast 20 Fällen habe die Terrorgruppe IS hier bereits Kämpfer angeworben, sagt Ibrahim Bouraleh, der für den muslimischen Verein betroffene Eltern berät.
    "Wir empfinden es als unsere Pflicht, Mitmenschen zu helfen. Wir sehen, dass dies nicht der richtige Weg für unsere Jugendlichen ist."
    Entzug der Reisedokumente in Schweden nicht möglich
    Im kleinen Gemeindehaus Rinkebys ruft der Muezzin zum Mittagsgebet. Eine ideale Umgebung, um mit den Familien gefährdeter Jugendlicher ins Gespräch zu kommen. 600 Eltern hätten sich bereits ratsuchend an den Verein gewandt.
    "Viele Eltern wollen das deutsche Modell, damit man den jungen Leuten die Pässe abnehmen kann, wenn sie losziehen wollen. Aber die Polizei hier hat gesagt: Nein, das können wir nicht machen."
    Erst wenn man ein Verbrechen nachweisen kann, dürfen die Sicherheitsbehörden einschreiten. Leider, sagt Schwedens Innenminister Anders Ygeman im ARD-Hörfunkinterview.
    "Derzeit ist es nicht illegal, aus Schweden in ein Kriegsgebiet wie etwa Syrien zu reisen. In diesem Punkt hat Deutschland eine bessere Gesetzeslage als Schweden. Wir wollen jetzt das Gesetz ändern, damit es strafbar wird, Anhänger zu rekrutieren, zu organisieren, zu finanzieren und dann in den Kampf zu ziehen."
    Parallel dazu will der Innenminister eine engere Kooperation auf europäischer Ebene voranbringen.
    "Wir brauchen unbedingt bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in der EU und bessere Grenzkontrollen, um zu verhindern, dass Leute mit falschen Pässen in die EU oder in den Schengen-Raum einreisen."
    In Rinkeby soll es bald Kurse für Eltern geben, die eine Radikalisierung ihrer Kinder befürchten. Anzeichen sollen sie erkennen - und lernen, wie sie reagieren und die islamistische Propaganda entkräften können. Damit es diesen Eltern nicht so geht wie denen der jetzigen IS-Kämpfer, sagt Ibrahim Bouraleh:
    "Viele dieser Eltern plagen Schuld- und Schamgefühle und sie sagen: 'Wenn ich die Radikalisierung nur bemerkt hätte'. Oder: 'Was hätte ich bloß dagegen tun können'?"