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"Sendung mit der Maus" wird 50
Klingt komisch, ist aber so

Das wohl bekannteste deutsche TV-Tier feiert sein Bildschirmjubiläum: Seit einem halben Jahrhundert schon laufen die "Lach- und Sachgeschichten" der "Sendung mit der Maus". Was in erster Linie Kinder unterhalten soll, war von Anfang an auch klassischer Journalismus – das Erfolgsrezept des WDR-Formats.

Von Annika Schneider | 04.03.2021
Armin Maiwald, Filmemacher, Autor und Miterfinder der "Sendung mit der Maus" sitzt auf einem Sofa in seinem Büro vor zahlreichen Filmrollen.
In seinem Büro: Armin Maiwald, Filmemacher, Autor und Miterfinder der "Sendung mit der Maus" (picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd)
Das typische Augenklimpern, ein bisschen Schnüffeln – mehr ist der Maus nicht zu entlocken. Die orange Kultfigur löst seit 50 Jahren in ihren Spots zwar jedes noch so knifflige Problem, gesprochen hat sie dabei aber noch nie. Erzählt und erklärt wird dafür in den Sachgeschichten, die vom Flugzeugbau über Computerspieldesign bis hin zu psychischen Krankheiten den Alltag entschlüsseln, immer im typischen Maus-Duktus, in dem alles ganz einfach scheint.
Moderator Armin Maiwald ist von Anfang an dabei. Maus-Miterfinder Gert Müntefering, damals Leiter des Kinderfernsehens, erinnert sich, wie der heute 81-jährige Maiwald ihm eine der frühen Sachgeschichten auf dem Schneidetisch präsentierte:
"Dann erzählt er mir, was so passiert war bei den Aufnahmen und auch einige kleine Geschichten. Naja, gut, und der Film kam dann nach drei Wochen. Derselbe Film war sehr langweilig – oder nicht langweilig, er stach nicht hervor durch das, was ich als Unterhaltungsgefühl empfunden hatte, und ich habe Armin angerufen und ihm gesagt: Erzähl das doch den Leuten, die vor dem Fernseher sitzen, genau so, wie du das mir erzählt hat. Warum soll ich immer nur den Vorteil haben, das so unverfälscht wahrzunehmen. Und das war dann die zweite Geburtsstunde der Maus, würde ich sagen."

"Wir haben uns als Reporter begriffen"

Seitdem spricht Armin Maiwald seine Geschichten selbst – bis heute ohne Skript. Als die "Lach- und Sachgeschichten" 1971 an den Start gingen, waren Fernsehsendungen für Kinder unter sechs Jahren kurz vorher noch verboten gewesen. Entsprechend umstritten war das Format. Das Ziel der Redaktion war es, Kinder nicht zu bespaßen, sondern zu informieren. Man habe sich dabei nie an pädagogischen Vorgaben orientiert, berichtet Armin Maiwald, sondern von Anfang an journalistisch gearbeitet:
Armin Maiwald: Erfinder des "Maus-Journalismus"
Das ist Armin Maiwald. Gerade ist er 80 geworden – und deshalb wollen wir auf den Einfluss des "Sendung mit der Maus"-Machers auf Journalistinnen und Journalisten in Deutschland schauen. Denn für viele ist Maiwald ein Vorbild für ihre Arbeit.
"Wir haben uns begriffen als Reporter, die nach draußen gehen und im Sinne von Reportieren: Wir bringen eine Geschichte mit zurück, und wir haben die Zuschauer eingeladen, uns auf dieser Reise zu begleiten. Das tun wir bis heute. Wir stellen uns niemals auf ein Podest und sagen: Ich weiß was und ich erklär euch jetzt und jetzt setzt euch mal alles schön hin und passt auf. Sondern vielfach gehen wir auch einfach los mit der Idee und sagen: Wir wissen es auch noch nicht so genau. Sondern wir gehen mal auf die Suche und versuchen, das rauszufinden."

Immer mit der Zeit gegangen

Das kommt gut an: Maus-Fans gibt es inzwischen in allen Generationen – von Vorschülern bis hin zu Rentnerinnen, die einfach dabeigeblieben sind, als der Nachwuchs schon groß war. Kinder seien das kritischere Publikum, sagt Christoph Biemann, mit seinem grünen Pullover ebenfalls Maus-Moderatorenlegende und seit Anfang der 80er-Jahre dabei.
"Erwachsenen kann man sagen: Oh, das ist ja Kunst, wenn du das nicht magst, nicht verstehst, dann bist du halt ignorant. Aber das kann man einem Kind nicht sagen. Die sagen: Nö, das gefällt mir nicht, das will ich nicht, das verstehe ich nicht. Und die sind auch konservativer als Erwachsene. Die wollen also schon bei der Maus auf jeden Fall sehen, was sie gewohnt sind. Da kann man nicht so große Revolutionen machen. Also die Maus plötzlich grün zu machen oder so – das ginge gar nicht."
"Die wichtige Prise Emotion"
50 Jahre Lach- und Sachgeschichten! Fast genauso lange arbeitet Christoph Biemann für "Die Maus". Der Mann im grünen Pulli gehört zu den wenigen Menschen der Sendung, die ein musikalisches Leitmotiv begleitet.
Trotzdem ist das Format mit der Zeit gegangen, auch mit neuen Ausspielwegen. Die Maus gibt es als App und als Kinderradiokanal. Außerdem ist die Sendung barrierefrei, dank Gebärdensprachdolmetschern und Audiodeskription. Und Kinder, die noch nicht so gut Deutsch verstehen, können Clips online auf Englisch, Französisch, Arabisch, Kurdisch und Dari gucken. Auch schwierige Themen wie Tod, Flucht, die Klimakrise und zuletzt die Corona-Pandemie sparte die Maus-Redaktion nie aus.

"In einer gewissen Weise überparteilich"

"Die Maus hat keine politische Agenda", sagt Brigitta Mühlenbeck, beim WDR die Programmgruppe Kinder und Familie leitet: "Wir haben früher mal so ein bisschen polemisch gesagt, sie ist wie der Bundespräsident. Sie ist in einer gewissen Weise überparteilich. Das heißt aber nicht, dass sie nicht einen klaren Weltbezug hat. Also sie ist anteilnehmend und aufmerksam, aber sie bezieht keine Partei."
Die am häufigsten gestellte Kinderfrage, die die Maus 2005 ermittelte, war denn auch eine gänzlich unpolitische. Die meisten Kinder wollten wissen: Warum ist der Himmel blau?