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Serbien
Der Wahlkampf der Radikalen

Der ehemalige serbische Freischärler Vojislav Seselj ist Vorsitzender der Serbischen Radikalen Partei. Zu seinen Wahlkampf-Auftritten gehören nicht nur "Großserbien"-Rufe sondern manchmal auch brennende kroatische Fahnen. Aktuellen Umfragen zufolge könnte die Partei zum ersten Mal die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.

Von Stephan Ozsvath | 22.04.2016
    Vojislav Seselj
    Vojislav Seselj, Chef der Serbischen Radikalen Partei (SRS). (dpa / Toskich Osana)
    Vorwärts in den Kampf, heißt es in dem alten Tschetnik-Lied, mit dem jede Kundgebung der Radikalen Partei mit ihrem Anführer Vojislav Seselj beginnt. Auch die in Subotica, der Regional-Metropole im Norden Serbiens. Auf einem großen Transparent prangt das Konterfei des ehemaligen Freischärlers.
    Der Rechtsradikale wirbt für serbische Paprika statt importierter aus Spanien. Seine Botschaft: Die EU nützt Serbien nicht, nur die Partnerschaft mit Russland.
    Für die Verhältnisse des Provokateurs Seselj ist es eine moderate Rede, viel Wirtschaft, wenig Polemik, es brennt auch keine kroatische Fahne wie sonst gelegentlich. Seine Rede beendet er mit einem Hoch auf "Großserbien".
    "Es lebe Großserbien."
    Das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal habe diese Ideen doch bestätigt, sagt er nach seinem Freispruch Ende März. Dieses Projekt gelte es nun zu verwirklichen, mit demokratischen Mitteln.
    Fans umringen den Rechtsradikalen wie ein Bienenschwarm
    Dann gönnt sich der krebskranke Vorsitzender der Radikalen Partei noch ein Bad in der Menge. Wie ein Bienenschwarm umringen ihn seine Fans, bis er zu den Klängen einer Seselj-Hymne vom Platz neben dem historischen Rathaus verschwindet. Unter seinen etwa 150 Fans sind auch Tschetniks - etwa dieser Vollbärtige, auf dessen T-Shirt das Konterfei des Tschetnik-Gründers Mihajolovic aufgedruckt ist.
    Die nationale Politik finde ich gut, sagt der Mann. Dass alle Serben in einem Land leben. Europa könne Serbien da nicht viel helfen, glaubt er, noch nie. Sie haben uns bombardiert, angegriffen. Wir brauchen die Russen. Wir hassen Europa nicht. Wir würden mit ihnen zusammen arbeiten, wenn das reibungslos liefe. Aber die Russen haben uns nie bombardiert, da sind wir sicher.
    Ein vollbärtiger Anhänger der Serbischen Radikalen Partei
    Einer der 150 Tschetnik-Anhänger des Vorsitzenden der Serbischen Radikalen Partei bei der Kundgebung in Subotica in Nord-Serbien (Deutschlandradio/Ozsvath)
    Seseljs Radikale Partei legt derzeit zu, laut Umfragen ist sie auf Platz Drei, sie wird die Fünf-Prozent-Hürde diesmal überspringen. Woran liegt das? Vladimir Pejic, Direktor des Belgrader Marktforschungsinstituts Faktor Plus meint.
    "Für das Erstarken der Radikalen gibt es zwei Gründe: Seselj ist charismatisch, es ist quasi eine Ein-Mann-Partei. Und was ihm zusätzliche Popularität eingebracht hat, ist der Freispruch des Haager Tribunals, sagt der Meinungsforscher."
    Auf Platz Zwei in der Wählergunst ist laut Umfragen Außenminister Ivica Dacic – auch ein Mann von gestern. Er war Sprecher der Milosevic-Partei. Aber klarer Favorit ist Premier Vucic – früher politischer Ziehsohn des Radikalen Seselj, und als Informationsminister unter Milosevic für das Knebeln der Presse zuständig. Eine Rolle rückwärts also ? Der Meinungsforscher schüttelt den Kopf.
    "Auf den ersten Blick, ja wenn man auf die drei stärksten Parteien und ihre Anführer schaut. Andererseits ist Vucic 2016 nicht der Vucic von 1996 oder 1998. Wichtig ist, dass er begonnen hat, das Denken der Leute zu verändern. Die Situation ist also komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussieht."
    Vucic will Serbien in die EU führen und aus dem Land ein neues China machen – ausländische Investoren durch Billig-Löhne anlocken. Bremsklotz sind aber Bürokratie und verlustreiche Staatsunternehmen. Wichtigstes Thema für die Serben, das sagen Umfragen, sind Jobs und Lebensstandard. Offiziell haben 18 Prozent der Serben keinen Job, real wohl noch mehr.
    Sie hoffe auf Besserung, sagt diese Rentnerin in Subotica, und würde gerne Vucic als Premier behalten. Sie findet: Er hat gute Arbeit geleistet, es gehe voran. Und Vucic habe eine Renten-Erhöhung versprochen, nachdem er sie zunächst gesenkt hatte. Die Renten sind jetzt wirklich sehr niedrig, klagt die Frau. Nicht mal160 Euro, trotz 35 Jahren im Beruf. Immer bei der gleichen Firma. Das Leben ist sehr schwer, seufzt sie. Zuerst zahle sie die Mietkosten, dann alles andere.
    Bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag treten etwa 30 Parteien gegeneinander an.