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Serie: "Branchen im Klimawandel"
Windkraftausbau schreitet voran

Seit dem Sommer dieses Jahres haben vor Deutschlands Küsten fast monatlich neue Windparks ihren Betrieb aufgenommen. Jahrelang wurden sie nur zögerlich geplant, jetzt kommt der Ausbau voran. Bei Anlagen an Land ergibt sich ein ähnliches Bild. Aber das Wachstum wird sich wegen einer Änderung wohl schon bald verlangsamen.

Von Axel Schröder | 20.10.2015
    Ein Windrad des Offshore-Parks Baltic 2 vor der Insel Rügen in der Ostsee.
    Ein Windrad des Offshore-Parks Baltic 2 vor der Insel Rügen in der Ostsee. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Hoch über dem Deck schwebt die 350-Tonnen-Turbine über dem Deck der Victoria Mathias. Der bordeigene Kran hebt die Schwerlast auf den einhundert Meter hohen Turm, mitten in der Nordsee. Millimeter für Millimeter.
    Seit dem Sommer haben fast monatlich neue Windparks vor Deutschlands Küsten ihren Betrieb aufgenommen. Global Tech 1 ging ans Netz, Riffgrund und Dan Tysk, Butendiek oder der mit 41 Turbinen bestückte Windpark "Nordsee Ost". Lange hatte die Branche diese Erfolge gewartet, nach Jahren eher zaghafter Planungen, komplizierter Bauphasen und politischer Konzeptlosigkeit, erklärt Norbert Giese vom Turbinenhersteller Senvion:
    "Das hatte wesentlich mit der Schwierigkeit zu tun bei den Netzanschlüssen. Das hat zu Verzögerungen geführt. Die haben sich jetzt aber im Jahr 2015 aufgelöst. Das hat auch dazu geführt, dass wir fast einen Boom in der Offshore-Windindustrie erleben. So wird es nicht weitergehen. Wir werden konsolidiert, um die 1.000 MW pro Jahr hier in Deutschland errichten können. Das ist eine ähnliche Zahl, die wir auch pro Jahr in Großbritannien sehen. Also Offshore-Windenergie geht voran. Und sie geht mittlerweile sogar gut voran.
    Offshore-Baustellen waren Neuland für Ingenieure
    Aber bis dahin war es ein weiter Weg. 2010 startete der Betrieb des Test-Windparks Alpha Ventus. Mit nur zwölf Windrädern. Die deutschen Ingenieure, Planer und Beamten mussten erst lernen, riesige Baustellen auf hoher See zu managen. Anders als Dänemark oder Großbritannien hatten die Deutschen keine Erfahrungen im Öl- und Gasgeschäft. Und auch die Entscheidung, weit draußen, außer Sichtweite der Küsten die ersten deutschen Parks zu bauen, machte diese Unternehmungen extrem aufwändig, erklärt Marcel Sunier, der Projektleiter des Windparks Nordsee Ost:
    "Wenn man guckt, in Dänemark oder auch in England, da ist man küstennah. Das heißt, die Reisezeiten zum Park sind viel kürzer, man ist mehr im geschützten Wasser, kommt eher zu den Anlagen hin. In Deutschland ist man direkt aus bekannten Gründen - Naturschutz und so weiter - halt in diese Zonen vorgedrungen. Mit den entsprechenden Herausforderungen und mit den entsprechenden Kosten."
    Montagearbeiten am Windpark Nordsee Ost.
    Montagearbeiten am Windpark Nordsee Ost. (Deutschlandradio / Axel Schröder)
    Und diese Kosten liegen pro Windpark bei rund 1,5 Milliarden Euro. Ganz anders, mit viel geringeren Investitionskosten startete der Ausbau der Windkraft an Land. Ab 1991, nach Verabschiedung des Stromeinspeisegesetzes, wuchs die Zahl der Anlagen. Auf 1.500 damals noch vergleichsweise leistungsschwache Windräder im Jahr 2000. Den nächsten Schub bewirkte das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seinen festen Vergütungssätzen für Windstrom. Heute drehen sich in Deutschland über 25.000 sehr effiziente Rotoren, die - wenn der Wind weht - über 85 Gigawatt Strom produzieren. Mit fast 9 Prozent hat die Windkraft an Land den größten Anteil unter den Erneuerbaren an der Gesamtproduktion. Und das Wachstum wird weitergehen, wenn auch langsamer, prognostiziert Ralf Peters vom Turbinenhersteller Nordex:
    "Eine Normalisierung des Absatzes erwarten wir. Und damit verbunden eine leichte Schwankung nach unten. Aber an sich wird es einer der größten Märkte Europas bleiben. Wir gehen davon aus, dass wir 3.500 bis 4.000 Megawatt Installation pro Jahr sehen. Das ist ein Riesenvolumen."
    Weiter Wachstum - aber langsamer
    Aber verglichen mit den letzten beiden Jahren ist es ein Rückschritt. In Zukunft wird der Ausbau der Onshore-Windkraft langsamer vonstattengehen. Denn ab 2017 wird es keine festen Vergütungssätze für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde mehr geben. Die Windmüller sollen ihren Strom selbst vermarkten. Das Ziel ist: den Strom aus Windkraft genauso günstig oder noch günstiger zu produzieren wie beispielsweise Kohlestrom, die so genannte Netzparität herzustellen. 25 Jahre nach dem Stromeinspeisegesetz ist die Windkraft an Land die erfolgreichste und günstigste Variante, erneuerbaren Energie zu liefern.