Donnerstag, 25. April 2024

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Gewalt im Sport
„Safe Sport-Zentrum ausdrücklich begrüßt“

In einem Positionspapier geht der organisierte Sport erstmals auf die Idee einer unabhängigen Institution zum Schutz der Athletinnen und Athleten vor psychischer, physischer oder sexualisierter Gewalt ein. Er begrüßt ein Zentrum für Safe Sport.

Von Andrea Schültke | 13.08.2022
Ein kleines Mädchen mit einem blonden Zopf, von hinten aufgenommen, lauscht den Erklärungen ihres Karate Trainers.
Für Betroffene ist es oft schwierig, einen Vorfall zu melden, weil sie in einem Abhängigkeitsverhältnis gefangen sind. (dpa-Zentralbild)
Die Reaktionen auf das Positionspapier des DOSB sind positiv:
„Das Bundesinnenministerium begrüßt es, dass der DOSB und die dsj die Einrichtung eines Zentrums für Safe Sport befürworten." 
„Das ist eine ganz gute Grundposition auf der man jetzt zusammen weiterarbeiten kann.“
„In der Gesamtbetrachtung kann man schon feststellen, dass das insgesamt sehr positiv zu bewerten ist“, beschreibt Maximilian Klein die Einschätzung des Vereins Athleten Deutschland zum DOSB Papier.

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Die Interessenvertretung der Leistungssportlerinnen und -sportler hatte die Idee eines Zentrums für Safe Sport vor knapp zwei Jahren in die Diskussion gebracht und weiter vorangetrieben.

Zentrum ist politisch gewollt

Im vergangenen November hat die Bundesregierung den Aufbau des Zentrums im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Eine vom BMI in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie hat die Notwendigkeit der Einrichtung bestätigt. Das Zentrum für Safe Sport ist politisch gewollt. Wer mitgestalten will, braucht eine Haltung dazu - auch der organisierte Sport. Der ist jetzt nach einem mehrmonatigen sogenannten Dialogprozess überzeugt:
„Dass das Zentrum eben gut helfen kann, Schutzlücken beim Schutz vor Gewalt im Sport zu schließen, aber auch die Maßnahmen und Aktivitäten der Sportverbände und Vereine hier sinnvoll zu ergänzen und sie auch dabei zu unterstützen", formuliert Christina Gassner, Geschäftsführerin der deutschen Sportjugend. Schutz vor Gewalt gehört zu ihrem Aufgabenbereich.
Im Dialogprozess mit seinen Mitgliedsorganisationen hatte der DOSB auch externe Expertinnen gehört. Auch der Verein Athleten Deutschland hat eine Einladung bekommen: „Das haben wir auch dankend angenommen. Ein Positivbeispiel, wie die Athleteneinbindung funktionieren kann“.

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Die Gelegenheit zur Stellungnahme hatte auch Nadine Dobler. Sie hat im Fußball sexualisierte Gewalt erfahren. Ihr Anliegen:
„Herauszustellen, wie schwierig es für Betroffene ist, sich in diesem Sportsystem zu melden, weil es doch oft so ist, dass Sportler in einer Abhängigkeit sind - manchmal auch zu den Personen. Oder dass die verantwortlichen Personen selber in einem Loyalitätskonflikt sind, weil sie auf irgendeine Weise verbunden sind mit dem Verein oder vielleicht sogar auch mit den Beschuldigten.“

Aufarbeitung außerhalb der Sportstrukturen

Daher müsse eine Aufklärung und Aufarbeitung von Gewalt im Sport auch außerhalb der Sportstrukturen möglich sein.
Betroffene hätten immer die Wahl, an welche Stelle sie sich zuerst wenden möchten, betont Christina Gassner von der dsj gegenüber dem Deutschlandfunk, sagt aber auch, das Zentrum für Safe Sport solle immer dann tätig werden,
„wenn ein Sportverband das nicht kann oder aufgrund einer geforderten Unabhängigkeit auch nicht soll. Da geht es eigentlich darum, noch mal zu betonen, dass wir uns klar dazu bekennen wollen, dass der organisierte Sport aus unserer Sicht die originäre Verantwortung für den Schutz vor jeglicher Gewalt im Sport hat.“
Genau hier bleiben für Nadine Dobler im DOSB-Papier aber Fragen offen. Die Mitarbeiterin von „Anlauf gegen Gewalt“, einer Anlaufstelle für Betroffene von Gewalt im Leistungssport, möchte wissen, was genau in dem Fall passiert, wenn sich Betroffene direkt an das Zentrum wenden:
„Inwieweit dann die Handlungskompetenz des Safe-Sport-Zentrums so gestärkt ist, dass es auch handlungsfähig ist und gegebenenfalls auch an die Vereine herantreten kann oder an die Verbände und dort auch Handlungsoptionen hat.“
„Also kann es zum Beispiel so weit gehen, dass ab einer gewissen Schwere von Fällen das Zentrum automatisch informiert werden muss?“, fragt sich auch Athleten-Vertreter Maximilian Klein.
„Da reden wir auch über Informationspflichten, dass Stellen innerhalb des Sports Betroffene aufklären müssen, was ihre Handlungsoptionen sind. Dass auch das Zentrum tätig werden kann, das ist ganz wichtig. Wir wollen nicht, dass Betroffene am Ende die Verantwortung tragen müssen und Interessenkonflikte von handelnden Personen selbst identifizieren müssen.“
Die genauen Verfahrensabläufe, wann das Zentrum von wem eingeschaltet wird und welche Befugnisse es dann hat, werden noch weiter diskutiert werden. Genau wie die Finanzierung.

DOSB will nicht mitfinanzieren

Die vom BMI in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie sieht eine Finanzierung des Zentrums durch Bund und Länder und den organisierten Sport vor. Der investiere bereits seit vielen Jahren in Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt im Sport und wolle diese Aktivitäten in einem Zukunftsplan Safe Sport weiter ausbauen, betont Christina Gassner. Das Zentrum für Safe Sport sei aber Aufgabe des Bundes:
„Es ist ein Auftrag im Koalitionsvertrag an die Regierungsparteien der jetzigen Regierung, dieses Zentrum Safe Sport zu schaffen. Und dafür sollte eben auch dann die Bundesregierung aus unserer Sicht die Mittel zur Verfügung stellen“.
„Die Aussagen zu einer ausschließlichen Finanzierung durch den Bund werden nicht geteilt“, schreibt das Bundesinnenministerium dazu auf Anfrage des Deutschlandfunks und weiter: "Der Bund geht davon aus, dass eine breite Finanzierung des Zentrums durch viele Beteiligte - Bund, Länder, organisierter Sport - erfolgen wird.
Auch aus Sicht von Maximilian Klein von Athleten Deutschland ist eine Mitfinanzierung des Zentrums durch den organisierten Sport notwendig:
„Letzten Endes ist ja das Zentrum für Sport deshalb notwendig, weil der Sport dieses Systemdefizit überhaupt erst zulässt, bzw. weil sie innerhalb des Sportsystems so bestehen. Dass sich der Sport dann da komplett rauszieht, geht eigentlich nicht.“

Zeitige Umsetzung eines Vereins als Anlaufstelle für Betroffene

Diese und andere Diskussion über den Aufbau des Zentrums für Safe Sport werden nun laut Bundesinnenministerium in einem „ergebnisoffenen Stakeholderprozess“ geführt werden:
„Am Ende des Prozesses soll ein Zeitplan zur Realisierung des Zentrums für Safe Sport stehen, der die Umsetzungsschritte für den Zeitraum der zweiten Hälfte der Legislaturperiode aufzeigt“.
Schneller gehen soll es mit der vom BMI geplanten Ansprechstelle für Betroffene von Gewalt im Leistungs- und Breitensport in der Trägerschaft eines eingetragenen Vereins: „Das BMI geht davon aus, dass der Verein bis Ende 2022 gegründet werden kann und die Ansprechstelle anschließend ihre Tätigkeit aufnehmen wird.“
Auf der Sitzung der Sportministerinnen und -minister am Dienstag werden unter anderem diese Ansprechstelle und das Zentrum für Safe Sport Thema sein.