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Sicher, dass Juncker "wieder antreten wird"

Eine Ära geht zu Ende: Jean-Claude Juncker hat nach 18 Jahren an der Spitze Luxemburgs seinen Rücktritt eingereicht. Der Luxemburgische Sozialdemokrat und Europapolitiker Robert Goebbels rechnet zwar mit Konsequenzen aus der Geheimdienstaffäre, an Junckers politisches Aus glaubt er aber nicht.

Robert Goebbels im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Dirk Müller: Tritt er oder tritt er nicht? Nein: Jean-Claude Juncker tritt nicht zurück wegen der Geheimdienstaffäre, die den luxemburgischen Premier schwer belastet. Aber der Christdemokrat macht den Weg frei für Neuwahlen, indem er selbst seinen Rücktritt einreicht. Mein Kollege Jürgen Liminski hat darüber mit dem Europaabgeordneten Robert Goebbels gesprochen, er ist Mitglied der luxemburgischen Sozialdemokraten.

    Jürgen Liminski: Herr Goebbels, in ein paar Monaten wird im Fürstentum wieder gewählt. Halten Sie es für möglich, dass es in Luxemburg eine Regierung ohne die Christdemokraten und ohne Juncker gibt?

    Robert Goebbels: Möglich ist alles, aber das werden die Wähler entscheiden. Man muss wissen, dass die Christdemokraten mit Abstand größte Partei in Luxemburg sind, was auch erklärt, weshalb Juncker schon so lange an der Regierung ist. Selbst wenn die Christdemokraten, wie erwartet wird, einige Sitze verlieren werden, bleiben sie sehr wahrscheinlich noch immer größte Partei. Und in normalen parlamentarischen Demokratien ist zuerst immer die stärkste Partei am Drücker, um eine Regierung zu bilden.

    Liminski: Wären denn die Sozialdemokraten dann erneut bereit, mit Juncker eine Koalition zu bilden?

    Goebbels: Das hängt alles vom Ausgang der Wahlen ab. Wenn meine Partei bei den Wahlen verlieren würde, könnte ich mir vorstellen, dass sie in die Opposition geht. Wird meine Partei aber bestätigt oder sogar gestärkt, dann stellt das sich wiederum anders. Aber es macht im Moment keinen Sinn, über so was zu spekulieren. Zuerst muss der Wähler sprechen und ich glaube, was heute bei dieser Debatte über diese Geheimdienstaffäre im Parlament wesentlich herauskam war eben, dass Juncker eingesehen hat, dass es ohne Neuwahlen nicht geht.

    Liminski: Was passiert eigentlich mit dem Geheimdienst in Luxemburg? Werden da Konsequenzen gezogen?

    Goebbels: Da wurden schon Konsequenzen gezogen und es werden mit Sicherheit noch zusätzliche Konsequenzen gezogen. Es gab heute vom Parteipräsidenten der Sozialisten sogar einen Gesetzesvorschlag, wie in Zukunft die parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes zu organisieren ist, und dieser Gesetzesvorschlag hat praktisch Zustimmung von allen Seiten bekommen.

    Liminski: Gab es denn bisher keine parlamentarische Kontrolle?

    Goebbels: Es gab eine parlamentarische Kontrolle, es gab eine sogenannte Geheimdienstkommission. Doch hat sich herausgestellt, dass diese nur eine Alibifunktion hatte, und einer der größten Vorwürfe an den Premierminister Juncker war, dass er dieser Geheimdienstkommission des Parlaments keine Einsicht gegeben hat in verschiedene sehr kritische Dossiers.

    Liminski: Juncker galt als Mr. Euro. Ist das Image von Juncker in Europa durch diese Hausaffäre angeschlagen?

    Goebbels: Es ist nie gut, wenn man als Politiker über eine solche Affäre stolpert. Doch glaube ich, dass die Verdienste Junckers um den Euro erhalten bleiben und dass Juncker auch mit Sicherheit nicht abzuschreiben ist.

    Liminski: Ändert sich etwas in der Europapolitik Luxemburgs?

    Goebbels: Glaube ich kaum. Wir hatten hier einen handfesten Skandal, der hausgemacht war, der nichts mit Europa zu tun hat, ausgenommen, dass in vielen Ländern es Probleme mit den Geheimdiensten gibt, auch in der Bundesrepublik.

    Liminski: Sie kennen Juncker aus vielen Jahren der Zusammenarbeit in einer politischen Klasse. Glauben Sie, dass er in der Lage ist, auch ganz aufzuhören? Er ist ja noch keine 60 Jahre alt.

    Goebbels: Nein. Juncker ist erst 58 Jahre alt, also in der Politik noch relativ jung. Ich bin mir sicher, dass er wieder antreten wird. In parlamentarischen Demokratien kommt das ja öfters vor, dass eine Regierung zurücktreten muss. Das heißt aber dann nicht, dass der Premierminister oder die Minister dadurch sich disqualifizieren fürs politische Leben. Es ist an dem Wähler zu entscheiden, wem er vertraut und wem er nicht vertraut, und ich bin fest überzeugt, dass Juncker zwar an Stimmen verlieren wird, aber trotzdem noch sehr gut gewählt wird.

    Liminski: Wenn es dann zu einer Neuauflage der jetzigen Koalition kommen sollte, was sollte dann das ganze? Ist das nicht irgendwie doch ein bisschen Polittheater?

    Goebbels: Polittheater würde ich nicht sagen. In dieser Geheimdienstaffäre gab es so viele fast unglaubliche Sachen, dass der Geheimdienst zum Beispiel dem Generalstaatsanwalt eine Kindesschändungsaffäre anhängen wollte. Das kann doch nicht ohne politische Konsequenzen bleiben. In der Politik ist es halt so, dass für Fehlleistungen in Ämtern oder in Geheimdiensten letztlich der politische Verantwortliche geradestehen muss, und das ist nun einmal Juncker, der seit 15 Jahren oberster Chef des Geheimdienstes ist.

    Liminski: Der zieht nun die Konsequenz. Aber gibt es vielleicht auch – es geht ja immerhin um Rufmord, wenn man so will – strafrechtliche Folgen?

    Goebbels: Es wird mit Sicherheit strafrechtliche Folgen geben gegen einzelne Agenten, die offensichtlich über die Stränge gehauen haben und die gegen Gesetze verstoßen haben, wie zum Beispiel illegale Abhörungen. Es beginnt damit, dass der Geheimdienstchef seinen eigenen Premierminister abgehört hat. Das muss sanktioniert werden.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.