Minus 60 Prozent – nicht mal mehr halb so viele Kinder unter sechs sind Mitglied im Deutschen Skiverband, verglichen mit 2012. Und auch in den Altersklassen bis 18 Jahre sind es ca. 20 Prozent weniger.
Der Nachwuchs fehlt, ein Problem, dass sich so langsam auch im Profibereich bemerkbar macht. Kein neues Problem für DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier, der jetzt vor allem auf die Auswirkungen der Pandemie hinweist: "Durch die aus unserer Sicht im Sport völlig überzogenen Maßnahmen in einer Freiluftsport haben wir in den letzten zwei Jahren schon ziemlich Aderlass gehabt, was die Menschen betrifft, die überhaupt den Sport machen wollen. Natürlich hat das über kurz oder lang auch Auswirkungen auf den Spitzensport, weil der Spitzensport lebt nun mal von der Breite."
Die Verantwortlichen im Skiverband haben neben der Pandemie noch zwei weitere Aspekte für die sinkenden Nachwuchszahlen ausgemacht. Laut Thomas Braun, Vorstand für Sportentwicklung im DSV, sind das vor allem die sinkende Schneegarantie und ein Imageproblem des Skisports: „Also der Skisport an sich ist hochattraktiv. Wir haben allerdings die Herausforderung, dass der Skisport, wie viele andere Freizeitaktivitäten auch, natürlich negative Auswirkungen, insbesondere durch die Anreise, in dem Thema der ökologischen Nachhaltigkeit hat.“
Deswegen gebe es kaum noch Angebote wie Schulskiausfahrten. Lernen Kinder aber Schneesportarten gar nicht kennen, gibt es auch keinen Nachwuchs.
Mehr Flexibilität gefordert
„Wir brauchen grundsätzlich da etwas andere Strategien. Wir werden mit Sicherheit etwas flexibler werden müssen.“ Wir, damit meint Thomas Braun in diesem Fall alle Beteiligten - Trainer, Sportler und Eltern: „Man muss nicht unbedingt den Trainingshöhepunkt jetzt, wenn ich den Schülerbereich anspreche, über die Zeiträume November, Dezember, Anfang Januar haben. Wenn dort kein Schnee liegt so wie in diesem Jahr, dann muss man sich eben darauf einstellen, dass diese Saison vielleicht etwas länger geht. Und man muss es dann halt nutzen, wenn der Schnee da ist.“
Speziell in den Mittelgebirgen könne man auf Skihallen setzen. Talente, die dort entdeckt werden, könnten dann mit finanzieller Unterstützung längere Trainingsmaßnahmen in den Alpen durchführen. Nachwuchsarbeit ist immer auch eine Frage des Geldes.
„In meiner Jugend hat man halt einen Ski gekriegt und einen Anzug und war mit dem Setup erst einmal halbwegs konkurrenzfähig", erinnert sich Martin Schmitt an seine Anfänge in den 90er Jahren. Der vierfache Weltmeister und Mannschafts-Olympiasieger im Skispringen arbeitet heute als Talentscout. Das hat sich in den letzten Jahren noch einmal sehr verändert. „Ein 16-Jähriger ist mit so einem Standard-Setup einfach international absolut nicht konkurrenzfähig. Und das führt natürlich zu Problemen. Wenn aber der Verband im Spitzenbereich schon viel, viel mehr investieren muss, um international mithalten zu können, dann bleibt jetzt auch nicht unbedingt mehr Geld übrig, um den Nachwuchs dann entsprechend auszustatten.“
Strukturen in Deutschland erschweren die Nachwuchsarbeit
Und auch bei der Bereitstellung der Anlagen wünscht sich Martin Schmitt mehr Unterstützung im Skispringen: „Im internationalen Vergleich haben wir da auch eher das Nachsehen, auch wenn man Höhenlagen vergleicht. Da hat man schon das Gefühl, dass es anderswo besser läuft oder eher möglich ist, auch Sportanlagen zur Verfügung zu stellen, also Trainingsstätten zur Verfügung zu stellen.“
Im Schwarzwald konnten beispielsweise Schanzen zuletzt drei Jahre wegen Umbauten und Baufehlern nicht genutzt werden. Das wirke sich direkt auf die Jahrgänge aus, die ihr Talent durch das fehlende Training nicht entwickeln konnten. In Deutschland behinderten dazu die Strukturen im Spitzensport, findet Alpindirektor Wolfgang Maier, vor allem die Absprachen zwischen Bund und Ländern. „Man muss schauen, dass Bund und Land gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Das ist einer der elementarsten der strukturellen Fehler, die man im deutschen Sport gemacht hat, weil man sich natürlich die Verantwortung gegenseitig zuschieben möchte, weil man nicht das ganze Thema sieht. Und weil man auch keine Ziellösungsstrategie hat, sondern nur eine Zuweisungsstrategie. Und das ist einfach verkehrt und deshalb ist es so, wie es ist.“
Talententwicklung auch von Trainerengagement abhängig
Erfolge in der Nachwuchsarbeit sind ganz eng verknüpft mit engagierten Personen in den einzelnen Vereinen und Stützpunkten, davon ist Sportentwicklungs-Vorstand Thomas Braun überzeugt: „Wenn in regionalen Zellen ein oder zwei Personen eine gute Arbeit machen, sich engagieren, und es sind ja meistens ehrenamtliche Trainer, man kennt sofort, dass sich dort was bewegt.“
Breche jedoch der Trainer weg, dann gehe der ganze Verein ein. „Wenn wir es schaffen, mehr das ehrenamtliche Engagement im Sport anzuschieben: Ich baue wirklich Strukturen im Verein auf, ich begleite die Kinder, ich entwickle sie nachhaltig. Dann hätten wir das Nachwuchsproblem nicht, da bin ich überzeugt davon, im gesamten Sport.“
Wie wichtig insbesondere der Trainerberuf ist für Kinder und Jugendliche, das hat Ex-Skispringer Martin Schmitt zu seiner aktiven Zeit erlebt und auch jetzt als Talentscout. Auch er sieht den Bedarf nach besserer finanzieller Ausstattung: „Das kann man halt nicht erwarten, dass jemand, der voll berufstätig ist, dann auch noch dreimal in der Woche das einfach ehrenamtlich macht. Aber das ist immer, immer schwerer zu finden. Das geht dann schon in Summe zu Lasten auch der Talententwicklung.“