Samstag, 20. April 2024

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Sogenannte Polizeiaffäre in Baden-Württemberg
Der Journalist als Zeuge

Ein vertrauliches Dokument wird an einen Journalisten weitergeleitet, der es durchsticht – solche Vorgänge sind für Medien nicht unüblich. Im Falle der sogenannten Polizeiaffäre in Baden-Württemberg aber sind die Konsequenzen weitreichend. Nun hat der Journalist als Zeuge im Untersuchungssauschuss ausgesagt.

Text: Isabelle Klein | Katharina Thoms im Gespräch mit Pia Behme | 21.11.2022
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, spricht im Medienzentrum im Landtag bei einer Befragung im Landtags-Untersuchungsausschuss zur "Polizeiaffäre"
Innenminister Thomas Strobl (CDU) spielt eine entscheidende Rolle in der "Polizeiaffäre" und wurde schon zwei mal vom Untersuchungsausschuss des Landtags befragt (picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
Das Durchstechen eines Anwaltsschreibens bringt Ende 2021 einen Stein ins Rollen, der bis heute nicht zur Ruhe kommt. Was als Fall der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs innerhalb der Polizei in Baden-Württemberg beginnt, weitet sich schnell zur Landesaffäre aus.
Es beginnt bei einem Abend Mitte November 2021, über den Medien schreiben, er sei „feucht-fröhlich“ gewesen, doch offenbar nicht für alle. Ein inzwischen suspendierter Spitzenbeamter, der auch zuständig für eine Polizeikampagne gegen Sexismus war, soll eine junge Hauptkommissarin belästigt haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhob Anklage wegen sexueller Nötigung.
Aufgedeckt hatte diesen Fall unter anderem der Journalist Franz Feyder von den „Stuttgarter Nachrichten“. Dieser hatte schon jahrelang zu möglichen Verfehlungen bei der Polizei in Baden-Württemberg recherchiert und war bei den Themen der Inneren Sicherheit kein Unbekannter, berichtet Dlf-Korrespondentin Katharina Thoms.

Auszüge aus einem vertraulichen Dokument in der Stuttgarter Zeitung

Ende 2021 wendete sich dann der Anwalt des beschuldigten Polizeibeamten mit einem Schreiben an das Innenministerium, über dessen Inhalt kurz danach ebenfalls in den „Stuttgarter Nachrichten“ berichtet wurde.
Doch wie kamen die vertraulichen Informationen an die Presse? Erst Monate später war klar: Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) höchstpersönlich hatte das Dokument an den Journalisten Feyder gegeben.
Seitdem steht Strobl deswegen in der Kritik: Hat er gesetzeswidrig ein internes Schreiben weitergereicht? Die Staatsanwaltschaft ermittelte – auch gegen den Journalisten. Inzwischen sind beide Verfahren eingestellt.
Bei den Ermittlungen gegen den Journalisten, stützte sich die Staatsanwaltschaft auf den Paragraf 353d im Strafgesetzbuch: Wer amtliche Dokumente eines Disziplinarverfahrens öffentlich macht, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist, macht sich strafbar. Dem gegenüber steht jedoch die Pressefreiheit.

Journalist sagt vor Untersuchungsausschuss aus

Mittlerweile arbeitet auch ein Untersuchungsausschuss im Landtag die Vorfälle auf. Nach zwei Befragungen von Innenminister Strobl, hat dort am 22.11.2022 neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) auch der besagte Journalist ausgesagt.
Feyder betonte hier noch einmal seine Unschuld und sieht sich als Opfer. Strobl habe ihm das Schreiben des Polizisten-Anwalts für seine Berichterstattung zukommen lassen; er habe dem Innenminister dabei den im Journalismus üblichen Quellenschutz zugesichert.

Feyder: Presse "massiv eingeschränkt"

Feyder kritisierte indes, durch die kurzzeitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in seiner Berichterstattungsfreiheit behindert worden zu sein. Währenddessen habe er nicht recherchieren und veröffentlichen können. Die Freiheit der Presse sei hier "massiv eingeschränkt" worden, so der Journalist.

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Der DJV Baden-Württemberg äußerte den Verdacht, dass nur deshalb gegen den Reporter ermittelt wurde, damit die Staatsanwaltschaft auch gegen den Innenminister vorgehen konnte.
Die Befragung Feyders sollte laut Opposition klären, ob es Widersprüche zu Strobls Aussagen gebe, so SPD-Innenpolitiker Sascha Binder im Vorfeld gegenüber der dpa. Ministerpräsident Kretschmann hingegen hatte das Vorgehen laut dpa kritisiert. Die Opposition blase die Weitergabe des Schreibens unnötig auf.