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Sonne, Meer und Dieselruß
Die Liebe der Deutschen zur Kreuzfahrt

Durch die Nordsee, hoch bis Spitzbergen, durchs Mittelmeer oder die Karibik: Seit Jahren wächst die Zahl der Reisenden, die ihren Urlaub auf dem Meer verbringen. Die Kreuzfahrt ist sexy geworden, freut sich die Branche. Umweltverbände hingegen kritisieren die zunehmende Luftverschmutzung.

Von Axel Schröder | 06.08.2017
    Ein Kreuzfahrtschiff im Hafen von Piräus
    Kreuzfahrten werden bei deutschen Reisenden immer beliebter. (dpa / picture-alliance / George Christakis)
    Ein Shantychor begrüßt die Passagiere im Hamburger Hafen - im Kreuzfahrtterminal Steinwerder. Die Halle hat die Größe eines Fußballfeldes, darüber spannt sich eine hohe Decke. Einige Hundert Passagiere gehen von Bord der "MS Preziosa", andere stehen an den Tresen zum Einchecken. Durch die Panoramascheiben können die Urlauber schon den Rumpf des über 300 Meter langen Schiffs sehen. Beim Ehepaar Rickers aus Buxtehude ist die Vorfreude groß:
    "Das Faszinierende finden wir, ist, dass wir da Menschen und Orte kennenlernen können. Also nette Menschen, nette Umgebung, abwechslungsreiche Fahrten. Das ist das, warum wir da mitmachen!"
    "Ich liebe Theater, ich liebe Livemusik und das wird mir hier alles geboten. Abends habe ich das, am Tag habe ich die Ausflüge, wo wir uns irgendetwas angucken können. Man sieht viel in relativ kurzer Zeit."
    Es ist die zehnte Kreuzfahrt des Ehepaars. Sieben Tage lang werden sie unterwegs sein. Es geht nach Zeebrügge und Rotterdam. Mit an Bord gehen an diesem Morgen auch Hilde und Volker Becker:
    "Ich komme überall hin und ich habe immer mein eigenes Zimmer dabei!"
    "Auf den Schiffen ist alles, was sich überhaupt erdenken kann. Da fehlt es an gar nichts. Langeweile kommt da nie auf. Da sind 24 Stunden teilweise wirklich zu wenig. Das ist wirklich wahr!"
    Dass einige nordafrikanische Häfen und auch Istanbul aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht mehr angelaufen werden, nimmt Volker Becker schulterzuckend hin:
    "Wenn die Reederei entscheidet, den Hafen laufen wir nicht an - ist uns auch schon zwei Mal passiert - dann ist das in Ordnung. Dann akzeptiere ich das, denn die sind für meine Sicherheit verantwortlich und die kümmern sich darum. Wir haben eingeschifft, dann hieß es: 'Den Hafen können wir nicht anlaufen, ist uns zu unsicher!' OK, machen wir das eben nicht."
    Die Beckers horchen auf. Die Durchsage mit der Bitte zum Boarding hallt durch den Terminal. Das Ehepaar macht sich mit ihren klobigen Rollkoffern auf den Weg zu den Röntgenmaschinen, die - wie an Flughäfen - das Gepäck der Passagiere durchleuchten.
    Noch größere Spas und noch mehr Wohlfühlerlebnis
    Seit Jahren steigt die Zahl der Kreuzfahrturlauber. 2016 verbrachten zwei Millionen Deutsche ihre Ferien an Bord der Schiffe, buchten Touren durch die Nordsee, hoch nach Spitzbergen, in die sicheren Gebiete des Mittelmeers, nach Südostasien oder in die Karibik. Anfang März feierte sich die Kreuzfahrtbranche auf der Internationalen Tourismus-Messe in Berlin selbst:
    "Die Kreuzfahrt ist sexy geworden! Und auch der deutsche Kunde hat immer mehr verstanden, dass das eine Reiseform ist, die extrem angenehm ist. Nehmen sie mal das Beispiel, sie gehen auf das Schiff, sie packen einmal ihren Koffer aus und wenn sie eine zehntägige Reise machen, kommen sie jeden Abend in ihre eigenen vier Wände zurück. Das ist Reisekomfort! Und sie haben tagsüber andere Städte gesehen, haben ihr Ausflüge gemacht, haben dazu gelernt, haben über Kultur anderer Länder etwas erfahren. Das ist ein Mehrwert!"
    Touristen liegen am Außenpool auf dem obersten Deck des Kreuzfahrtschiffes "Mein Schiff 3", aufgenommen am 06.11.2016. 
    In Zukunft soll den Gästen an Board noch mehr geboten werden. (dpa / ZB / Soeren Stache)
    Karl J. Pojer leitet die Kreuzfahrtabteilung des Hamburger Reiseanbieters Hapag-Lloyd Cruises [*]. Seit einem Jahr ist er auch Vorsitzender des sogenannten "Leadership Council" beim Branchenverband "CLIA Deutschland", der "Cruise Lines International Associaction". Karl J. Pojer geht davon aus, dass die Entwicklung der letzten Jahre, den Gästen an Bord immer noch ein bisschen mehr zu bieten, sich auch in Zukunft fortsetzen wird:
    "Die Spas werden größer, das Wohlfühlerlebnis wird weiterhin ausgebaut. Es wird eine klarere Ausrichtung, denke ich, noch in Zielgruppen geben. Aber wenn sie heute das Spektrum anschauen, vor allem auch im deutschen Reisemarkt: Es gibt die Luxuskreuzfahrten und die Expeditionskreuzfahrten zum Beispiel mit Hapag-Lloyd als führendem Anbieter, sie haben die Wohlfühl-Kreuzfahrten von zum Beispiel TUI Cruises, sie haben Aida als Familien-Entertainment-Konzept. Man könnte alle Reedereien hier aufzählen, die ihre Nische gefunden haben. Und ich denke, es ist Platz für jeden!"
    Durchschnittsalter der Passagiere sinkt
    Geleitet wird die CLIA Deutschland von Helge Grammerstorf. Er freut sich zwar über den Zuwachs an Passagieren, darüber, dass ihr Durchschnittsalter immer weiter sinkt. Helge Grammerstorf verweist aber auch darauf, dass knapp 70 Millionen Deutsche immer noch Pauschalreisen buchen. Das Potenzial an Neukunden, die bislang noch Zelten gehen, mit dem Zug oder Flugzeug reisen oder Wandertouren buchen, sei also immens. Und die Preise für Kreuzfahrten immer noch erschwinglich, findet Helge Grammerstorf. Auch, wenn sie in den letzten Jahren stetig gestiegen sind.
    "Kreuzfahrt ist ja schon lange nicht mehr elitär oder teuer! Sondern es gibt viele Kreuzfahrtangebote, die ganz unterschiedlich ausgeprägt sind, aber auch zu unterschiedlichen Preisen zu haben sind. Die 187 Euro, die wir heute genannt haben als Durchschnitt aller Durchschnittspreise über das gesamte Land und die gesamte Kreuzfahrtbranche als Mittelwert gebildet, schließt ja gleichzeitig ein, dass es auch viele Reisen gibt, die deutlich günstiger sind. Wo wir dann also plötzlich von Tagesraten von deutlich unter hundert Euro sprechen. Das heißt, auch für 70, 80 Euro ist durchaus eine Kreuzfahrt schon zu haben, aber eben auch für 700 oder 800 Euro. Die Bandbreite ist sehr, sehr groß geworden, die Vielfalt wird eigentlich immer größer!"
    Wie relativ die Behauptung von den "günstigen" Kreuzfahrtreisen ist, können Interessierte mit wenigen Mausklicks im Internet herausfinden. Eine zehntägige Reise auf der Aida Diva durch die Ostsee - mit Vollpension und Aufenthalten in Danzig, Tallinn, St. Petersburg, Helsinki und Kopenhagen - kostet für eine Familie mit zwei Kindern 4.000 Euro, also 400 Euro pro Tag. Das Bier oder der Wein an einer der vielen Bars und das Eis für die Kinder zwischendurch sind dabei noch nicht mit eingerechnet. Etwas teurer sind die Reisen mit der Schweizer Reederei MSC. Dafür ist aber auch das Ambiente auf diesen Schiffen etwas gediegener.
    Fahrstühle gleiten durch die 18 Ebenen des Schiffs
    Am Ende der Gangway, die den Kreuzfahrtterminal Steinwerder mit den Schiffen verbindet, kontrolliert das Personal alle Passagiere einzeln. Eine kleine Plastikkarte samt Foto wird gescannt, alle ab- und anreisenden Gäste müssen die kleinen, MSC-eigenen Plastikkarten mit ihrem Foto kurz vorzeigen, bevor sie an Bord dürfen.
    Auf der MS Preziosa verbindet eine glitzernde Glastreppe die einzelnen Decks. Zusätzlich gleiten Fahrstühle durch die 18 Ebenen des Schiffs. Die Berlinerin Angela Marina Bick arbeitet als Eventmanagerin auf der MS Preziosa. Im Poloshirt und weißen Jeans lotst sie interessierte Besucher durch die verwinkelten Gänge und zeigt, was das Schiff alles zu bieten hat:
    Am Eingang zum Wellness-Bereich steht aufgereiht das Personal: zumeist junge Frauen aus Südostasien. Die Hände zum Gruß gefaltet, verbeugen sie sich lächelnd vor den Besuchern.
    "Hier ist unser Team. Hier ist zum Beispiel unser wunderbarer Spa-Manager. Und wir haben auch einen Spa-Doktor. Was heißt das? Und das ist nicht nur interessant in unserer heutigen Zeit für die Frauen, sondern hier kann man auch Hydrolan-Füller und auch Botox bekommen. Also kommen sie hierher und verlassen das Schiff zwanzig Jahre jünger und sind von innen und außen frisch. Das Gym ist kostenfrei und alle anderen Behandlungen gehen nach Termin und sind dann extra berechnet."
    Passagiere, die auf diese Exklusivität besonderen Wert legen, haben auf der MS Preziosa einen eigenen Bereich. Dazu gehört auch das Restaurant auf einem der oberen Decks. Dort sitzt Michael Zengerle, der MSC-Geschäftsführer in Deutschland an einem der gediegenen Restaurant-Tische.
    "Konkret befinden wir uns im 'Yachtclub'-Restaurant. Der 'Yachtclub' ist ein 'Schiff-im-Schiff'-Konzept. Sehr luxuriös und elegant und ist ein privater Bereich auf dem Schiff, bestehend aus knapp 70 Kabinen, verteilt über zwei Decks. Die Decks sind ganz oben und ganz vorne am Schiff. Und einer sogenannten 'Top-Sea-Lounge', die ist auch auf einem Deck ganz weit oben. 180-Grad-Blick über das Meer oder über Stadt oder über den Hafen. Ein ganz besonderes Urlaubserlebnis!"
    Dieses Erlebnis kostet dann aber auch das Doppelte bis Dreifache einer einfachen Kreuzfahrt an Bord der MSC-Schiffe. Auch in Zukunft, so Michael Zengerle, werden die Angebote an die Passagiere noch weiter wachsen, exklusive Bereiche wie der "Yacht"-Club auch auf den Schiffen anderen Reedereien Einzug halten.
    Dass angesichts weltweiter Bedrohungen durch Terrorismus nun einzelne Häfen nicht mehr angelaufen werden können, sei bedauerlich, sagt Zengerle. Ein Problem für das Kreuzfahrtgeschäft würde daraus aber nicht erwachsen:
    "Das hat sich auch in den vergangenen Jahren gezeigt, als es die Krisen in Nordafrika gab beispielsweise, da haben alle Kreuzfahrtanbieter, auch MSC, relativ schnell reagiert. Und das hat sich in der Nachfrage bemerkbar gemacht. Während das ein oder andere Hotel in der einen oder anderen Destination ernsthafte Probleme hatte mit diesen geopolitischen Krisen, können Kreuzfahrer hier anders agieren. Also: Kreuzfahrten sind sicher!"
    Hansjörg Kunze von Aida-Cruises teilt diese Einschätzung. Er ist stellvertretender Pressechef des Kreuzfahrt-Anbieters Aida-Cruises. Die Aida Prima hat am Morgen in Hamburg-Steinwerder festgemacht, an einem von drei Hamburger Kreuzfahrt-Terminals. Im feinen Buffalo-Steakhouse erklärt Hansjörg Kunze, welche Bedeutung das Thema Sicherheit an Bord hat:
    "Das Wesentliche ist für alle Sachen – das betrifft die Evakuierung von Passgieren, Vermeiden von Bänden und auch das Absolvieren von sicherheitsrelevanten Prozeduren – dass man das trainiert. Und des findet an Bord dieses Schiffes praktisch jeden Tag irgendeine dieser wichtigen Übungen statt. Es wird ständig trainiert. Die Crew, das sind hier fast eintausend Mitarbeiter, ist ständig am Trainieren. Und die Kollegen, die für Sicherheit zuständig sind, ich glaube, das größte Pfund von denen ist Aufmerksamkeit und die Verbindung der entsprechenden Sicherheitseinrichtungen an Land."
    In die Sicherheitsanalyse fließen auch die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts ein. Und in allen Häfen habe man, so Hansjörg Kunze, Kontaktpersonen, die die Gefährdungslage stets im Blick haben. Auch auf hoher See seien die Schiffe schon allein durch ihre Bauart gegen Attacken von außen gut vorbereitet.
    "Es ist tatsächlich so: Die Schiffe sind teilweise sehr schnell und haben hohe Bordwände. Das sind sicherlich wichtige Dinge. Das Wichtigste ist aber Aufmerksamkeit, ständige Aufmerksamkeit und beste Verbindungen."
    Der Oberbau der "Harmony of the seas" ist vor blauem Himmel zu sehen
    Die "Harmony of the seas", das bisher größte Kreuzfahrtschiff, in Marseille (picture alliance / dpa / MAXPPP)
    Seit 1996 bietet Aida Seereisen an. Das Rostocker Unternehmen schaffte es, aus dem Nischenmarkt Kreuzfahrtreisen ein Massenprodukt zu machen. Zwar gibt es mittlerweile auch an Bord der Aida Prima Bereiche und Suiten, die sich an eine besonders zahlungskräftige Kundschaft richtet. Insgesamt wird aber Wert auf eine informelle, ungezwungene Atmosphäre gelegt. Mit der vornehmen Distinguiertheit, die deutsche Fernsehzuschauer seit der "Traumschiff"-Serie aus den Achtzigerjahren mit Kreuzfahrten verbinden, habe ein Urlaub auf den Aida-Schiffen nichts mehr zu tun.
    "Ich habe immer gesagt: 'Aida hat die Kreuzfahrt demokratisiert!' Und bin dann von ernsthaften Journalisten gerne dafür lächelnd zitiert worden. Aber das ist so."
    Die meisten an Bord sind Paare, junge wie alte. Aber in den Ferienzeiten buchen auch Familien mit Kindern Fahrten auf den schwimmenden Hotels. Dann sind, so Hansjörg Kunze, bis zu 1.200 Teenager auf dem Schiff unterwegs.
    "Wir haben nicht für jeden etwas, aber es wird immer mehr. Zum Beispiel haben wir Platz für acht Säuglinge ab sechs Monaten, die wirklich auch betreut werden. Das heißt, unsere Zielgruppe muss breiter werden. Ich weiß auch, dass sich sowohl die junge Familie als auch die Älteren an Bord sehr, sehr wohl fühlen, weil es diese Vielfalt gibt. Und das können eigentlich nur diese großen Schiffe bieten, die einfach diese Riesenfläche haben, die im Grunde genommen auch wirklich eine Stadt sind."
    Und diese Stadt braucht Strom. Hansjörg Kunze will zeigen, wie dieser Strom für immerhin 3.000 bis 5.000 Menschen an Bord erzeugt wird. Er geht vorweg, führt vorbei am Halbrund des Theaters mitten im Schiff. Auf den ausladenden Sofalandschaften haben es sich Jugendliche bequem gemacht, die auf ihre Smartphones starren. Ihre Eltern lehnen an der Brüstung, schauen nach unten auf die Bühne. Darüber ist eine riesige Weltkugel installiert.
    "Ungefähr 1.200 Personen können sich zeitgleich eine Show angucken. Jetzt sieht man da diesen LED-Ball, der spielt bei den Shows auch eine Rolle, die Erdkugel da. Das ist ein LED-Fernseher im Prinzip. Der spielt mit. Ansonsten: wunderschöne Möglichkeiten. Eine drehbare, fahrbare Bühne und sogar die Artisten kommen von oben herunter. Wirklich ein sehr beeindruckendes Entertainment."
    3.000 Passagiere verlassen an diesem Morgen die Aida Prima, 3.000 neue Gäste gehen an Bord. Auf der Gangway bleibt Hansjörg Kunze stehen. Durch die verglasten Wände ist ein Tanklaster zu sehen, der gleich neben dem Schiff an der Kaikante parkt. Dicke Schläuche verbinden den Tank mit den Anschlüssen an der Bordwand:
    "Man sieht, das ist gut abgesperrt, also gesichert, da darf auch keiner ran. Und dann gibt es eine flexible Verbindung zum Schiff. Und dieses Flüssiggas wird in das Schiff praktisch reingebracht, dort von flüssig in gasförmig umgewandelt und dann ist ein Motor von Caterpillar in der Lage, praktisch auf Gas zu laufen. Das heißt, mit deutlich geringeren Emissionen als bei einem Dieselmotor. Und das ist praktisch während der Liegezeit hier möglich."
    "Ein Kreuzfahrtschiff stößt auf der gleichen Strecke so viel Emission aus wie fünf Millionen Pkw"
    Vor allem sorgt diese Art der Stromerzeugung dafür, dass viel weniger Stickoxide und Feinstaub im Hafen verbreitet werden. Die meisten Schiffe, auch die festgemachten Containerfrachter, lassen während der Liegezeiten ihre Dieselgeneratoren laufen, um Strom zu erzeugen. Ein Schiff der Aida-Flotte, die Aida Sol, ist schon mit einem Stromanschluss ausgestattet, über den nicht LNG, also Flüssiggas, sondern so genannter Landstrom ins Innere geleitet wird. Bislang gibt es im Hamburger Hafen erst eine einzige stationäre Anlage, die diesen Landstrom liefern kann.
    "Ich kann auch sagen, dass der Anschluss an die Landstromanlage in Altona auch technisch eine große Herausforderung ist. Und auch der LNG-Betrieb in fünf europäischen Städten, das sind Hamburg, Southampton, Le Havre, Zeebrügge und Rotterdam – echt schwierige technische Operationen. Man muss das technisch Verfügbare irgendwann bestellen und durchziehen, auch wenn es ein Mehraufwand ist. Und unsere Muttergesellschaft hat sieben Schiffe bei der Meyer-Werft mit vollständigem LNG-Betrieb bestellt, wo also Flüssiggasbetrieb möglich ist."
    Venedig gilt als einer der schönsten Kreuzfahrthäfen der Welt. Einige der Ozeanriesen sind höher als die Häuser von Venedig. 
    Venedig gilt als einer der schönsten Kreuzfahrthäfen der Welt. Einige der Ozeanriesen sind höher als die Häuser von Venedig. (imago/Reinhard Balzerek)
    Hansjörg Kunze verabschiedet sich. Die Kritik am hohen Schadstoffausstoß der bislang auf den Weltmeeren fahrenden Aida-Schiffe kann er nicht verstehen. Die Umweltbeauftragte bei Aida, die einstige Greenpeace-Aktivistin und Umweltministerin Niedersachsens Monika Griefahn, leiste sehr gute Arbeit, erklärt Hansjörg Kunze.
    Diese Kritik äußert der Schifffahrtsexperte des Hamburger Naturschutzbundes Malte Siegert. Jedes Jahr gibt diese Organisation ihr Kreuzfahrtranking heraus, in dem die Bemühungen der Reedereien in Sachen Umwelt bewertet werden:
    "Aida sind die Einäugigen unter den Blinden. Sie machen ein bisschen was schon. Das muss man auch wirklich anerkennen. Und wir wünschten uns ja auch, dass alles auch technisch funktioniert und dass die noch mehr machen, damit man eben einen Vorreiter hat, eine sogenannte Benchmark, damit man die anderen daran messen kann. Aber trotzdem ist das Niveau immer noch so niedrig, dass wir nicht sagen können: Das ist jetzt wirklich der ganz große Coup."
    Ein Schritt in die richtige Richtung sei auch die Vorschrift der Internationalen Maritimen Organisation, IMO, dass auf den Kreuzfahrtschiffen sogenannte Scrubber eingebaut werden müssen. Diese Scrubber waschen Schwefelpartikel aus den Schiffsabgasen, um die SECA-Bestimmungen der IMO zu erfüllen. Die "Sulfur Emission Control Areas" vor den Küsten Europas sollen die Wohnbevölkerung vor den Schwefelwolken aus Schiffsschornsteinen schützen.
    Dass die Scrubber an Bord funktionieren, bestreitet auch Malte Siegert nicht. Allerdings müsste auf allen Schiffen das mit Schwefel versetzte Wasser in bordeigenen Tanks aufgefangen und nicht einfach ins Meer geleitet werden. Und auch außerhalb der SECA-Gebiete müssten die Kreuzfahrtschiffe sauberer werden. Mit dem derzeit noch genutzten Schweröl, einem Abfallprodukt aus Raffinerien, sei das nicht möglich:
    "Allgemein kann man sagen, so ganz grob, dass eben ein Kreuzfahrtschiff so viel Emissionen ausstößt auf der gleichen Strecke wie fünf Millionen PKW. Allgemein die Emissionen Stickoxid, Schwefeldioxid, Feinstaub und Ruß."
    Und diesen Giftstoffen seien auch die Passagiere an Bord ausgesetzt. Im Frühjahr hatte ein ARD-Team heimlich Messungen an Bord der Aida Prima gemacht und Feinstaubwerte gemessen, die, so die Autoren, mit einer Großstadtkreuzung vergleichbar seien.
    "Ich glaube, die Kreuzfahrtunternehmen sagen ihren Gästen natürlich nicht, was an Belastungen vor Ort auf sie zukommt. Das gilt natürlich vor allem für die Kabinen und die Beteiligten, die hinter dem Schornstein sitzen, da, wo der Rauch dann auch runterfällt und erhöhte Schwefelanteile, Rußpartikelanteile, Stickoxidanteile hat. Da gibt es natürlich auch eine erhebliche Gefährdung der Leute, die da sind, vor dem Schornstein ist das sicherlich nicht so ein Problem …"
    … und dieses Problem könnte durch den Einsatz von gasbetriebenen Motoren gelöst werden. Aida-Cruises und die Schweizer Reederei MSC zweifeln die Ergebnisse der Messungen an. Und sie verweisen darauf, dass die ersten mit Flüssiggas betriebenen Schiffe schon bei den Werften geordert wurden. Das Engagement auf diesem Gebiet geht bislang allerdings allein von europäischen Reedereien aus. Bis Kreuzfahrtreisen ein nicht nur lukratives, sondern auch ein sauberes Geschäft sind, werden noch, schätzt Malte Siegert, zehn oder zwanzig Jahre vergehen.

    [*] Der Name des Geschäftsführers und des Reiseanbieters wurden an dieser Stelle korrigiert.