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Spanien
Ohne Haushalt ins neue Jahr

Normalerweise wird der Haushaltsentwurf fürs kommende Jahr in Spanien im September vorgelegt - und im Dezember verabschiedet. Doch weil die neue Regierung erst seit November im Amt ist, verzögert sich das Ganze. In Brüssel wartet man schon auf den Haushalt. Schließlich läuft noch immer ein Defizitverfahren gegen Spanien.

Von Hans-Günter Kellner | 27.12.2016
    Spaniens Vize-Premierministerin Soraya Saez de Santamaria während der Fragestunde im spanischen Unterhaus in Madrid am 21.12.2016.
    Spaniens Vize-Premierministerin Soraya Saez de Santamaria während der Fragestunde im spanischen Unterhaus in Madrid am 21.12.2016. (imago / Agencia EFE)
    Im spanischen Parlament geht es zu wie im Taubenschlag, seit Spanien wieder eine gewählte Regierung hat. Abgeordnete kommen in den Sitzungssaal, verlassen ihn, eine Gesetzesdebatte folgt der nächsten. Die Parlamentarier machen regelrechte Nachtschichten bis nach 22 Uhr. In die Cafeteria schafft es Julián López, Abgeordneter der Sozialisten, nur noch selten.
    "Wir hatten fast ein Jahr lang eine Regierung, die nur geschäftsführend im Amt war. Jetzt wird einiges nachgeholt. So haben wir ständig irgendeine EU-Norm umzusetzen. Und wir haben ein Parlament mit wechselnden Mehrheiten. Wir suchen auf der einen Seite Kompromisse mit der Regierung, wollen uns auf der anderen Seite aber auch mit anderen Fraktionen der Opposition koordinieren."
    Selbst die Veteranen unter den Abgeordneten können sich nicht an eine so verhandlungsintensive Zeit erinnern. Besonders stolz ist López auf die von ihm koordinierten Gespräche mit den Konservativen über ein Maßnahmenpaket zum Haushaltsrahmen:
    "Wir haben zusammen mit der regierenden Volkspartei die größte Erhöhung beim Mindestlohn in den letzten 30 Jahren durchgesetzt, von 655 auf 707 Euro. Zusammen haben wir einen Ausschuss eingesetzt, der nach Wegen suchen soll, den Kommunen mehr Finanzspielraum einzuräumen. Und wir haben erreicht, dass wir statt Sozialausgaben zu kürzen die Einnahmen verbessern, insbesondere über eine Reform der Unternehmenssteuern."
    Zudem ist es nun verboten, unter besonderer Armut leidenden Menschen Strom oder Gas abzustellen. Gemeinsam haben sich Sozialisten und Regierung auch auf eine neue Steuer auf gezuckerte Getränke verständigt - Maßnahmen, die garantieren sollen, dass Spanien 2017 sein Haushaltsdefizit weiter reduzieren kann, hat Wirtschaftsminister Luis de Guindos kurz vor Weihnachten der internationalen Presse in Madrid versichert:
    "Wir werden das Haushaltsdefizit von 4,6 Prozent auf 3,1 Prozent senken. Zwei Drittel davon schaffen wir dank unseres Wirtschaftswachstums, ein weiteres Drittel dank der bereits jetzt vorgenommenen Maßnahmen. Aber damit haben wir immer noch keinen richtigen Haushalt für 2017. Unser erster Ansprechpartner sind Ciudadanos, wir haben ja ein Regierungsabkommen mit der Partei. Aber wir hoffen auf die Zustimmung von Sozialisten und Baskischen Nationalisten."
    Haushalt für 2017 wird frühestens Ende April verabschiedet
    Zumindest die Stimmen der baskischen Fraktion braucht die Volkspartei auch dringend, denn ohne sie wird es im Parlament keine Mehrheit für den Haushalt geben.
    Die europäischen Partner wundern sich indes. Schließlich hatte Brüssel im Oktober auf eine Strafe für Spanien verzichtet, obwohl das Land sein Defizit überschritten hatte. Die Regierung aber hatte im Gegenzug versichert, sich mit dem Haushalt zu beeilen, wenn sie erst einmal eine Mehrheit habe. Nun wird das Parlament den Haushalt für 2017 doch erst frühestens Ende April verabschieden. De Guindos zu den Gründen:
    "Normalerweise wird in Spanien im September der Haushaltsentwurf vorgelegt und Ende Dezember verabschiedet. Er wird in den Ausschüssen beraten, geht von dort ins Plenum, dann an den Senat, nach der Beratung dort wieder ins Parlament. Wir können nicht einfach das Verfahren beschleunigen. Das dauert in jedem Land bis zu vier Monate."
    Der Minister ist dennoch zuversichtlich. Die Basken wollten schließlich ein neues Steuerabkommen mit der spanischen Regierung und auch die Sozialisten wollten es nicht auf Neuwahlen ankommen lassen. Die sind allerdings in einer unbequemen Situation, denn sie wollen der linken Podemos auch nicht das Feld der Opposition überlassen. Der sozialistische Abgeordnete Julián López:
    "Wir haben keine Koalition mit der Volkspartei, wir sind nicht in derselben Situation wie die deutschen Sozialdemokraten. Wir verhandeln mit der Volkspartei nur über ganz konkrete Dinge. Einigungen bei Sachthemen heißen nicht, dass wir in anderen Fragen nicht ganz anderer Meinung wären. Wir werden weiterhin Initiativen mit den Stimmen der anderen Oppositionsparteien gegen die Volkspartei durchsetzen, wie jetzt eine Rücknahme der Arbeitsmarktreform oder des umstrittenen Sicherheitsgesetzes aus der letzten Legislaturperiode. Das wäre in einer Koalition nicht möglich."
    Es bleibt also weiter spannend mit wechselnden Mehrheiten und langen Verhandlungen unter den Fraktionen, bis Spanien endlich einen Haushalt hat.