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Spanien
Staatsverschuldung durch Bankenrettung

Spanien gehört zu den Ländern, die im Zuge der Eurokrise die finanzielle Unterstützung des europäischen Rettungsschirms ESM brauchten. Die Banken des Landes gelten inzwischen wieder als stabil, die Wirtschaft läuft. Den Preis bezahlten vor allem die Arbeitnehmer.

Von Hans-Günter Kellner | 15.08.2018
    Spanien: Bankia Geschäftssitz im 'Puerta de Europa I' Hochhaus, Madrid.
    Die staatlich gerettete spanische Bank Bankia scheint die Krise hinter sich zu lassen. (dpa/picture-alliance/Daniel Kalker)
    Zehn Jahre lang war David Muñoz Tankwart bei einem großen spanischen Mineralölkonzern. Bis ihm sein Chef ein Angebot machte: Er könne als Selbstständiger die Waschstraße für Lastwagen in Mercamadrid übernehmen, in einem der größten Umschlagsplätze für frische Lebensmittel Europas. Das war vor fünf Jahren.
    "Als ich anfing, gab es diese Waschstraße ja schon. Ständig ging etwas kaputt. Jetzt habe ich investiert. Die Bank hat einen Kredit für eine neue Waschanlage gegeben. Auch den Dispositionskredit wollten sie schon von sich aus erhöhen. Das funktioniert schon alles wieder viel besser."
    An neue Kredite war vor wenigen Jahren noch nicht zu denken. Zu sehr waren Spaniens Banken damit beschäftigt, faule Kredite aus ihren Bilanzen zu tilgen. So investierte kaum jemand, die Arbeitslosenzahlen stiegen auf über 25 Prozent. Die Regierung verstaatlichte die größte Pleitebank, Bankia, sanierte die Sparkassen mit knapp 40 Milliarden Euro, die das Land aus dem Euro-Rettungsschirm gewährt bekam. Heute seien Spaniens Banken wieder stabil, versichert Marcel Jansen vom unternehmensnahen Wirtschaftsinstitut Fedea in Madrid:
    "Die Säuberung der Banken hat Europa ja direkt überwacht. Die Bank, die am meisten Geld brauchte, Bankia, ist heute eine der am besten kapitalisierten in ganz Europa. Die Banken vergeben wieder Kredite. Sie gehören heute sicher zu den solidesten in ganz Europa."
    Neue Risiken durch Staatsverschuldung
    Allerdings mussten die europäischen Behörden im letzten Jahr erneut intervenieren. Die Banco Popular war so stark in Schieflage geraten, dass die Aktionäre enteignet wurden und die Banco Santander die Bank für einen Euro übernahm. "Die hatten zu viele Leichen im Keller", meint Jansen. Doch Spaniens großes Problem seien heute nicht die Banken, sondern die Staatsverschuldung, die mit der Krise von unter 40 auf heute 100 Prozent angewachsen ist, meint der Volkswirt:
    "Die neue Regierung, die seit dem 1. Juni im Amt ist, hat mit Brüssel ein großzügigeres Defizitziel ausgehandelt. Sie will fünf Milliarden Euro mehr ausgeben. Natürlich gibt es dringende soziale Maßnahmen. Aber diese fünf Milliarden Euro müssen ja irgendwann zurückgezahlt werden. Das heißt, die Zukunft wird wieder mit einer Hypothek belastet. Wie lange soll das noch weiter gehen? Spanien hat die Defizitziele jahrelang nicht eingehalten."
    Bei steigenden Zinsen werde die hohe Staatsverschuldung zu einem neuen schweren Ballast für das Land, befürchtet Jansen. Die Europäer seien schon mit der Regierung des Konservativen Mariano Rajoy zu großzügig umgegangen, findet er. Doch dafür wächst auch die Wirtschaft seit Jahren stark, werden Arbeitsplätze geschaffen. Die Erwerbslosenquote ist auf fünfzehneinhalb Prozent gefallen. Doch:
    "Wir haben heute weniger Beschäftigte als 2008. Dafür werden viel mehr neue Arbeitsverträge unterzeichnet, 20 Millionen Verträge im Jahr. Aber ein Viertel davon dauert weniger als eine Woche, oft nur einen Tag. Die Laufzeit wird immer kürzer. Durch die Digitalisierung sind die Unternehmen viel leichter als bislang in der Lage, dann zu produzieren, wenn die Verbraucher die Produkte auch haben wollen."
    Lohnniveau wurde gesenkt
    Dabei sollte eine Arbeitsmarktreform die Tendenz zu immer mehr befristeten Arbeitsverhältnissen doch stoppen. Durch die mit der Reform erfolgten Eingriffe ins Tarifrecht ist auch das Lohnniveau gesunken. Die Ökonomen sprechen von der internen Abwertung – der einzig möglichen, weil Spanien als Mitgliedsland der Eurozone ja keine eigene Währung mehr abwerten konnte. David Muñoz hatte anfangs alleine in seiner Waschstraße gearbeitet. Aber auch er hat inzwischen Leute eingestellt:
    "Wir sind jetzt zu viert. Am Anfang war ich alleine. Jetzt überlege ich mir gerade, noch einen einzustellen. Am Anfang liefen die Arbeitsverträge ein paar Monate. Aber inzwischen sind alle unbefristet. Weil die Leute gut arbeiten. Und außerdem sehe ich auch keinen großen Unterschied zwischen der befristeten oder unbefristeten Anstellung. Die Gesetze sind da sehr günstig geworden für uns Unternehmer."
    Er hofft, dass sich die Konjunktur weiter so positiv entwickelt. Doch die Ökonomen sind skeptisch. Erhöhen die Zentralbanken die Zinsen, bekommt auch Spanien wieder Probleme, befürchten sie. Miguel Navascues, einst Volkswirt bei der Bank von Spanien, wiegt zweifelnd den Kopf von einer Seite zur anderen, wenn man ihn fragt, ob Europa mit dem ESM denn nun besser auf einen Sturm auf den Finanzmärkten vorbereitet ist:
    "Man müsste die Haftungssumme erhöhen. Die 700 Milliarden Euro sind zu wenig. Wenn Spanien, Italien und Portugal wieder Probleme bekommen, dann reicht das nicht."