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Spanien
Streit um ETA-Häftlinge

2011 verkündete die baskische Terrorgruppe ETA die "definitive Beendigung ihrer bewaffneten Aktivitäten". Noch immer sitzen über 400 verurteilte Mitglieder der Gruppe in Gefängnissen über das ganze Land verteilt. Angehörige fordern eine Verlegung der Häftlinge ins Baskenland. Doch die spanische Regierung zeigt sich unnachgiebig.

Von Hans-Günter Kellner | 06.03.2015
    Demonstranten im Dunkeln auf einer Straße, die weiße Banner und Kerzen halten, auf den Bannern ist in baskisch zu lesen: "Mit allen Rechten. Baskische Häftlinge zurück ins Baskenland."
    Bereits 2011 demonstrierten Angehörige der ETA-Häftlinge für eine Verlegung der Insassen ins Baskenland. (RAFA RIVAS / AFP)
    An den Fenstern und Balkonen in Hernani - keine zehn Minuten von San Sebastian - hängen weiße Fahnen mit den Konturen des Baskenlandes. Die Bewohner fordern so die Verlegung der inhaftierten ETA-Mitglieder in baskische Gefängnisse. Hernani gilt als Hochburg des baskischen Separatismus. Gegenwärtig sind die Häftlinge auf Haftanstalten in ganz Spanien verteilt. Das sollte sich ändern, fordern die meisten Menschen hier:
    "Ja, sie sollten sie in die Nähe verlegen. Für die Angehörigen sind die Reisen zu den Besuchsterminen in den Haftanstalten einfach zu lang."
    "Es wäre doch normal, dass diese Leute nach Hause kommen. Diese Sache ist doch vorbei, da sollen sie kommen. Die sollen sich verständigen. Aber die Schuld liegt auf beiden Seiten. Die einen sagen nicht, was sie jetzt sagen sollten, die anderen machen nicht, was sie machen sollten. Die müssen sich einigen."
    Bereits 1989 hatte die spanische Regierung beschlossen, verurteilte Terroristen auf Haftanstalten im ganzen Land zu verteilen. Das sollte verhindern, dass die ETA in Gefängnissen mit hunderten einsitzenden Mitgliedern stabile Strukturen aufbaut. 470 ETA-Mitglieder sitzen heute noch für ihren gewaltsamen Kampf im Gefängnis. Vor fünf Jahren waren es noch 700.
    Elias Miner öffnet die Tür zum Versammlungsraum, den die Stadtverwaltung der Angehörigeninitiative Etxerat zur Verfügung stellt. Im Raum nebenan spielen Kinder Schach. Sowohl Miners Vater als auch Jahre später sein Bruder wurden als ETA-Mitglieder verurteilt, seine Mutter saß ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Über den Strafvollzug sagt er:
    "16 Angehörige, die Gefangene besuchen wollten, sind bei der Fahrt zu den Besuchsterminen schon umgekommen - durch Verkehrsunfälle. Auch Freunde, die meine Mutter in Almería besuchen wollten, sind bei der Fahrt gestorben. Wir haben keine Straftat begangen. Wir bezahlen auf harte und grausame Weise für diese Politik im Strafvollzug."
    Politischer Protest
    Elias Miner war erst 15 Jahre alt, als die Polizei die elterliche Wohnung stürmte, in der sich ETA-Mitglieder versteckt hatten. Die Mutter kam nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft frei, der Vater erst nach einer Haftstrafe von 15 Jahren. 2002 nahm die Polizei auch seinen jüngeren Bruder Imanol fest. Er hatte einen Polizeibeamten getötet und Bombenanschläge in Madrid vorbereitet. Derzeit sitzt er in einem Gefängnis in Granada ein. Zu den Besuchsterminen fahren Familie und Bekannte oft im Kleinbus:
    "Alle sechs Monate dürfen zehn Freunde meinen Bruder besuchen. Ich sehe ihn alle drei Monate. Wenn mir die Freunde Platz machen, gehe ich auch mal zu einem normalen Besuchstermin. Wir fahren dann mit Freiwilligen den weiten Weg in den Süden. Das sind Kleinbusse, die einmal pro Woche oder alle zwei Wochen zu den Gefängnissen fahren. In Granada betrifft das 17 Gefangene. Zwei Frauen und 15 Männer."
    Das Hilfskomitee Etxerat organisiert nicht nur Fahrten, sondern auch den politischen Protest gegen die "Dispersion", wie die Verteilung der Inhaftierten auf Haftanstalten im ganzen Land genannt wird. Auf der Suche nach politischer Unterstützung reisten Vertreter von Etxerat auch jüngst zum Europaparlament. Die Häftlinge - die Angehörigen sprechen von "politischen Gefangenen" - zählten zu den Gründen, weshalb die ETA sich nicht auflösen könne, behaupten sie. Die spanische Regierung zeigt sich hingegen unflexibel. Das macht die regierende Volkspartei im Baskenland unbeliebt. Trotzdem sind auch konservative Kommunalpolitiker wie José Manuel Herzog aus Rentería für Härte im Umgang mit den Gefangenen. Denn sie treffe nur jene Häftlinge, die sich weiterhin zur ETA bekennen:
    "Wenn sich jemand von der Doktrin der Sekte löst, gibt es keinen Grund dafür, ihn nicht ins Baskenland zu verlegen. Das wissen die ganz genau. Darum achtet die Führung ja auch darauf, dass es keine Dissidenten unter ihren Mitgliedern gibt. Eben wie eine Sekte. Die Häftlinge sind keine politischen Gefangenen, sie sind im Gefängnis, weil sie Straftäter sind. Und sie sind Opfer der ETA. Würde sich die ETA auflösen, wäre die ganze Geschichte zu Ende. Alles andere sind Lügengeschichten."