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Sportstätten in Deutschland
Umbauen für mehr Individualsport?

In Deutschland gibt es etwa 50 Millionen Sportaktive, ihnen stehen 230.000 Sportstätten zur Verfügung. Allerdings wächst das Bedürfnis nach Individualsport und offenen Bewegungsräumen. Können Sportstätten noch zeitgemäße Bewegungsangebote bieten?

Von Sabine Lerche |
Der Sportstätten der Zukunft waren das Thema auf dem 2. Deutschen Sportstättentag in Köln. Klassische Turnhallen könnten etwa durch offene Bewegungsstätten ersetzt werden.
Der Sportstätten der Zukunft waren das Thema auf dem 2. Deutschen Sportstättentag in Köln. Klassische Turnhallen könnten etwa durch offene Bewegungsstätten ersetzt werden. (IMAGO / YAY Images / IMAGO / SNAGr)
Ist die klassische Turnhalle out? Diese Frage wurde auf dem 2. Deutschen Sportstättentag in Köln diskutiert. Die Sportstätte der Zukunft könnte stattdessen ein Haus sein, das erkletterbar und mit dem Rad befahrbar ist. Oder eine Anlage wie der Sportpark Sparkx in Belgien. Dort können Besucher 50 Sportarten auf einmal ausprobieren, auch voraussetzungsreiche Disziplinen wie Biathlon oder Paragliding.

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Nur zwei Beispiele, die Anja Kirig in ihrem Impulsvortrag nennt. Aus ihrer Arbeit als Zukunfts- und Trendforscherin weiß Kirig, „dass Sportstätten möglichst natürlich, multifunktional und auch flexibel gestaltet werden können. Also ich denke auch, dass Sportstätten häufiger mal eher nur für einen kurzen Moment geplant werden können, wenn sie dann wieder woanders aufgestellt werden können. Ich glaube, es gibt unglaublich viele Lösungen oder Ideen auch, die Menschen haben, wie Sportstätten flexibel und modular sein können, eben sich auch verändern entsprechend der Bedürfnisse.“

Bedürfnis nach flexibleren Sportmöglichkeiten

Denn die Bedürfnisse der Menschen an Sport und Bewegung haben sich verändert: keine festen Trainingszeiten, weniger Leistung, dafür mehr Spaß und am besten direkt um die Ecke. Sport wird immer individueller und wer Sport machen möchte, braucht dafür nicht mehr unbedingt einen Verein.
Die veränderten Bedürfnisse haben auch Auswirkungen auf die klassischen Sportarten, sagt Anja Kirig: „Das sehen wir in ganz vielen Sportarten, in traditionellen Sportarten, wo Reglements von Menschen individuell einfach aufgebrochen werden und dadurch sie aber auch die Sportart neu verändern und auch wieder neu formen und damit natürlich die Sportstätte beeinflussen.“
Beispielsweise entwickelt sich Turnen weiter zu Parcours, Tennis wird zu Paddel. „Und entsprechend ist es natürlich auch wichtig, zu schauen, wie konzipiere ich eine Sportstätte der Zukunft, entsprechend eben auch der Veränderung, die die einzelnen Sporttreibenden eben auch mit der Sportart machen.“

Bewegungspark oder Sporthalle?

Das Plenum beim 2. Deutschen Sportstättentag fasst es so zusammen: Weg von der Dreifach-Halle hin zu öffentlich zugänglichen Bewegungsräumen, also Orte, die nicht auf spezielle Sportarten ausgerichtet sind, sondern generell zu Bewegung animieren sollen. Das können Sportboxen mit Verleihmaterialien sein, Fitnessgeräte im Park, öffentliche Spielfelder, ausgeschilderte Laufstrecken oder Bewegungsparks.
Michaela Röhrbein, Vorstand für Sportentwicklung beim DOSB, glaubt aber, man braucht beides: sportartspezifische Anlagen und offene Bewegungsräume. Denn auch klassische Sportarten werden weiterhin nachgefragt. Und häufig seien neue Sportarten nur Strömungen: „Die Bewegung mit dem Skateboard, das war wirklich eine richtige Jugendbewegung. Da haben wir auch alle gesagt: Oh Gott, wo führt das hin? Bewegen sich jetzt alle nur noch auf dem Skateboard draußen und keiner geht mehr in die Halle? Und wir haben gesehen, es sind wirklich immer wieder Wellenbewegungen. Und ich glaube, dass man halt wirklich beides braucht.“

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Sportanlagen brauchen aber auch Platz. Im Konflikt zwischen Wohnraum, Verkehr und Gewerbe – konkurrieren dort in Zukunft auch die bewegungsorientierte Sportanlage mit dem klassischen Sportplatz?
„Wir können doch nicht das eine gegen das andere ausspielen! Genauso wenig, wie wir organisierten und selbstorganisierten Sport gegeneinander ausspielen, sondern beides führt zusammen. Und beides braucht die entsprechenden Nutzungsmöglichkeiten", sagt dazu Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Sportanlagen müssen zu Wünschen der Bevölkerung passen

Für ihn ist klar: Dort, wo es Leistungssport gibt, braucht es auch entsprechende Anlagen. Ist das nicht der Fall, könnten Kommunen auch auf Multifunktionsanlagen umsteigen. „Und deshalb ist es wichtig, dass die Kommunen eben eine integrierte Sportentwicklungsplanung haben, wo die Nutzerinnen und Nutzer - das ist der organisierte Sport, das sind aber auch die Bürgerinnen und Bürger - sich artikulieren können, sich äußern können und sagen: Was brauchen wir eigentlich tatsächlich an Bewegungsangeboten vor Ort?!“
Eine Workshop-Gruppe beim 2. Deutschen Sportstättentag schlägt deshalb auch eine repräsentative Bevölkerungsbefragung vor: Welche Bewegungsangebote wünschen sich gerade die Menschen, die kein Interesse am Sportverein haben?

Potenzial von freien Flächen besser nutzen

Für Michaela Röhrbein vom DOSB wäre ein Miteinander der beste Weg. Denn offene Sportangebote könnten dann wiederum auch Werbung für den Vereinssport sein. Mit überdachten Freiflächen und Multifunktionshallen ließe sich der Vereinssport und der informelle Sport verbinden.
Zukunftsforscherin Anja Kirig plädiert dafür, auch freie Flächen oder leere Anlagen mehr für öffentliche Angebote zu öffnen: „Fakt ist: Wir haben sicherlich einen großen Bedarf an Sportstätten, die auch einfach genutzt werden wollen, auch gerade von einer jüngeren Generation oder von den Menschen, die einfach zwischendurch mal ihren Sport in ihren Alltag einbauen wollen. Also viel Potenzial da von ungenutzter Fläche.“
„Jede Fehlplanung ist eine teure Planung“, ergänzt Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebau: „Und die beste Planung ist die, wo wir hinterher Sportstätten haben, Bewegungsräume haben in den Quartieren, die auch tatsächlich genutzt werden.“