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Stegner: Koalitionsbruch ist Ablenkungsmanöver

Der Landes- und Fraktionschef der SPD im Kieler Landtag, Ralf Stegner, hält den Koalitionsbruch für ein Ablenkungsmanöver. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen habe den Koalitionsbruch seit einem halben Jahr vorbereitet, um von den umstrittenen Bonuszahlungen in Höhe von 2,9 Millionen Euro an den Vorstand der HSH-Nordbank abzulenken. Carstensen habe den Landtag belogen und sei als Ministerpräsident gescheitert.

Ralf Stegner im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Auf der SPD-Fraktion im Kieler Landtag lastet an diesem Wochenende eine Menge Druck. Die CDU hat die Große Koalition in Schleswig-Holstein in dieser Woche für beendet erklärt, am Montag soll der Landtag über seine Auflösung abstimmen. Alle Fraktionen haben sich dafür ausgesprochen, nur die SPD ist bislang dagegen. Eine der Schlüsselfiguren in dieser Regierungskrise ist der Fraktionschef der SPD Ralf Stegner. Guten Morgen, Herr Stegner!

    Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Armbrüster!

    Armbrüster: Ist es eine Schande, Herr Stegner, das Parlament aufzulösen?

    Stegner: Nein, eine Schande ist es nicht, aber das ist ja in gar keiner Weise angebracht, denn dieses Parlament hat sehr gute Arbeit geleistet. Es hat ein vorbildliches Kinderschutzgesetz beschlossen, es hat ein prima Pflegegesetz beschlossen, es hat ein wichtiges Schulgesetz beschlossen und warum soll sich eigentlich ein Parlament selbst auflösen, nur weil der amtierende Ministerpräsident Carstensen gescheitert ist und Herr Carstensen gemeinsam mit seiner CDU-Fraktion jetzt den Koalitionsbruch betrieben hat, den er seit Monaten und gemeinsam mit der FDP vorbereitet hat? Also, das ist kein Grund, das Parlament aufzulösen.

    Ich sage gleich: Auch die SPD ist dafür - die Koalition ist ja kaputt -, dass es bald zu Neuwahlen kommt, die wird es ja auch geben, aber dafür muss ein anständiger Weg gesucht werden und keiner, wo dem Parlament zugemutet wird, sich selbst aufzulösen und dann auch noch mit der Begründung, die ja Herr Carstensen vorgebracht hat, die SPD sei nicht zuverlässig in der Regierung. Bei aller Liebe, aber den Sozialdemokraten hier im Landtag zuzumuten, dass sie einer solchen Begründung zustimmen, das ist, glaube ich, dann doch ein bisschen viel verlangt.

    Armbrüster: Aber mit dieser Auflösung am Montag könnte man die Sache so schnell wie möglich über die Bühne bringen. Warum sträubt sich Ihre Partei dagegen?

    Stegner: Die anderen Wege, die Herr Carstensen gehen kann, die gefallen ihm nur nicht so sehr, weil sie ein paar Kratzer an dem Image des treusorgenden Landesvaters, dem es immer nur ums Land geht, machen wird. Diese anderen Wege, die dauern auch nur ein paar Tage länger und führen ja zu dem Ergebnis, das man sich dort wünscht und das man seit einem halben Jahr ja vorbereitet hat, nämlich vermutlich, mit der Bundestagswahl zu wählen und damit zu hoffen, dass man nach Ferien, die ja bei uns erst am 30. August enden, einen möglichst kurzen Wahlkampf hat im Schatten von Frau Merkel und wo man eben nicht über die Probleme reden muss, die ja hier massiv da sind wie zum Beispiel das Atomkraftwerk Krümmel oder ...

    Armbrüster: Das heißt, Herr Stegner, ...

    Stegner: ... den Skandal um den HSH-Nordbankchef.

    Armbrüster: Das heißt, Herr Stegner, Sie wollen eine Zusammenlegung mit der Bundestagswahl vermeiden?

    Stegner: Nein, das heißt es nicht, sondern ich stelle fest, dass Herr Carstensen und Herr Kubicki seit Monaten versucht haben, dieses zustande zu bringen, der eine aus der Regierung und der andere aus der Opposition. Herr Carstensen hat diesen Koalitionsbruch betrieben und dann muss er ein Verfahren wählen, das zu dem Zweck auch hinführt, und der einfachste Weg, wenn man nicht mehr kann oder nicht mehr will, ist, von seinem Amt zurückzutreten. Wenn er das nicht will, dann muss er sich andere Wege suchen, aber der SPD jedenfalls vorzuwerfen, sie löse den Landtag nicht auf, mit einem solchen Antrag, das finde ich ein bisschen komisch.

    Es kommt ja noch was Zweites hinzu, wenn Sie sagen, es verzögert die Sache: Die Sache wurde schon dadurch verzögert, dass der Antrag zur Landtagsauflösung, der am Freitag gestellt worden ist von der CDU und den anderen zusammen, so schlampig formuliert war - obwohl da die großen Juristen Kubicki und Wadephul dabei waren -, so schlampig formuliert war, dass er der Verfassung nicht entsprach und deswegen am Freitag noch nicht abgestimmt werden konnte und erst am Montag abgestimmt werden kann. Daran sehen Sie schon, dass das ein Verfahren ist ohne Respekt gegenüber dem Parlament.

    Und es wird jetzt bald Klarheit herrschen noch innerhalb der nächsten Woche, da habe ich gar keinen Zweifel, und dann wird es bald Neuwahlen geben und dann wird man darüber reden müssen: Warum ist das so gekommen? Und wie gesagt, den Koalitionsbruch, der ist eiskalt vorbereitet worden von Herrn Carstensen und seiner CDU und dann muss man damit umgehen und vor die Wähler treten.

    Armbrüster: Aber, Herr Stegner, dass der Landtag in den nächsten Tagen aufgelöst wird, ist allen Beteiligten klar, Sie haben es gerade auch gesagt. Es geht eigentlich nur noch um die Methode. Ist dieses Taktieren jetzt nicht genau das, was viele Bürger in Schleswig-Holstein so satt haben?

    Stegner: Ich glaube, das wäre so, wenn man das jetzt wochenlang täte, aber in einer Demokratie sind Verfahren wichtig. Und wenn die Union hier ganz eindeutig den Koalitionsbruch herbeigeführt hat, dann, finde ich, muss sie auch ein Verfahren wählen, was die SPD nicht dazu zwingt, einer Sache zuzustimmen, die nicht zustimmungsfähig ist. Denn man hat behauptet, wir seien nicht bereit zur Haushaltskonsolidierung, wir seien unzuverlässig in der Regierung und das genau zwei Tage, nachdem wir alles, was wir miteinander im Koalitionsausschuss da beschlossen hatten - das waren schwierige Sparmaßnahmen -, eins zu eins am gleichen Tag im Landtag nicht nur beredet, sondern beschlossen haben.

    Nein, ich glaube, hier soll von was anderem abgelenkt werden durch diese Debatte, und das ist viel gravierender, nämlich hier soll davon abgelenkt werden, dass dieser Ministerpräsident vollständig gescheitert ist und dass er sogar nach Zeugnis seines eigenen Fraktionschefs vor kurzem, noch vor knapp 14 Tagen, das Parlament den Landtag belogen hat, indem er nämlich gesagt hat: Diese Zahlung für den HSH-Nordbankchef Nonnenmacher, 2,9 Millionen Euro, einer Bank, die wir mit Milliarden gestützt haben, dass diese Zahlungen im Einvernehmen getroffen worden seien vorher mit den Fraktionsführungen im Landtag und das ist nachweislich falsch. Und von diesen Sachen abzulenken, das ist das Ziel dieser Überlegung, und noch mal: Wir haben jetzt Ferien seit heute in Schleswig-Holstein, das wird keine wochenlange Geschichte werden, innerhalb dieser nächsten Woche wird sich klären, wann die Neuwahlen sind und dann wird es sie geben, und die SPD fürchtet Neuwahlen auch nicht.

    Armbrüster: Herr Stegner, hat Ihr Zögern möglicherweise auch etwas damit zu tun, dass sich die SPD zurzeit in einem Umfragetief befindet und am 27. September wahrscheinlich mit einer schweren Niederlage rechnen müsste?

    Stegner: Was die Wahrscheinlichkeitsrechnung angeht, das schauen wir uns dann mal an, wir kennen das mit den schlechten Umfragen, bei der letzten Bundestagswahl war noch am Sonntag der Wahl in allen Zeitungen von 40 Prozent für die CDU zu lesen, am Wahlabend waren es dann 33. Also, das schauen wir uns mal an, aber das kann ja schon deswegen nicht stimmen, was Sie mich fragen, weil ich ja sage: Es wird Neuwahlen geben und die SPD wird dem nicht im Wege stehen.

    Aber es muss trotzdem ein sauberes und auch ein ehrenhaftes Verfahren sein und nicht dieser schäbige Versuch, die SPD hier in die Ecke zu drängen, man habe nicht ordentlich regiert. Er muss sich einen Weg suchen, den er vor Wochen noch abgelehnt hat, als er gesagt hat, na ja, so unechte Vertrauensfragen - das ist ja ein Weg, das Parlament aufzulösen, indem man eine Vertrauensfrage stellt, die dann keine Mehrheit findet -, ein solches Verfahren sei Trickserei, hat Herr Carstensen vor Wochen noch gesagt.

    Aber mir geht es schon auch darum, dass die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein sehen: Hier ist nicht der Mann, der immer sagt, erst kommt das Land und dann kommt die Koalition, sondern hier ist ein Mann, der handelt nach dem Motto, erst kommt die Partei und die parteitaktischen Überlegungen, was den Wahltag angeht, und dann kommt das Land. Und das hat man seit Monaten hier vorbereitet und jetzt will man es zum Erfolg bringen. Über diese Stöckchen, finde ich, muss die SPD nicht springen, aber noch mal: Wir verweigern uns schnellen Neuwahlen nicht, die wird es geben.