Warum ausgerechnet Kolumbien? Er war doch schon hier, im Dezember 2015. Warum ganz am Ende der Amtszeit, die aller Voraussicht nach letzte weite Auslandsreise noch einmal nach Südamerika, noch dazu für nur einen Tag? Mehrfach wurde Frank Walter Steinmeier diese Frage gestellt. Es gibt mehrere Antworten. Eine ganz banale: Das Land ist ihm ans Herz gewachsen. Steinmeier hatte mit diesem über Jahrzehnte währenden blutigen Bürgerkrieg seit Langem zu tun. Schon als er Kanzleramtsminister war unter Gerhard Schröder, hatte man sich um den Konflikt zu kümmern. Verhandlungen, Abkommen, Friedensnobelpreis, all das war noch weit weg. Entführungen von Touristen durch Rebellen der FARC machen Schlagzeilen. Damals war Kolumbien alles andere als ein Kandidat für erfolgreiche Friedensverhandlungen.
Doch Deutschland hat den Friedensprozess in den letzten zehn Jahren intensiv begleitet und finanziell durch Treuhandfonds der UN und der EU unterstützt. Und wenn es jetzt um Versöhnung geht, dann kann Deutschland etwas beisteuern, da ist er sicher und erinnert an die eigenen historischen Brüche, 1945, 1990. Deshalb auch die Initiative für ein deutsch-kolumbianisches Friedensinstitut in Bogota. Steinmeier sagte am Vormittag:
"Wir wissen, wie schwierig es ist, eine Balance zu finden, bei der die juristische Aufarbeitung den politischen Friedensschluss noch möglich machen muss."
Planungen verzögert
Diese Balance ist in Kolumbien gelungen, so glaubt Steinmeier, hier bei der Pressekonferenz mit seiner Amtskollegin Holguin. Nicht nur in der Hauptstadt macht er sich in Gesprächen ein Bild. Eine Flugstunde von Bogota entfernt, besucht er eine der etwa zwei Dutzend Entwaffnungszonen, die das Abkommen vorsieht.
"Hinter mir sehen sie sanfte Hügel, eine grüne Landschaft, aber das wir hier sein können, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Wer die Geschichte Kolumbiens aus den letzten 50 Jahren kennt, der weiß, dass wir hier in einer Region sind, einer von vielen, in denen gekämpft wurde…"
Hier sollen die Kämpfer ihre Waffen abgeben. Diese Camps sind noch im Entstehen. Der Vertrag sieht eine sechsmonatige Frist für die Demobilisierung vor. Das zunächst abgelehnte Referendum hat die Planungen ein wenig verzögert, meint Kunta Kinte, der Vertreter der FARC im Camp, er sei aber guten Mutes, dass die Entwaffnung gelingt. In Kooperation mit den Vereinten Nationen soll dieses Verfahren landesweit umgesetzt werden. Ist das nun das Ende des Kriegs, fragt Steinmeier den FARC Vertreter?
"Ich bin absolut überzeugt, so wie es alle in der FARC sind, so wie es die Regierung ist, dass wir mit diesem Schritt die 52 Jahre des Bürgerkriegs definitiv beenden können."
Noch viele Herausforderungen
Kolumbien schreibt Geschichte, sagte Steinmeier in Bogota. Er hat als Außenminister vor allem in dieser zweiten Amtszeit viel Frust erfahren müssen, Nahost, Syrien, Ukraine – Nichts hat sich bewegt. Hier in Kolumbien findet Steinmeier Bestätigung. Es ist ein weiterer Grund für diese Reise:
"Die Erfahrung ist eben, dass immer nur dann, wenn es mutige Menschen gibt, die entschlossen sind, einen solchen Prozess über Schwierigkeiten hinweg zu führen, und wenn das Fenster der Geschichte sich öffnet, zu diesem Zeitpunkt dann auch ein Friedensschluss gemacht wird. Das ist so beispielhaft hier in Kolumbien und deshalb ist das wirklich ein Signal der Hoffnung für die Welt und um das zu sagen und der Welt zu zeigen, bin ich nochmal hier."
Ist es Einbildung oder klingt er da schon wie ein Bundespräsident? Seine kolumbianische Amtskollegin jedenfalls sprach den bevorstehenden Amtswechsel an. Steinmeier sei jederzeit willkommen, er verkörpere die Versöhnung, die Kolumbien will, Deutschland stehe für die Versöhnungsbotschaft wie kein anderes Land auf der Welt. Angesichts dieser so hoffnungsvollen Sätze, sollte doch erwähnt werden, dass Kolumbien auch nach dem Abkommen mit der FARC vor enormen Herausforderungen steht. Noch kämpfen die Rebellen der ELN, die Umsetzung des Abkommens wird das Land über Jahrzehnte beschäftigen, Entminungsprojekte, Drogenanbau und die damit verbundene organisierte Kriminalität sind weitere Probleme, die zeigen: Kolumbien wird die internationale Unterstützung, die es derzeit erfährt, dringend benötigen.