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Sterbehilfe
Ein Geschäft mit dem Tod?

Wie selbstbestimmt darf man sterben? Im Bundestag wollen sich die Abgeordneten heute über ihre Meinungen austauschen. Fünf Gruppen aus Parlamentariern über Fraktionsgrenzen hinweg haben Ideen erarbeitet. Sie sprechen sich mit Ausnahme einer Gruppe von Linken- und Grünen-Abgeordneten gegen Sterbehilfevereine aus. 2015 will der Bundestag ein Gesetz verabschieden.

Von Gudula Geuther | 13.11.2014
    Im Vordergrund eine Rose, im Hintergrund ein Krankenbett mit einer alten Frau und einer jüngeren am Bett.
    Im Bundestag soll völlig frei über den Wunsch vieler Todkranker nach Sterbehilfe diskutiert werden. (Picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Fast viereinhalb Stunden, fast fünfzig Redner. Die Bundestagsdebatte zur Sterbehilfe wird in vielfacher Hinsicht ungewöhnlich werden. Auch weil keine konkreten Anträge diskutiert werden. Die so genannte Orientierungsdebatte soll – höchst ungewöhnlich – wirklich genau das leisten: eine Plattform für die Meinungsbildung der Abgeordneten schaffen. Quer über Parteigrenzen hinweg. Wenn auch den Anstoß vor allem Unionspolitiker gegeben haben. Wie Michael Brand:
    "Es haben sich in den letzten Jahren mehrere Vereine gegründet, auch Einzelpersonen, die glauben, sie würden was Gutes tun, die zum einen ein Geschäft mit dem Tod machen wollen oder vielleicht auch gar nicht die Kompetenz haben, sondern glauben, sie würden was Gutes tun. Sie tun es organisiert, geschäftsmäßig. Und ich bin mir sehr sicher, dass auch bei der Sterbehilfe Angebot Nachfrage schafft."
    Nur ein Entwurf gegen Verschärfungen
    In der vergangenen Legislaturperiode war der Versuch gescheitert, Sterbehilfevereine wie den des früheren Hamburger Senators Roger Kusch zu verbieten. Jetzt soll aus der Mitte des Bundestages ein Gesetzentwurf entstehen. Mehrere erste Denkanstöße, so genannte Positionspapiere, liegen auf dem Tisch. Nur einer davon lehnt Verschärfungen und Verbote ab. Denn, so die Grüne Renate Künast:
    "Ein Mensch hat das Recht, sein eigenes Leben zu beenden. Das ist straffrei, also ist die Beihilfe dazu auch straffrei. Die letzte Handlung muss natürlich der Betroffene selber machen. Plädoyer: Belassen wir es jetzt bei der Rechtslage, und kümmern wir uns vielmehr statt ums Strafrecht um mehr Fürsorge."
    Michael Brand und seine Unterstützer aus der Union sehen das anders:
    "Wir wollen lediglich die organisierte Suizidbeihilfe verbieten. Wir wollen nicht die nahen Angehörigen und auch nicht den Arzt im Einzelfalle bestrafen, denn es muss auch einen Freiraum geben, wo das Recht schweigt."
    Was können Ärzte heute schon?
    Die CSU erwägt sogar, einen ähnlichen Antrag auf dem Parteitag zum Beschluss vorzulegen. Und betont gleichwohl, der einzelne Abgeordnete sei völlig frei in seiner Entscheidung. Zwei ähnliche Vorschläge wie den Brands gibt es, einen der Grünen-Politiker Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe. Und auch eine Gruppe um Eva Högl will solche Vereine verboten wissen. Sie betont aber – und das gilt für alle Vorschläge, die heute diskutiert werden:
    "Vor allen Dingen ist es wichtig zu wissen, was Ärztinnen und Ärzte schon jetzt alles dürfen und können: eine Behandlung gar nicht erst aufnehmen, eine Behandlung abbrechen, auch eine Behandlung machen, die zu einer Verkürzung des Lebens führt, also zu einem schnelleren Tod, auch das ist bisher möglich."
    Trotzdem: Die Rolle der Ärzte wird heute besonders diskutiert werden. Das liegt an dem Vorschlag, den unter anderem Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) vorgelegt haben. Sie wollen gewerbliche Vereine verbieten. Ärzte sollen aber wie bisher bei Beihilfe zum Suizid nicht bestraft werden. Das soll auch so festgeschrieben werden, dass ärztliches Standesrecht nicht entgegensteht.
    Palliativmedizin soll ausgebaut werden
    Einig sind sich alle Gruppen: Es soll nicht zum Tod aus Angst vor Schmerzen kommen. Statt Hilfe zum Sterben muss die Hilfe beim Sterben in Deutschland verbessert werden. Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) hat mit anderen Abgeordneten Vorstellungen zum Ausbau der Palliativmedizin vorgestellt. Renate Künast ist eine von vielen, die konkrete Ergebnisse fordern:
    "Ich will ein richtiges Konzept im Bundestag, das auch Geld ausgibt. 800.000 Menschen in Deutschland brauchen Palliativmedizin oder einen Hospizplatz, nur 35.000 bekommen ihn."