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Steuerparadies Slowakei ade

Die Slowakei hat 2004 die Einheitssteuer eingeführt, die so genannte Flat Tax. Weil die Wirtschaft daraufhin gewaltige Wachstumsraten verzeichnete, kopierten viele andere Länder in Osteuropa das Modell. Jetzt hat das Pionier-Land Slowakei das Ende der Steuer verkündet.

Von Kilian Kirchgessner |
    Die slowakische Hauptstadt hat es gut: Es herrscht quasi Vollbeschäftigung, und auch auf dem Land hat sich die Wirtschaft in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt. Die Slowakei war über Jahre hinweg ein Wirtschaftswunderland, sagt Richard Sulik, Chef der neoliberalen Partei SaS:

    "Die Wirtschaft fing an zu wachsen, nachdem die Flat Tax eingeführt wurde. Derzeit wächst sie wegen der Krise nicht, aber das heißt ja nicht, dass das Konzept falsch ist."

    Richard Sulik gilt als einer der Väter der slowakischen Einheitssteuer, der sogenannten Flat Tax. Er war Berater des Finanzministers, als die Slowakei im Jahr 2004 ihr Steuersystem radikal reformierte: Im ganzen Land sollte nur noch ein einziger Steuersatz gelten – 19 Prozent auf Einkommen, auf Unternehmensgewinne und als Mehrwertsteuer. Die Slowaken waren die ersten, die ihr System so stark vereinfachten, und machten damit weltweit Schlagzeilen. In der Folge investierten zahlreiche ausländische Unternehmen im Land, die Wirtschaft wuchs teilweise um mehr als zehn Prozent pro Jahr. Jetzt, acht Jahre später, will die Slowakei ihr Experiment beenden. Der sozialdemokratische Premierminister Robert Fico hat eine Rückkehr zum alten Steuersystem verkündet.

    "Diese Entscheidung ist definitiv das Ende der Einheitssteuer in der Slowakei. Sie ist aus sozialer Sicht schädlich; ob sie jemals etwas gebracht hat, mögen Historiker beurteilen. Wir sagen: Sie hat derzeit keinen Platz auf dieser Welt."

    Robert Fico will große Einkommen künftig mit 25 statt den bisherigen 19 Prozent besteuern; Unternehmen sollen 23 Prozent abführen. Unter Fachleuten in der Slowakei hat das eine Debatte hervorgerufen, ob die Einheitssteuer damit gescheitert sei. Sie funktioniere in Zeiten des Wachstums, in der Krise aber gerate sie an ihre Grenzen, sagen manche Volkswirtschaftler in Bratislava. Premierminister Robert Fico teilt diese Auffassung. Seine Steuererhöhung begründet er damit, dass der Staat in der jetzigen Situation höhere Einnahmen benötige.

    "Die Gesundung unserer Finanzen muss auf Solidarität gebaut sein, und das ist natürlich vor allem die Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren. Wir erhöhen die Steuer für Bürger mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen – das betrifft nur ein Prozent der Bewohner, die diese Steuer bezahlen müssen."

    Damit spricht der slowakische Regierungschef einen der Hauptkritikpunkte an der Einheitssteuer an: Solange es nur einen Steuersatz gibt, stehen der Haushaltspolitik viele ihrer klassischen Instrumente nicht mehr zur Verfügung. Steuerarten selektiv zu erhöhen oder zu senken – alles das geht auf einmal nicht mehr. Richard Sulik, der Miterfinder der Einheitssteuer, hält das allerdings für einen Vorteil.

    "Das ist ja das Gute daran: Dass Politiker nicht eingreifen können. Die haben meistens keine Ahnung von der Wirtschaft, möchten aber den lieben Gott spielen und an den Schrauben drehen. Dabei denken sie dann, dass sie groß etwas ändern."

    Wenn es tatsächlich nötig werde einzugreifen, bleibe immer noch die Möglichkeit, beispielsweise den Steuerfreibetrag zu senken, sagt Richard Sulik – dadurch müsse man nichts am System ändern. Er äußert aber ohnehin seine Zweifel daran, dass die Steuererhöhung der aktuellen slowakischen Regierung auch tatsächlich Mehreinnahmen bringe. Es gebe eine Kennzahl, die besonders aussagekräftig sei:

    "Wenn Sie das Jahr nach der Einführung der Flat Tax, 2005, und das Jahr davor vergleichen – da hat sich die Steuergrundlage fast verdoppelt. Die Leute haben akzeptiert, dass sie die Steuer bezahlen müssen, weil sie es als gerechter empfunden haben – vor allem die Reichen."