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Stimmungsbild
Washington D.C. vor dem Machtwechsel

Die Welt blickt heute auf Washington D.C.: Donald Trump zieht als neuer US-Präsident ins Weiße Haus ein. Abseits der Machtzentrale wohnt Familie Obama fortan in einem Nobelviertel der Stadt - die neuen Nachbarn freuen sich schon. Gedämpftere Stimmung kommt angesichts des Machtwechsels am Rande des Stadtteils Adams Morgan auf.

Von Thilo Kößler | 20.01.2017
    Eine nächtliche Aufnahme des Weißen Hauses.
    Familie Obama zieht aus, Donald Trump ein. (picture alliance / dpa / Lehtikuva / Antti Aimo-Koivisto)
    Die Belmont Road NW in Kalorama – ein Nobelviertel, einen Steinwurf vom Weißen Haus entfernt und in direkter Nachbarschaft zum quirligen Dupont Circle. Vor einer herrschaftlichen zweistöckigen Villa im dunklen Backsteinrot stehen Möbelwagen Schlange.
    Maurer arbeiten an der Verankerung eines schweren gusseisernen Gatters an der Auffahrt zum Eingangsportal. Möbelpacker fahren Stühle auf einer Palette an. Für den Geheimdienst, sagt einer von ihnen.
    Die Plastikstühle haben einen grünbraunen Sitzbezug. Sie sehen jetzt schon ein bisschen schäbig aus. Es regnet. Schwarz und dunkelblau sind der Anorak und die Gummistiefel einer Dame, die an der Einfahrt vorbeiläuft und zwei Hunde ausführt. Cremefarbene, hochgewachsene Königspudel. Frisch frisiert. Sie trägt teures Parfum.
    Wir freuen uns darauf, dass wir sie in der Nachbarschaft haben werden, sagt die Dame, die zum teuren Parfum graues Haar trägt.
    "Ich finde es nur so schade, dass die Obamas hier in Washington bleiben müssen, wo sie doch viel lieber woanders hingegangen wären."
    Die Obamas bleiben wegen ihrer Tochter in Washington - wegen Sasha. Die gleich um die Ecke in die Schule geht und erst in zwei Jahren ihren Abschluss macht. Der Präsident sei so ein guter Vater. Die Pudel schnüffeln aufgeregt an den fremden Hosenbeinen.
    "Sie haben Hunde wie wir. Bo und Sunny. Meine Pudel werden sich mit ihnen anfreunden. Sie wohnen ja gleich um die Ecke. Ich heiße Debbie Tolou," sagt die Dame, "und wohne in 2122 California Street."
    Die Obamas wohnen ab heute Nachmittag in der Belmont Road. Ganz in der Nähe von Ivanka Trump und den Clintons. Die Haus-Nummer will der Herr auf der anderen Straßenseite nicht nennen. Aus Sicherheitsgründen.
    Im neuen Viertel der Obamas gewährleistet der Geheimdienst die Sicherheit
    Der Schlips von Jim Bell hat schräge blau-rote Streifen. Die Regentropfen auf den Schuhen mit den zwei Schnallen hinterlassen hässliche Flecken. Dunkle, braune Flecken auf hellbraunem Handschuhleder. Jim Bell ist Makler und wird der König von Kalorama genannt.
    Das sei eine sehr private Umgebung hier, sagt Jim Bell. Die Häuser stammen aus den 1920er-Jahren. Große Häuser. Prächtige Häuser. Die Sicherheit wird vom Geheimdienst gewährleistet. Nicht von der normalen Polizei. Sie sind alle sehr reich hier. Und von Sicherheit ist nichts zu sehen. Aber sie ist da. Überall. Da kannst Du ganz sicher sein.
    Leos Barbershop in der M-Street in Washington. Mitten in Georgetown, im Herzen des historischen Washington. Die Friseurstühle sind aus weißem Leder.
    Eine Kundin hat ein Magazin in der Hand. Auf dem Titelblatt Donald Trump im Scherenschnitt-Profil. Die Tolle im Schattenriss. Ein Comb-Over sei eine Frisur, die das Stirnhaar aus den Tiefen des Nackens nach vorne kämmt, sagt sie. Leo widerspricht.
    Diese Tolle heißt Quiff, sagt Leo. Donald Trump trägt Quiff. Wie man das schreibt? Keine Ahnung. Ist schon genug, das auszusprechen.
    Leo ist Franzose. Er kommt aus Versailles. Aus Liebe hat es ihn vor vielen Jahren nach Washington verschlagen. Bisher sei aber noch niemand gekommen, um sich von ihm so eine Tolle schneiden zu lassen. Da wird auch keiner kommen, da ist sich Leo sicher. Er ist im Übrigen überzeugt davon: Das ist ein Toupet.
    Aber Donald Trump hat sich doch unlängst in einer Fernsehshow die Haare durchwuscheln lassen - das sah ziemlich echt aus. Aber Leo bleibt dabei: Es ist ein Toupet. Leo weiß nur: Man braucht verdammt viel Haarspray, um so eine Tolle stabil zu halten – ob Toupet oder nicht.
    Am Rande des Stadtteils Adams Morgan
    Das Lokal Busboys and Poets liegt am Rand des Szene-Stadtteils Adams Morgan und ist eine Mischung aus Buchhandlung, Restaurant und WG-Gemeinschaftsraum. Vere Plummer ist 67 Jahre alt, sitzt am Tresen der Bar und hat gerade fertig gegessen: Salat mit Aubergine, Tomaten und Lachsstreifen.
    Das sei ein ziemlich drastischer Machtwechsel heute im Weißen Haus, sagt Vere. Er ist Afroamerikaner, trägt das Tweet-Cappie mit dem Schirm im Nacken und war Anwalt für die armen Teufel in der Stadt.
    Donald Trump wolle den Sumpf von Washington austrocknen, sagt Vere. Dabei ist er gerade dabei, einen neuen Sumpf zu wässern. Mit sehr viel Geld. Trump mache ihm Angst, sagt Vere. Er sei ein – nein, das übersetzen wir nicht. Ein Lügner. Einer, der niemals die Wahrheit sagt. Es sei so ungeheuerlich, was Trump von sich gebe. Aber das sei genau der Grund, weshalb er gewählt wurde: Die Leute hätten begierig aufgesogen, was er ausgespuckt hat.
    Trump sei nur an Geschäften interessiert, an "Deals”, wie er immer sagt, am Geld. Nicht an den Menschen. Washington sei eine politische Stadt - kein Wunder, dass sie ihn hier nicht gewählt hätten. In Washington hat Trump gerade mal 12.000 Stimmen bekommen. Vere kennt niemanden, der hier Donald Trump gewählt hat.
    Jetzt müsse er sich kurz mal einmischen, sagt ein Mann neben Vere: Michael Platt heiße er, sei hier aufgewachsen und stolz, ein Farbiger zu sein. Sein Vater habe sich am Vorabend der Wahl als Trump-Wähler geoutet.
    Sein eigener Vater habe Trump gewählt. Völlig durchgeknallt, findet Michael. Wer weiß, was wir noch alles anstellen, wenn wir alt sind, sagt Vere, der ehemalige Anwalt. Er will heute nicht eine einzige Veranstaltung zur Amtseinführung von Donald Trump besuchen. Er werde beten, sagt er. Und in tiefe Meditation verfallen.