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Streaming, YouTube, Apps
Wie die Digitalisierung dem Klima schadet

Filme streamen, YouTube gucken: das braucht im Hintergrund eine enorme Infrastruktur - und sehr viel Energie. Etwa zehn Prozent des weltweit produzierten Stroms werden alleine für den Betrieb des Internets gebraucht. Für Deutschland sind das 33 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Tendenz steigend.

Von Manuel Waltz |
Eine Frau sitzt im Dunkeln in ihrem Bett und schaut auf ihren Laptop. (Mit Denkfabrik-Stempel)
Ständig online, Apps checken, streamen, YouTube gucken: Das braucht immer höhere Rechenleistungen und damit mehr Strom - eine enorme Belastung für das Klima. (Unsplash / Victoria Heath)
Eigentlich, das war die Hoffnung, sollte die Digitalisierung den Ressourcenverbrauch senken: Papier würde überflüssig, Geschäftsreisen durch Videokonferenzen ersetzt, so die Beispiele. Bisher aber ist das Gegenteil eingetreten. Im Internet lässt sich schnell und günstig ein Flug buchen, entsprechend stark steigt die Zahl der Geschäftsreisen.
Hinzu kommt ein enormer Energieverbrauch der Digitalisierung selbst: Knapp vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen heute auf digitale Geräte zurück, 2025 könnten es acht Prozent sein, so lauten Schätzungen.
Professor Rudolf Lohner würde das gerne verhindern. Er befasst sich mit der Effizienz von Rechenzentren und ist überzeugt: Wenn die Digitalisierung klug angegangen wird, kann das Versprechen der Nachhaltigkeit doch noch eingelöst werden.
"Was wir gemacht haben, jetzt vor drei, vier Jahren, wir haben da einen Anbau drangeflanscht und dann mit so einem Treppenaufgang dann verbunden ein neues Rechenzentrum. Und in diesem neuen Rechenzentrum steht nur eine High Performance Computing Maschine drin."
Das Herz der Digitalisierung im KIT
Ein computergeneriertes Bild des SuperMUC Mit heißem Wasser gekühlt: Die Supercomputer-Anlage "SuperMUC" des Leibniz-Rechenzentrums in München
Supercomputer-Anlagen in Rechenzentren werden mit Wasser gekühlt (Leibniz-Rechenzentrum / Handout / dpa / au)
Rechenzentren sind das Herz der Digitalisierung. Die gesamten Informationen des Internets sind hier gespeichert – hier werden gewaltige Datenmengen verwaltet und neu berechnet. Rudolf Lohner hat diese ganze Anlage konzipiert und aufgebaut. Sie befindet sich im Campus Nord des KIT, des Karlsruher Instituts für Technologie, der größten Forschungseinrichtung Deutschlands. Entsprechend hoch ist dort der Bedarf an Rechenleistung.
"Das ist also eine dicke große Maschine mit einem extrem schnellen Netzwerk, wo parallele Programme gerechnet werden und Simulationen in allen Bereichen der Wissenschaften. Das geht über Chemie, Physik und Ingenieurwissenschaften bis hin zu Klima und Wetter. Da wird also alles Mögliche gerechnet. Alles, wo viel Rechenleistung benötigt wird."
Dafür braucht es sehr viel Strom, der komplett in Wärme umgewandelt wird. Jedes Watt Strom, das hinein geht, kommt als ein Watt Wärme wieder heraus. Und die Computerchips produzieren mehr Wärme als der Elektroherd zu Hause auf höchster Stufe. In einem solchen Rechenzentrum liegen dann hunderte oder tausende Platten direkt nebeneinander. Entsprechend hoch ist der Energiebedarf.
10 Prozent des Stroms weltweit alleine fürs Internet
Schätzungen gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent des weltweit produzierten Stroms alleine für das Internet gebraucht werden. Für Deutschland bedeutet das 33 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Tendenz steigend.
"Das Problem ist: Die Abwärme wird einfach nur in die Luft geblasen. Sinnvoller wäre es, wenn man mit dieser Abwärme irgendwas machen könnte, zum Beispiel ein Schwimmbad heizen, irgendwelche Gewächshäuser damit betreiben, im Winter zumindest mal irgendwelche Gebäude heizen und, und, und. Das wird leider viel zu wenig gemacht noch heutzutage."
Hier in Karlsruhe kühlt man deshalb statt mit Luft mit Wasser. Es umfließt die Chips und wird dort auf etwa 45 bis 48 Grad erwärmt. Mit dem so erhitzten Wasser kann man dann im Winter heizen. Allerdings muss die gesamte Infrastruktur des Hauses darauf ausgelegt sein, das Rechenzentrum und sein Bau müssen zusammen geplant werden.
Ein Rechenzentrum, in dem Server aufeinandergestapelt sind
Sie verbrauchen viel Strom und werden immer mehr: Rechenzentren (Photothek/Imago)
Hohe Nachfrage nach "grünen" IT-Dienstleistungen
Insgesamt spielt der Klimaschutz auch in der Digitalindustrie eine immer größere Rolle, beobachtet Roman Bansen, Experte für IT-Infrastruktur beim Branchenverband Bitkom.
"Gerade in der Rechenzentrumsbranche ist es eindeutig angekommen. Einfach auch, weil es zunehmend Kunden gibt, also jetzt nicht einzelne Kunden zu Hause, sondern eben große Kunden, Firmen, die bewusst grüne IT-Dienstleistungen, grüne Rechenzentrumsleistungen nachfragen."
Und auch im Bundesumweltministerium in Berlin will man sich stärker mit der Digitalisierung befassen. SPD-Ministerin Svenja Schulze will das Thema gar zu einem Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr machen.
"Die Digitalisierung ist ganz, ganz wichtig, dass das umweltpolitisch auch wirklich gestaltet wird, weil Digitalisierung bietet enorme Chancen für unsere Gesellschaft – also Wohlstand, Gerechtigkeit, Umweltschutz besser zu machen. Aber wenn sie nicht richtig gesteuert wird, dann kann sie auch ein enormer Brandbeschleuniger sein, weil sie eben sehr viel Energie verbraucht. Und deswegen ist das auch ein Thema für eine Umweltministerin."
Wirtschaftlichkeit und sauberes Image
Grüner, regenerativer Strom ist in der Branche beliebt, er gibt ein sauberes Image. Den großen Unternehmen ist es relativ egal, wo auf der Welt ihre Rechenzentren stehen – und so platzieren sie die Zentren dort, wo es sich wirtschaftlich lohnt. In Skandinavien zum Beispiel sind die Strompreise sehr niedrig und gleichzeitig gibt es viel Strom aus Wasserkraft. Die niedrigen Temperaturen sind zudem ideal zum Kühlen der Server. Ähnlich sieht es im Norden der USA aus.
Zurück nach Karlsruhe. Auch Peter Sanders arbeitet am Karlsruher Institut für Technologie KIT, er ist Professor für Theoretische Informatik. Er ist von dieser Strategie der Konzerne nicht in Gänze überzeugt.
"Gerade die großen Internetfirmen behaupten mehr oder weniger überzeugend, dass sie eben genug Grünstrom produzieren, einkaufen et cetera, damit alles, was sie machen grün ist. Aber bis zu einem gewissen Grad ist das natürlich immer Ablasshandel, weil, wenn die jetzt diese Investitionen machen würden in grüne Energie und den Strom nicht verbrauchen, dann könnte man halt ein paar Kohlekraftwerke abschalten."
Großteil des Energieverbrauchs durch Streaming
Hamburg, 17. November 2016 - Netflix-Icon auf einem auf einem iPhone PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY

Hamburg 17 November 2016 NETFLIX Icon on a on a iPhone PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY
Milliarden Menschen greifen täglich auf YouTube oder andere Dienste zu - ein enormer Energieverbrauch (imago stock&people)
Ein Großteil des Internetverkehrs und damit auch der Energie geht auf das Streaming zurück. Es wird geschätzt, dass Videos etwa 80 Prozent des weltweiten Internetverkehrs ausmachen. Auf Smartphones sind sie jederzeit und sehr einfach verfügbar. Dass man sich aber in der U-Bahn – zwischendurch also – ein kleines Internet-Filmchen anschauen kann, dazu braucht es im Hintergrund eine enorme Infrastruktur.
Rudolf Lohner ist im KIT mittlerweile im Rechenzentrum angekommen. Er steht an der Türe und blickt auf die großen Serverschränke. Die Gebläse blasen warme Luft aus dem großen Raum. Vor sich auf einem Tisch liegt ein ausgebautes Bauteil mit der Festplatte, dem eigentlichen Rechner, dem Netzteil und dem Netzwerkadapter. Wenn man am Handy einen Film anklickt, dann löst das, irgendwo auf der Welt, in einem solchen Bauteil, auf dem der Film gespeichert ist, eine Reaktion aus. Als Erstes ist entscheidend, in welcher Qualität der Film heruntergeladen werden soll: Ein Handy braucht eine andere Auflösung als ein Computer, es gibt HD oder Ultra HD.
"Entweder hat man die Auflösung, die verlangt wird, bereits irgendwo vorliegen, dann muss man nur die Daten verschieben. Meistens ist es aber so, dass man die Auflösung noch einmal ändern muss."
Milliarden Menschen greifen täglich auf YouTube zu
Diese Änderung der Auflösung berechnen speziell entwickelte Chips, die enorm leistungsfähig sind, sogenannte GPUs – Graphic Processing Units.
Die Rechenleistung wird auf einen Server irgendwo auf der Welt ausgelagert, der Nutzer merkt gar nicht mehr, welche Leistung dahinter steckt.
"Es ist ein Gesichtspunkt, dass man ja nicht nur einzelne Filme streamt, sondern es sind Millionen von Leuten, Milliarden kann man ja fast schon sagen, die also täglich auf Youtube und alles mögliche zugreifen. Und das ist natürlich ein enormer Faktor, was den Energieverbrauch angeht. Ein anderer Faktor ist: Die Technologie schreitet immer weiter vor und man wird immer anspruchsvoller. Man möchte ja eine immer höhere Auflösung haben. Und da ist es schon so, dass die Datenmengen schon so groß sind, dass man, um einen Film zu streamen, schon eine enorme Energie benötigt."
Ob eine solch hohe Auflösung wirklich nötig ist, um einen Film zufriedenstellend anschauen zu können, die Frage will Rudolf Lohner nicht beantworten.
Reboundeffekte machen Klimaschutz-Effekte wieder zunichte
Ein SPD-Wahlplakat zur Europawahl 2019.
Wahlkampfthema Klimaschutz (picture alliance/dpa - Revierfoto)
Anja Höfner dagegen hat eine klare Antwort. Sie arbeitet am Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin im Bereich Digitalisierung. Dass immer alles auch gemacht wird, was technisch möglich ist, das hält sie für einen Irrweg.
"Man könnte ja sagen: Ok, wenn ich immer effizientere Rechner habe, dann brauche ich auch nicht mehr so viel Energie, um genau das auszurechnen, was ich ausrechnen will, es wird sozusagen immer mehr gerechnet. Und das ist auch ein gutes Beispiel für einen Reboundeffekt im Bereich Digitalisierung. Obwohl wir immer effizientere Geräte haben, wir rechnen immer mehr damit."
Solche Reboundeffekte machen in vielen Bereichen Fortschritte beim Klimaschutz wieder zunichte. Im Fall von Streaming-Diensten wird das sehr deutlich: Die Rechner werden immer effizienter, verbrauchen also weniger Strom. Dieses Argument nutzt die Technologiebranche, um zu sagen: Schaut her, wir werden immer ökologischer! Doch das stimmt häufig nicht. Denn gleichzeitig erhöht sich stetig die Auflösung, in der Videos gestreamt werden, daher braucht man wieder deutlich mehr Rechenleistung. Am Ende ist der Stromverbrauch oft höher als vorher.
Elektroschrott landet im armen Süden
Hinzu kommt, dass die Geräte laufend erneuert werden müssen, weil sie beispielsweise die hohe Auflösung nicht mehr schaffen. Und in jedem neuen Rechner stecken viele endliche und seltene Rohstoffe wie Kupfer, Gold und viele andere Metalle, sagt Anja Höfner.
"Das geht mit Menschrechtsverletzungen einher, mit starken Umweltbelastungen vor allem in den Ländern des globalen Südens. Hier im globalen Norden produzieren wir Elektroschrott, der dann meistens wieder in den globalen Süden verschifft wird."
Der Schlüssel liegt oftmals in der Software. Sie sorgt dafür, wie viel ein Computer rechnen muss, sie hat spezielle Anforderungen an die Hardware. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, dann ist das Gerät nicht zu gebrauchen. Die Software hat also eine Verantwortung für den Verbrauch – an Geräten genauso wie an Energie.
Männer arbeiten am Stadtrand von Accra auf einer Müllhalde aus Elektroschrott. 
Elektroschrott aus Industrieländern landet auf Müllhalden in Entwicklungsländern - wie hier in Accra. Die Arbeit ist extrem gesundheitsschädlich, die Menschen sterben früh. (picture alliance / dpa)
Blauer Engel für Software geplant
Diese Denkweise ist relativ neu in der Branche. Sicherlich war es schon immer so, dass Programme möglichst schnell sein und damit möglichst wenig rechnen sollten, auf den Energieverbrauch aber achten die wenigsten Programmierer. Das will Bundesumweltministerin Schulze ändern.
"Ich muss mich mit darum kümmern, dass die Algorithmen am Ende des Tages auch wirklich grün sind, dass sie nachhaltig sind. Dass bei dem Design von Software schon direkt am Anfang mitgedacht wird, dass man auf den Energieverbrauch achtet."
Für die Nutzer ist aber kaum zu erkennen, wie ressourcenschonend eine App wirklich ist. Deshalb arbeitet das Svenja Schulze unterstellte Umweltbundesamt an einem Blauen Engel für Software. Was heute beispielsweise auf Recyclingpapier hinweist, soll künftig auch grüne, nachhaltige Software auszeichnen. Der Informatik-Professor Peter Sanders vom Karlsruher Institut für Technologie ist überzeugt davon, dass in der Software enorme Potenziale liegen. Er hat sich an seinen Computer gesetzt und öffnet eine Grafik.
"Sehr berühmt ist das Mooresche Gesetz, das sagt, dass sich etwa alle zwei Jahre die Anzahl der Transistoren in einem Schaltkreis verdoppeln. Das ist diese schöne Kurve, die immer noch anhält aber auch langsam stagniert."
Die Kurve auf seinem Bildschirm zeigt, wie rasant die Rechenleistung der Computerchips über die Jahre angestiegen ist. Sie zeigt heute aber nicht mehr so stark nach oben, wie noch vor einigen Jahren. Denkt man sich die Kurve in die Zukunft weiter, dann werden Computerchips bald so effizient sein, wie es physikalisch überhaupt möglich ist, dann ist keine Steigerung mehr möglich, erklärt Peter Sanders.
"Was man deshalb tut, ist, dass man immer mehr von diesen Prozessoren auf immer größere Chips packt. Aber die Leistung eines Einzelprozessors stagniert dann auch. Wir sind also gegen eine Wand gelaufen, die heißt auch so schön Power Wall."
Hinzu kommt, dass es immer mehr Daten im Netz gibt. Wie groß das Internet ist, das kann man nicht genau bestimmen. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass es sich ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt und damit exponentiell wächst.
Bessere Programmierung spart Energie
Ein Ausschnitt aus einem Computerbildschirm in der Nahaufnahme, darauf sind einzelne Befehle der Programmiersprache HTML zu sehen.
Bessere Programmierung kann beim Energieverbrauch helfen, in dem man beispielsweise Algorithmen effizienter macht (dpa picture alliance / MAXPPP/ Alexis Christiaen)
Wolle man aber verhindern, dass der Energieverbrauch irgendwann ebenfalls exponentiell ansteige, dann blieben als Hebel nur das Nutzerverhalten und die Software, sagt Peter Sanders.
Er beschäftigt sich deshalb damit, Algorithmen effizienter zu machen. Er schätzt beispielsweise, dass die Berechnungen in Rechenzentren um ein bis zwei Größenordnungen schneller ablaufen könnten. Das bedeutet, wenn sie besser programmiert wären, würden sie nur ein Zehntel bis ein Hundertstel der Zeit benötigen. Und entsprechend wäre auch nur ein Zehntel bis ein Hundertstel der Energie nötig.
Bei Programmen sieht er ein noch größeres Potenzial für Energieeinsparungen, von bis zu sieben Größenordnungen. Dies umzusetzen, dafür benötige es aber ein Umdenken in der Branche.
"Ich nenne das mal diese Start-up-Kultur, ja? Sie bauen eine Demoanwendung, um Geld einzusammeln. Dann setzen Sie die aus, ich sage mal, Spielzeugkomponenten zusammen und das funktioniert dann auch für tausend Benutzer. Für 100.000 Benutzer kaufen Sie den ersten größeren Rechner. Und wenn Sie jetzt eine Milliarde Benutzer haben, haben Sie plötzlich gewaltige Rechenzentren in der Landschaft stehen, die extrem viel Energie verbrauchen."
Arbeit an einer sozial-ökologischen Transformation
Der wirtschaftliche Anreiz aber weniger Energie zu verbrauchen, sei häufig nicht groß genug:
"Wenn Sie genug umsetzen mit ihren Benutzern, können Sie vielleicht weiter mit diesen Spielzeugkomponenten arbeiten. Auch wenn eine Reimplementierung mit besseren Algorithmen, mit fortgeschritteneren Komponenten vielleicht Größenordnungen an Energie sparen könnte."
Das aber ist oft teurer, aufwendiger und auch riskanter als ein neues Rechenzentrum.
Nicolas Guenot arbeitet beim Konzeptwerk Neue Ökonomie in Leipzig daran, die Digitalisierung für eine sozial ökologische Transformation zu nutzen. Er meint, die rein wirtschaftliche Denkweise des Internets, wie sie heute dominiert, verursache große ökologische und soziale Schäden.
Daten-Absaugen auch "ökologisch nicht wünschenswert"
Amazon Echo Spot Gerät auf einem Wohnzimmertisch
Smarte Geräte machen unser Leben bequemer, bieten aber auch ein Einfallstor in unser Privatleben (imago / Chromorange)
Er sieht das Problem darin, dass Unternehmen vor allem an die Daten der Nutzer wollen, sie sind die Währung des Internets. Das sind oft simple Informationen wie der Standort. Zunehmend saugen die Konzerne aber auch große Datenmengen ab, wie durch die Smartspeaker Alexa oder das Pendant Google Home. Diese seien nur Mittel zum Zweck.
"Es geht weniger um Software, um die Funktion, die sie erfüllt, sondern um Daten. Und dann wird Software so erstellt, um mehr Datenmengen zu produzieren, und das ist nicht etwas, das ökologisch wünschenswert ist. Und das ist auch sozial nicht wünschenswert im Sinne von Datenschutz."
Linux als Mittel für nachhaltige Digitalisierung
Anders sei das, so Guenot, bei freier Software, Open-Source-Anwendungen wie Linux beispielsweise. Hier sieht er das Mittel für eine nachhaltige Digitalisierung.
"Und daneben kann man an existierenden Projekten sehen, dass es mehr und mehr Software gibt, die datensparsam ist und die nicht die ganzen privaten Daten von Menschen saugt und nicht so viele Daten produziert, die auf ökologische Kosten überall hin transportiert werden. Und dieser Zweck alleine macht einen riesigen Unterschied."
Um den Energieverbrauch des Internets entscheidend zu drosseln, können Open-Source-Anwendungen aber nur ein Anfang sein. Genauso wie der geplante Blaue Engel aus dem Umweltbundesamt, der Verbraucher auf energiesparende Apps hinweisen soll. So sieht es auch die Bundesumweltministerin.
"Wir werden alle ran müssen und deswegen ist das ein Thema, wo Verbraucherinnen und Verbraucher etwas tun können, also stärker darauf achten, welche Produkte sie kaufen, ihr eigenes Verhalten auch hinterfragen. Es muss die Industrie ansetzen, also Verantwortung für ein Produkt übernehmen, nicht nur auf den Markt bringen, sondern auch den gesamten Kreislauf betrachten, der öffentliche Bereich, indem er Vorbild ist und den notwendigen Rahmen schaffen muss."
Bitcoin verbraucht so viel Energie wie ganze Länder
Eine Frau geht an einem Wechselshop für Bitcoins vorbei.
Eine Frau geht an einem Wechselshop für Bitcoins vorbei. (imago / Artur Widak)
Bei einem wirkungsvollen gesetzlichen Rahmen für das Internet hinkt die Bundesregierung aber noch weit hinterher. Beim Thema Energieverbrauch durch Digitalisierung steht man ganz am Anfang.
Beispiel Bitcoin. Die Kryptowährung verbraucht so viel Energie wie ganze Länder, ein gesellschaftlicher Nutzen allerdings ist bisher praktisch noch nicht eingetreten. Wie darauf politisch Einfluss genommen werden kann, ist auch in Berlin noch völlig unklar.
"Wir müssen ja überhaupt erst einmal die Chance haben, da ranzukommen. Wir können da ja nur über den Stromverbrauch ran und das ist unglaublich schwierig. Wie will man sagen, wer für was Strom verbrauchen darf, da müssen wir internationale Rahmen haben, um so was überhaupt in den Griff kriegen zu können."
"Muss das alles im Internet der Dinge auch sein?"
Eine Frau passiert einen Counter mit Amazon Logo in Toronto
Müssen wir den interaktiven Kühlschrank oder den vernetzten Mülleimer auch noch kaufen? (www.imago-images.de / Dinendra Haria)
Sicherlich ist eine internationale Vorgehensweise sinnvoll, schließlich wird der meiste Strom für Bitcoins in Skandinavien verbraucht. Allerdings bedeutet das auch, dass es extrem lange dauern wird. Svenja Schulze plädiert deshalb dafür, den Sinn von Innovationen künftig insgesamt mehr zu hinterfragen.
"Ich sehe noch nicht so richtig ein, warum die Bluetooth-Haarbürste oder der Bluetooth-Toaster unbedingt sein müssen. Oder warum smarte Wasserflaschen uns per Handy ans Trinken erinnern. Also ich glaube bei aller Begeisterung für Innovation, die ich sicherlich teile, muss man auch noch mal hingucken, was braucht es da wirklich und muss das alles im Internet der Dinge auch sein?"
Welche Rolle die Bundesregierung hier spielen kann, muss sich noch zeigen. Den interaktiven Kühlschrank zulassen, den vernetzten Mülleimer verbieten, das ist kaum durchzusetzen. Ob die Digitalisierung aber ohne einen strikten gesetzlichen Rahmen ökologisch und nachhaltig wird, das ist fraglich.