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Streit über Internationalen Strafgerichtshof
Die anderen Gründe für Gambias Kritik am ICC

Mehrere afrikanische Staaten kritisieren den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag. Sie werfen ihm vor, nur Straftäter aus Afrika anzuklagen und daher diskriminierend zu sein. Zuletzt kündigte Gambia an, die Kooperation zu beenden. Die eigentlichen Gründe in diesem Fall dürften aber woanders liegen - bei Gambias Herrscher Yahya Jammeh.

Von Alexander Göbel |
    Eingang zum Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag mit Schild davor.
    Gambias Präsident Yahya Jammeh würde nach eigenen Aussagen noch eine Milliarde Jahre lang regieren. (dpa / Juan Vrijdag)
    Steve Cockburn von Amnesty International Westafrika legt den Finger in die Wunde: Seit Jahren trete das Regime in Gambia Menschenrechte mit Füßen. Jetzt, da Präsident Yahya Jammeh, sich warmläuft für seine Wiederwahl im Dezember, befürchtet Steve Cockburn, dass alles einfach so weitergeht – mit Justizwillkür, Folter und dem ganzen Katalog dokumentierter Menschenrechtsverletzungen in Afrikas kleinstem Staat.
    Gambias Präsident Yahya Jammeh bei einem Besuch im Senegal
    Gambias Präsident Yahya Jammeh (dpa/picture-alliance/Pierre Holtz)
    "Es sieht so aus, als hätte sich die Situation seit der letzten Wahl noch weiter verschlechtert. Wir müssen jetzt handeln. Wir haben die Behörden von Gambia gebeten, endlich politische Gefangene freizulassen, die unterdrückerischen Gesetze zu verändern und den Gerichtshof der ECOWAS zu respektieren, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft."
    "Nur Allah gibt mir Befehle"
    Doch Gambias Staatschef schert sich nicht um die Justiz der Ecowas, und auch sonst um keinen Rechtsrahmen außer seinem eigenen. Bemerkenswert ist der Ausstieg aus dem Internationalen Strafgerichtshof ICC nur, weil auch Fatou Bensouda aus Gambia stammt – immerhin die Chefanklägerin des ICC. Verwunderlich ist Gambias Nein zum ICC allerdings nicht. Präsident Jammeh hält den Strafgerichtshof offiziell für eine Demütigung aller Afrikaner – aber im Grunde stört ihn diese Instanz aus anderen Gründen:
    "Meine Haltung ist klar", sagt Jammeh der britischen BBC. "Ich würde meinen Machtanspruch in Afrika sogar auf dem Mars verteidigen. Ich werde mich keinen menschlichen Wesen beugen – nur Allah gibt mir Befehle. Und diejenigen, die mir vorwerfen, ich würde Menschenrechte verletzen – die sollen doch zur Hölle fahren."
    Kritische Journalisten lässt Jammeh verfolgen, öffentlich ruft er zum Mord an Homosexuellen auf. Seit Jammeh die Todesstrafe wieder eingeführt hat, wurde gleich ein Dutzend Gefangener auf einmal hingerichtet. Wichtige Oppositionsführer sitzen ohne Anklage im Gefängnis; Amnesty International fürchtet, dass es ihnen dort ähnlich ergehen könnte wie anderen Kritikern des Präsidenten: Im April waren mindestens drei politische Gegner in der Haft zu Tode gefoltert worden. In einem Interview mit dem Magazin "Jeune Afrique" sagte Jammeh, so etwas sei "völlig normal".
    "Niemand ist hier exekutiert worden, der es nicht verdient hätte. Wenn ich Menschen nicht hinrichten lasse, die nach dem Gesetz klar verurteilt sind – was soll denn dann die Bevölkerung in Gambia sagen?"
    Die brutale Dikatur des Yahya Jammeh
    Aber das Gesetz, das ist er. Und nur er. Der 51-jährige Yahya Jammeh regiert Gambia als brutaler Diktator, immer mehr Menschen fliehen ins Ausland. Die 100.000 Europäer, die jedes Jahr an Gambias weißen Stränden Urlaub machen, sollen davon möglichst wenig mitbekommen: Gambia braucht ihre Devisen ebenso wie die der Flüchtlinge, die Geld nach Hause schicken. Ende 2015 hat Jammeh sein Land zu einer islamischen Republik gemacht – wohl auch, um neue Geldgeber aus dem arabischen Raum zu umwerben.
    Die EU jedenfalls hat nach jahrelangen Zahlungen von insgesamt mehr als 74 Millionen Euro Entwicklungshilfe den Geldhahn zugedreht: Jammeh hatte die EU-Vertreterin des Landes verwiesen, sie hatte Gambias staatliche Homophobie kritisiert. Der gambische Aktivist Amadou Janneh hofft inständig, dass die Welt Jammeh nicht einfach weiter wüten lässt.
    "Wir glauben, dass mehr Druck von internationalen Organisationen und Entwicklungspartnern ebenso helfen würde wie mehr Mut, gegen das Regime zu protestieren. So könnten wir irgendwann einen Wandel in diesem Land herbeiführen."
    Das mit dem Wandel könnte noch eine Weile dauern. Denn Präsident Yahya Jammeh, seit seinem Putsch vor 22 Jahren an der Macht, denkt nicht daran, abzutreten – im Gegenteil. Der Mann, der von sich behauptet, Asthma, AIDS und Ebola heilen zu können, will er sich im Dezember zu seiner fünften Amtszeit wiederwählen lassen. Aber eigentlich denkt er in viel größeren Zeiträumen.
    "Wenn es sein soll, werde ich dieses Land noch eine Milliarde Jahre lang regieren – wenn Allah es mir befiehlt."