
"Man hört das gerade im Hintergrund, das ist basierend auf der Schichtleistung eine statistische Menge, die gezogen und auf Funktion getestet wird, also angezündet und man guckt, ob alles so abläuft, dass die Qualität gewährleistet ist", sagt Lutz Hinsch. Er ist Betriebsleiter bei Weco in Eitorf, er überwacht die Produktion von Feuerwerksraketen.
"Das hier ist eine vollautomatische Maschine, die eine Feuerwerksrakete, eine Batterie herstellt, drinnen ist es jetzt ein wenig lauter." Drinnen zischt es und pfeift und dröhnt. Die Frauen am Fließband tragen Gehörschutz. Eine Maschine presst Schwarzpulver in Bombetten.

"Die Effektladung basiert auf Schwarzpulver und allem, was der chemische Baukasten bezüglich Farben halt hergibt. In der Fachsprache sind das Sterne, die dann in einem Körper, der sogenannten Bombette zusammengebracht werden. In diesem Fall ist die noch an den Himmel zu bringen, um den Effekt dann in 20 oder 30 Metern Höhe zur Zündung zu bringen, um das Bild, das jeder kennt, am Himmel zu erzeugen."
Das Bild am Himmel, das jeder kennt und das für viele Menschen in der Silvesternacht einfach dazugehört: ein buntes Feuerwerk.
Es ist der einzige Termin im Jahr, an dem die Bundesbürger ein privates Feuerwerk zünden dürfen. Drei Verkaufstage darf es vor Silvester geben - und schätzungsweise werden es wie in den vergangenen Jahren auch dieses Mal um die 130 Millionen Euro sein, die die Deutschen für Böller, Raketen und Knallfrösche ausgeben.
"Wir machen 95 Prozent unseres Umsatzes in den letzten drei Tagen des Jahres. Und das ganze Jahr davor arbeiten wir dafür", sagt Weco-Geschäftsführer Thomas Schreiber. Ob das Geschäft gut läuft, entscheidet sich also allein an diesen drei Verkaufstagen. Großfeuerwerke bei Veranstaltungen seien mehr fürs Renommee, nicht so sehr für den Umsatz. Geld verdiene sein Unternehmen vor allem mit dem privaten Feuerwerk in der Silvesternacht, sagt Thomas Schreiber.
Feuerwerk ist zum gesellschaftspolitischen Zankapfel geworden. Befürworter sehen darin einen uralten Brauch, mit dem zum Jahresende böse Geister vertrieben werden: "Das ist einfach pure Emotion und auch Bestandteil einer jahrtausendealten Tradition", sagt der Unternehmer.
Tatsächlich hat das Feuerwerk eine lange Geschichte. Das Schwarzpulver wurde vor rund 1400 Jahren in China erfunden. Händler brachten die explosive Mischung über die Seidenstraße nach Europa.
"Ich glaube, wir müssen uns einfach verabschieden von alten Technologien, die übermäßig die Umwelt belasten und eben auch Gesundheitsgefahren zur Folge haben und überwechseln zu solchen, die mindestens so viel Spaß machen wie das alte, aber sauberer und sicherer sind."
Die Deutsche Umwelthilfe ist ein gemeinnütziger Verein mit rund 430 Mitgliedern. Zu den Vereinszielen gehören unter anderem Klimaschutz und saubere Luft. Die Umwelthilfe ist als klageberechtigter Verbraucherschutzverband anerkannt. Zuletzt hat sie damit für Schlagzeilen gesorgt – denn sie hat in deutschen Städten per Gerichtsentscheid Dieselfahrverbote oder andere Einschränkungen zur Luftverbesserung erzwungen.
Feinstaub: Das sind winzig kleine Teilchen in der Luft, die nicht direkt zu Boden sinken und mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Feinstaub kommt aus allen möglichen Quellen. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr einer der Hauptverursacher – wobei die Partikel nicht nur aus den Motoren kommen, sondern auch durch Reifenabrieb und Aufwirbelung von der Straßenoberfläche entstehen. Feinstaub entsteht auch in Kraftwerken, in Müllverbrennungsanlagen, in Öfen und Heizungen, bei der Metall- und Stahlerzeugung, beim Umschlagen von Schüttgütern, in der Landwirtschaft.
Das Einatmen von Feinstaub kann zu Husten und Atemwegsproblemen führen bis hin zu Asthmaanfällen und sogar Lungenkrebs, auch Herz-Kreislauf-Beschwerden können durch Feinstaub ausgelöst oder verstärkt werden. Neuere Untersuchungen lassen vermuten, dass Feinstaub auch die Hirnfunktion beeinflusst.
In der Silvesternacht werden diese Werte vor allem in den deutschen Großstädten um ein Vielfaches überschritten. "In der Silvesternacht haben wir in Deutschland die höchste Feinstaubbelastung, wenn wir auf die stündlichen Werte schauen, also wirklich extreme Spitzen, die Werte erreichen 1.000 Mikrogramm pro Kubikmeter und mehr. Solche hohen Werte haben wir sonst an keinem anderen Tag im Jahr in Deutschland", sagt Ute Dauert vom Umweltbundesamt.
Thomas Schreiber, der Geschäftsführer des Feuerwerksherstellers Weco, der zugleich Vorsitzender des Verbands der pyrotechnischen Industrie ist, will das so nicht stehen lassen. Der Feinstaub, der durch Feuerwerk entstehe, sei weniger gefährlich als der Feinstaub etwa im Straßenverkehr:

Das will Schreiber sogar wissenschaftlich belegen lassen; die Branche hat entsprechende Untersuchungen in Auftrag gegeben.
Jürgen Resch von der Umwelthilfe und Thomas Schreiber als Vertreter der pyrotechnischen Industrie sind sich noch nicht persönlich begegnet. Sie sprechen viel übereinander - aber noch nie haben sie miteinander gesprochen. Ihre Argumente markieren eine harte Frontstellung. Da mag es helfen, die Zahlen und Daten zurate zu ziehen, die das Umweltbundesamt an seinen rund 450 Messstellen in Deutschland erhebt.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Spitzenwerte in der Silvesternacht sind kurzzeitige, einmalige Spitzenwerte. 4.500 Tonnen Feinstaub werden laut Umweltbundesamt durch das Feuerwerk freigesetzt - das sind aber eben nur zwei Prozent der gesamten jährlichen Feinstaubemissionen in Deutschland.
Die permanente Feinstaubbelastung, die vor allem in vielen deutschen Großstädten über den Empfehlungswerten der Weltgesundheitsorganisation liegt, bekommt man also wohl kaum in den Griff, indem man das Feuerwerk in der Silvesternacht verbietet.
Allerdings gibt es weitere Argumente gegen die Böllerei: "Die Feuerwerke haben noch andere Effekte, wie eben, sie erzeugen extreme Müllmengen. Zum Beispiel in den fünf großen Städten Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und Köln waren es etwa 191 Tonnen in der letzten Silvesternacht, also das sind extreme Müllberge", sagt Ute Dauert vom Umweltbundesamt.
"Stellt einer das Oktoberfest in Frage, weil Tausende Tonnen Müll entstehen? Ne. Keiner. Aber Feuerwerk soll verboten werden. Verstehen wir nicht", kontert Thomas Schreiber vom Feuerwerkshersteller Weco. Zumal die Branche daran arbeite, Müll und Verpackung zu reduzieren oder auf kompostierbare Materialien umzustellen.
Ein weiteres Argument gegen privates Feuerwerk sind die tausenden Verletzungen: abgerissene Finger zum Beispiel, Verbrennungen, Gehörschäden. Für Ärzte und Sanitäter ist die Silvesternacht erfahrungsgemäß ein Ausnahmezustand.

In Randale-gefährdeten Straßen oder Vierteln können Städte und Kommunen die Böllerei schon heute verbieten. "Das ist halt ein bisschen juristisch. Das allgemeine Ordnungsrecht, da können sie in bestimmten Bereichen ein Verbot erlassen, wenn eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht", erklärt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Ein Böllerverbot gibt es zum Beispiel in Köln rund um den Dom oder in Berlin am Hermannplatz.

"Der Schutz von Gebäuden ist relativ einfach. Der Schutz von Menschen, die ganz besonders unter Feinstaub leiden, zum Beispiel Asthmatiker - allein in Berlin 50.000 asthmakranke Kinder - der ist ausgesprochen schwierig", entgegnet Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. "Deswegen meinen wir, dass die Menschen mindestens genauso geschützt werden müssen wie historische Gebäude."
Auf Nachfrage des Deutschlandfunks erklärte das Ministerium: "In diesem Rahmen wird auch zu prüfen sein, inwieweit die bisherigen Regelungen zur Nutzung von Feuerwerk zum Jahreswechsel gegebenenfalls anzupassen sind, etwa im Hinblick auf möglicherweise veränderte Rahmenbedingungen, wie erhöhter Gefährdungslagen in Großstädten oder einer sich verändernden Akzeptanz in der Bevölkerung."
Wie die Prüfung ausfällt und ob daraus tatsächlich striktere Regelungen folgen werden, ist heute nicht absehbar. Die Deutsche Umwelthilfe will ohnehin nicht so lange warten. Sie hat 98 Städte mit hoher Feinstaubbelastung aufgefordert, die private Böllerei in der Silvesternacht zu verbieten.
Jürgen Resch plädiert für ein sogenanntes Silvester 2.0: Städte sollen als Ersatz fürs Feuerwerk Licht- und Lasershows anbieten. Als vorbildlich nennt er etwa Landshut in Bayern, wo Feuerwerk wegen Brandgefahr in der historischen Innenstadt seit dem vergangenen Jahr verboten ist und es stattdessen eine große Lasershow mit Musik gibt.
Jürgen Resch: "Um die Luft sauber zu bekommen, sollten wir die 500 Jahre alten Schwarzpulver-Techniken hinter uns bringen und mit modernen und sauberen Instrumenten, nämlich Laser und Lichtstrahlern, mit tanzenden Drohnen, die beleuchtet sind und mit mehr Sound als ‚bumm bumm‘, sollten wir dann Silvester würdig feiern."

Jürgen Resch wünscht sich eine solche Kehrtwende auch für Deutschland: "Wir haben kaum ein industrialisiertes Land, das es erlaubt, pyrotechnische Knaller und Raketen in der Innenstadt abzufeuern. Das ist fast überall verboten. Nur in Deutschland hat es diese Branche geschafft, diesen Anachronismus in die Neuzeit zu ziehen."
Ende vergangenen Jahres hat das Meinungsforschungsinstitut YouGov die Deutschen zum Feuerwerk befragt: Eine Mehrheit sprach sich dafür aus, Silvesterknaller in dicht besiedelten Innenstädten zu verbieten. Doch nur etwa 40 Prozent der Befragten gaben an, ein komplettes Feuerwerksverbot zu befürworten.
Auch Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund hält nichts von flächendeckenden Verboten - es gebe dafür auch keine Rechtsgrundlage: "Ich halte die Rechtsauffassung der Deutschen Umwelthilfe für nicht zutreffend. Also so einfach ist das in Deutschland nicht. Das ist eben auch ein Ausdruck von Freiheit, wenn man so will."
Zumal ein solches Verbot ja auch durchgesetzt werden müsse. So lange die Feuerwerkskörper verkauft werden dürfen, sei das kaum machbar: "Jeder weiß, was am Silvesterabend in deutschen Städten los ist. Da haben wir noch ein paar andere Sorgen, als ob der eine oder andere Bürger eine Rakete von seiner Terrasse oder seinem Balkon startet."
Ein vollständiges Feuerwerksverbot wird es in Deutschland so bald also wohl nicht geben. Zur Freude all jener, die das neue Jahr mit Böllerei begrüßen wollen. Und zur Erleichterung derjenigen, die damit ihr Geld verdienen. So bleibt es den Bürgern nun selbst überlassen, mit wie viel Feinstaub, Müll und Lärm sie den Jahreswechsel feiern wollen.