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Streit um jüdische Fakultät in Potsdam

Verspielt Brandenburg die Chance auf Deutschlands erste jüdisch-theologische Fakultät? Dem Land Brandenburg droht der Verlust der deutschlandweit einzigen Rabbiner-Ausbildungsstätte, denn dem Abraham-Geiger-Kolleg liegt ein konkretes Angebot der Universität Erlangen-Nürnberg vor.

Von Axel Flemming | 16.11.2011
    Konkret geht es in Potsdam um das Promotionsrecht und die Frage, wer Professoren berufen darf. Da trifft es sich, dass das Abraham-Geiger-Kolleg als eigene Fakultät mit drei Lehrstühlen und vier Professuren in Nürnberg eingegliedert werden könnte. Kolleg-Direktor Walter Homolka sagt, die Initiative dazu sei vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer ausgegangen.

    "Es geht einfach um dieselben Fragen, um die es auch in Brandenburg geht: Wie gelingt es uns, die Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom Januar 2010 über die Fortentwicklung der religionsbezogenen Wissenschaften auf die jüdische Theologie anzuwenden?"

    Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg könnte mit einem Zentrum für jüdische Studien ein Institut für Religion schaffen, das eine einmalige Einrichtung in Deutschland wäre. Für Homolka hängt die Entscheidung allein von der brandenburgischen Landesregierung ab. Sie müsse endlich einen Beschluss zur Einrichtung einer jüdisch-theologischen Fakultät an der Universität Potsdam fassen.

    Wissenschaftsministerin Sabine Kunst schlägt den Ball weiter aufs Feld der Universität:

    "Dazu ist noch gar nichts erfolgt, so dass vor der Erwägung der Gründung einer Fakultät auch eine Diskussion mit der Universität Potsdam abgeschlossen sein muss."

    Homolka ärgert sich über das schleppende Verfahren, die Gespräche dauern schon fast zwei Jahre. Er habe dem Ministerium einen fertigen Entwurf für einen Staatsvertrag zwischen den jüdischen Organisationen und dem Land Brandenburg vorgelegt.

    "Der Wissenschaftsrat hat deutlich gemacht: Theologie ist eine öffentliche Aufgabe. Ich hab das Gefühl, als würde ich hier mein Privatvergnügen betreiben. und so wird das auch behandelt."

    Ministerin Kunst:

    "Sie wissen, dass an den Brandenburger Universitäten es bislang gar keine theologische Fakultät gibt. Es gibt auch Notwendigkeiten, wenn wir eine solche gründen, das Hochschulgesetz anzupassen, da ja für theologische Fakultäten, somit auch für eine jüdisch-theologische Fakultät gilt, dass eine Glaubensgemeinschaft anerkennen muss, dass es konfessionsgebundene Professuren gibt und die auch von ihnen, den Glaubensgemeinschaften akzeptiert werden."

    Die Rabbinerausbildung des Geiger-Kollegs findet bislang nur auf dem Papier in Potsdam statt. Deshalb sei die Standortfrage für Homolka kein Pokern:

    "Ich finde das eine unangemessene Betrachtungsweise, die mir da entgegen geschlagen ist. Denn Faktum ist, dass wir seit vier Jahren um ein Gebäude in Brandenburg betteln. Wir treffen uns hier beide in Berlin, was für eine Brandenburger Einrichtung eigentlich sehr ungewöhnlich ist."

    Kunst:

    "Das Land Brandenburg hat sich sehr eindeutig und großzügig dazu bekannt, das Nordtorgebäude neben der Universität Potsdam für das Abraham-Geiger-Kolleg zu sanieren, so dass es dafür ein Angebot und auch ganz konkret eine Immobilie gibt, wenn denn dann die Sanierung abgeschlossen ist."

    Aber das kann noch zwei Jahre dauern. Solange wird weiter in Berlin unterrichtet. Auch der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien in Potsdam, Julius Schoeps, droht mit Konsequenzen für die märkische Wissenschaftslandschaft, wenn Brandenburg die Fakultät nicht einrichtet:

    "Bis heute gibt es das nicht, eine solche jüdisch-theologische Fakultät, und wenn man weiß, dass hier im 19. Jahrhundert gekämpft wurde um die Errichtung einer solchen Fakultät, dann ergibt es Sinn."

    Walter Homolka sagt: Als von der Kultusministerkonferenz - und damit von allen Bundesländern - mitgetragene Einrichtung fühle er sich grundsätzlich in allen Teilen Deutschlands zuhause.

    "Schließlich übersieht man in Brandenburg sehr gerne, dass der Beitrag des Sitzlandes Brandenburg bisher der geringste von allen war. Das Rabbinerseminar wird getragen durch den Bund, dem Zentralrat der Juden in Deutschland und die Kultusministerkonferenz. Das heißt faktisch, dass Bayern schon heute auch einer derjenigen ist, die diese Arbeit ermöglichen."