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Streit um neue Gesetze
Opposition kritisiert Migrationspaket

Die Opposition übt heftige Kritik an den vorgelegten Gesetzesvorhaben zur Fachkräftezuwanderung und Abschiebung von Flüchtlingen. Union und SPD wollen ihre Absprachen aber zügig durch den Bundestag bringen.

Von Gudula Geuther | 05.06.2019
Der serbische Pass eines abgelehnten Asylbewerbers mit dem Stempel 'Abgeschoben", aufgenommen am 24.11.2015 auf dem Flughafen Leipzig-Halle in Schkeuditz (Sachsen).
Insgesamt sind es acht Gesetzentwürfe, auf die sich CDU/CSU und SPD geeinigt haben. Schmerzhaft für die SPD sind Änderungen beim Gesetz, das Abschiebungen erleichtern soll. (dpa / picture alliance / Sebastian Willnow)
Es ist ausgerechnet das Herzensanliegen der SPD im großen Paket zu Migration und Asyl, das Bundesinnenminister Horst Seehofer hervorhebt. "Wir brauchen das Fachkräftezuwanderungsgesetz dringend für die Wirtschaft", betont der CSU-Politiker. Und weist damit Kritik der Opposition am Tempo der Gesetzgebung zurück. Etwa die der Linken-Fraktionsvorsitzenden Sarah Wagenknecht.
Zumindest wird es da in einem Schnellverfahren vorgelegt werden, teilweise sogar ohne Debatte. Bei zwei so grundlegenden Gesetzen ist das schon ein grundlegendes Problem.
Tagesordnung "umgeschmissen"
Insgesamt sind es ganze acht Gesetzentwürfe, auf die sich CDU/CSU und SPD gestern geeinigt haben und die überwiegend noch an diesem Freitag in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet werden sollen. Die Regierungskoalition schmeiße die komplette Tagesordnung des Parlaments um, kritisierte auch der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle. In einem Anhörungs-Marathon war gestern in den Ausschüssen ein Großteil der Gesetze beraten worden. Minuten danach, so kritisierte die Grüne Filiz Polat, habe die Koalition 32 Seiten an Änderungsanträgen vorgelegt. Das werde der Komplexität der Materie nicht gerecht. Tatsächlich ist nicht nur das Paket umfangreich, sondern auch die gegenüber den Regierungsentwürfen vorgeschlagenen Änderungen. Sie betreffen auch die Einwanderung von Fachkräften. Erleichtert werden soll sie gegenüber den ursprünglichen Plänen für IT-Kräfte und für Akademiker, die einen Ausbildungsplatz suchen wollen. Auf der anderen Seite betont am Morgen im Deutschlandfunk der Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei, Sozialsysteme sollten nicht belastet werden.
Deswegen war es für uns ein ganz zentraler Punkt, für Ältere, die nach Deutschland kommen wollen, auch eine Grenze einzuziehen, dergestalt, dass wir sagen: Wer 45 Jahre und älter ist, der muss entweder schon eine erworbene Altersversorgung mitbringen, oder er muss mindestens 55 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung verdienen.
Mehr Einwanderung, mehr Abschiebungen
Schmerzhafter für die SPD sind Änderungen beim Gesetz, das Abschiebungen erleichtern soll. Wie schon im Koalitionsvertrag, aber bisher nicht im Entwurf vorgesehen, sollen Asylsuchende grundsätzlich eineinhalb Jahre lang zentral untergebracht werden, zum Beispiel in den so genannten ANkER-Zentren, Ausnahmen gelten für Familien. Vor allem diese Verschärfung kritisiert Pro Asyl als Skandal. Geschäftsführer Günter Burkhardt spricht von einer "integrationspolitischen Katastrophe". Auch Verbesserungen bei der rechtlichen Beratung, die sich die SPD zuschreibt, sieht Burkhardt nicht. Nach wie vor soll zuerst nur das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beraten. Wie eine spätere Beteiligung von Wohlfahrtsverbänden praktisch umgesetzt werden soll, sei unklar. Eine weitere Verschärfung hatte unter anderem die Bundespolizei gefordert. Es soll klargestellt werden, dass vor einer geplanten Abschiebung Wohnungen betreten werden können. Mit richterlicher Mitsprache soll auch die Durchsuchung möglich sein. In der ARD beklagt Benjamin Jendro für die Gewerkschaft der Polizei die derzeitige Situation:
"Entweder geht die Tür auf, oder die Tür geht nicht auf. Häufig werden die Kolleginnen und Kollegen jetzt auch abgewiesen. Und es ist so, dass Abschiebungen jetzt auch scheitern".
Unklar ist derzeit, ob auch Verschärfungen des Staatsangehörigkeitsrechts noch in dieser Woche vom Parlament verabschiedet werden sollen. Ursprünglich hatte nur ein Punkt von vielen vorgezogen werden sollen, der mögliche Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit für Doppelstaatler, die für eine Terrororganisation gekämpft haben. Schon zuvor hatte sich die Koalition geeinigt, außerdem die Einbürgerung bei Mehrehe auszuschließen. Jetzt sind zwei weitere Verschärfungen geplant, die nicht restlos geklärte Identitäten und erschlichene Einbürgerungen betreffen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in mehreren Punkten rechtliche Bedenken. Die Opposition kritisiert, dass durch das geplante Verfahren Einzelpunkte in der Diskussion ohnehin unter den Tisch fielen.