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Streit um Rettungsschiff im Mittelmeer
Aquarius darf keinen Hafen anlaufen

Das Rettungsschiff Aquarius mit 629 Migranten an Bord harrt seit dem Wochenende im Mittelmeer aus. Italien und Malta weigern sich, das Schiff in ihren Häfen einlaufen zu lassen. Die Rettungskräfte fordern nun eine schnelle Lösung, auch weil der Proviant an Bord ausgeht.

Von Jan-Christoph Kitzler | 11.06.2018
    Das Rettungsschiff Aquarius, hier am 27. Juni 2017
    Das Rettungsschiff Aquarius - hier im Juni 2017 - hat derzeit 629 Migranten an Bord, darunter 129 unbegleitete Minderjährige und sieben schwangere Frauen (Lena Klimkeit/dpa)
    Die Lage auf der Aquarius ist noch unter Kontrolle. An Bord sind 629 Migranten, die bei mehreren Rettungseinsätzen in Sicherheit gebracht wurden, darunter 129 unbegleitete Minderjährige und sieben schwangere Frauen. Bisher wurde nach solchen Rettungseinsätzen der Aquarius von der Seenoteinsatzzentrale in Rom ein Hafen in Italien zugewiesen, in dem die Migranten an Land gebracht werden konnten. Diesmal ist es anders, sagt Verena Papke von SOS Méditerranée, der Betreiber-NGO:
    "Die Situation an Bord ist natürlich angespannt. Eine Rettung ist erst dann zuende, wenn uns auch ein sicherer Hafen zugewiesen wird, was eben derzeit nicht der Fall ist. Wir haben noch Verpflegung für einen Tag an Bord, mit 629 Geretteten. Wir sind schließlich kein Versorgungsschiff, sondern ein Rettungsschiff und sind nicht darauf ausgerichtet, Gerettete mehrere Tage an Bord zu behalten und zu hoffen, dass die italienischen, die maltesischen aber auch die europäischen Behörden sich so einigen, dass wir unseren humanitären Einsatz im Mittelmeer vernünftig beenden können."
    Italiens Innenminister twittert: "Wir schließen die Häfen"
    Doch die Aquarius ist offenbar zwischen die politischen Fronten geraten – und Italiens neue Regierung will eine harte Line in der Migrationspolitik fahren. Matteo Salvini, der Innenminister von der Lega, der im Wahlkampf mit massenhaften Abschiebungen geworben hatte, schreibt unter seine Tweets inzwischen #chiudiamoiporti, also "schließen wir die Häfen". Bereits gestern hatte er mit Transportminister Toninelli von der Fünf Sterne Bewegung Malta dazu aufgefordert, die Aquarius in einen dortigen Hafen zu lassen und die Erstversorgung der Migranten zu übernehmen. Malta, das kleinste Land der EU, nimmt de facto schon seit Monaten keine Migranten mehr auf. Damit soll nun Schluss sein, sagt Gan Marco Centinaio, ebenfalls Spitzenpolitiker der Lega und in der neuen Regierung Landwirtschaftsminister:
    "Das sind 629 Menschen, die im ersten verfügbaren Hafen aufgenommen werden müssen, also nicht in Italien, sondern in Malta. Niemand sagt, dass man diese Menschen wieder ins Meer werfen sollte. Wir sagen, dass man diesen Menschen helfen muss, man muss überprüfen, ob sie auch wirklich vor einem Krieg fliehen, sehen, was zu tun ist, so human wir möglich bleiben. Aber im nächsten Hafen – und das ist Malta und nicht Italien."
    Auch Malta bleibt hart, Aquarius auf Standby
    Doch Malta lehnt es bislang ab, die Migranten aufzunehmen. Premier Joseph Muscat hat mit seinem Amtskollegen Giuseppe Conte telefoniert und seine harte Haltung bekräftigt. Die Aquarius dürfe keinen maltesischen Hafen anlaufen.
    Das Schiff dümpelt derweil in internationalen Gewässern – aus dem Seenoteinsatzzentrum in Rom heißt es, man solle in "Standby" bleiben - wohl bis das Problem politisch gelöst ist. Italiens neue Regierung sieht dabei ausdrücklich auch die Europäische Union in der Pflicht – so sagt es Luigi di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, der größten Regierungspartei:
    "Dieser Vorfall zeigt, dass Italien allein gelassen wurde. Während wir über Jahre Tausende am Tag aufgenommen haben, ist Malta noch nicht einmal bereit, einmalig wenige Hundert aufzunehmen. Das zeigt, dass die Europäische Union nicht solidarisch ist. Jetzt ist der Moment gekommen, wo wir sagen: Es reicht. Jetzt warten wir auf Antworten aus Europa."
    Mittelmeer weiter gefährlichste Fluchtroute
    Dabei hat sich die Zahl der Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, auch schon ohne das Zutun der neuen Regierung in Rom deutlich verringert: Seit Jahresbeginn kamen laut Internationaler Organisation für Migration etwas über 33.000 nach Europa, ein Drittel im Vergleich zu 2017. Von ihnen kamen laut Innenministerium in Rom aber nur rund 13.800 nach Italien.
    Dass das Mittelmeer weiter die gefährlichste Fluchtroute der Welt ist, zeigen jedoch die vielen Toten bei Bootsunglücken. Fast 800 Migranten sind seit Jahresbeginn auf dem Mittelmeer ums Leben gekommen. Das heißt auch: Der Einsatz der Rettungsorganisationen, die oft als einzige vor Ort sind, ist weiter notwendig – zumindest wenn man verhindern will, dass sich die Zahl der Toten weiter erhöht.
    Welchen Hafen die Aquarius anläuft, ist derweil völlig offen. In den nächsten Stunden muss es eine Lösung geben.