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Ströbele: Keine Waffenlieferungen in Despotensysteme

Hans-Christian Ströbele, für die Grünen Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, hält es für unabdingbar, dass das Parlament über etwaige Panzerlieferungen an Saudi-Arabien mitentscheidet. Es verstoße gegen deutsche Richtlinien, ein solches Land mit Kriegsgerät auszustatten. Damit würde die Bundesregierung auch "ihre Sympathien für die Demokratiebewegungen" in der arabischen Welt verraten.

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Dirk Müller | 05.07.2011
    Dirk Müller: Alles ist geheim und deshalb erfahren wir nichts, jedenfalls nichts Genaueres, jedenfalls nichts vonseiten der Bundesregierung. Die beruft sich auf die Bestimmungen für den Bundessicherheitsrat, ein Gremium, wo führende Minister und die Kanzlerin zum Beispiel über Waffen- und Rüstungsgeschäfte entscheiden, wie jetzt auch bei den angeblichen Lieferungen von 200 Leopardpanzern. Diese gehen aber nicht an Kanada, Spanien oder auch Italien, sondern nach Saudi-Arabien, an ein autokratisches Regime mitten im Nahen Osten, mitten in eine Krisenregion. Die Aufregung darüber ist groß. Der grüne Innen- und Rechtsexperte Hans-Christian Ströbele ist jetzt bei uns am Telefon. Er ist zugleich Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Tag!

    Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Tag.

    Müller: Herr Ströbele, sind Schmiergelder immer noch an der Tagesordnung?

    Ströbele: Das weiß ich nicht, aber auch damals habe ich das ja nicht für möglich gehalten. Es ist jetzt 20 Jahre her, dass ein Panzerdeal mit Saudi-Arabien abgewickelt wurde, damals wurden 36 Fuchspanzer geliefert, die kosteten eigentlich etwa 226 Millionen, dann wurden 220 Millionen mehr bezahlt von Saudi-Arabien, und diese Gelder sollen dann an die verschiedenen Vermittler und Interessierte gegeben worden sein, also so eine Art Schmiergelder. Das haben wir im Untersuchungsausschuss damals festgestellt, und was natürlich besonders pikant ist, dass von diesen 220 Millionen eine Million, mindestens eine Million im Koffer an den damaligen CDU-Schatzmeister Walter Leisler-Kiep übergeben worden sind und dann in schwarze Kassen der CDU geflossen sind. Damals habe ich das nicht für möglich gehalten, zunächst, bis es dann im Untersuchungsausschuss bestätigt wurde. Und da bei diesem jetzigen Panzerdeal noch viel mehr Geld eine Rolle spielt – hier geht es ja um mehrere Milliarden -, da bin ich natürlich sehr aufmerksam geworden.

    Müller: Aber Sie unterstellen das jetzt nicht der Bundesregierung?

    Ströbele: Ich weiß es nicht. Damals habe ich das nicht für möglich gehalten, dass da vielleicht ein Staatssekretär – es ging damals um den Staatssekretär im Verteidigungsministerium – in irgendeiner Weise von Zahlungen profitiert haben könnte. Inzwischen wissen wir, dass auch er Zahlungen bekommen hat und verurteilt worden ist.

    Müller: Gut. Aber Sie haben bis jetzt keine Anhaltspunkte?

    Ströbele: Nein, sondern für mich ist auffällig erstmal, dass Saudi-Arabien ein Land ist, wo das offensichtlich nichts Besonderes ist, dass solche zusätzlichen Zahlungen geleistet werden, und weil ich weiß, um wie viel Geld es hier geht, welch hohes Interesse daran besteht, einen solchen Deal zu Stande zu bringen.

    Müller: Herr Ströbele, wir wollen mit Ihnen ja auch reden – deswegen haben wir Sie auch gefragt, ob Sie Zeit für uns finden an diesem Mittag hier im Deutschlandfunk -, weil es auch um das Grundsätzliche geht, um die politische Entscheidung, Saudi-Arabien Panzer zu liefern, auch um die Frage, Lieferungen in ein Krisengebiet. Eine andere Frage ist die Geheimhaltung. Damit argumentiert die Bundesregierung. Es ist alles geheim, deswegen können wir auch nichts Genaueres zumindest darüber sagen. Stehen Sie zu diesem Kodex Bundessicherheitsrat und Geheimhaltung?

    Ströbele: Nein. Das ist schon lange ein Fehler. Über solche wichtigen Geschäfte muss das Parlament in irgendeiner Form mindestens informiert werden, ich sage sogar mit entscheiden. Wir haben auch uns überlegt jetzt, die Grünen, dazu entsprechende Gesetzesvorschläge zu machen, das kann so nicht weitergehen, weil sonst ist ja gerade jetzt, auch wie in diesem Falle, das Misstrauen berechtigtermaßen groß, wird gesät, wenn so was im Dunkeln, im Geheimen abgewickelt wird, dass das alles nicht ganz mit rechten Dingen zugeht. Und in der Sache selber darf man ja nicht übersehen, dass Saudi-Arabien zu einem der schlimmsten Despotensysteme in der arabischen Welt gehört. Da wird gefoltert, systematisch, da werden Menschenrechte missachtet, da gibt es so gut wie keine Demokratie, da werden Frauen unterdrückt. Und, was jetzt noch dazu gekommen ist, Saudi-Arabien ist so eine Art Garantiemacht für die anderen Scheichtümer in der Umgebung. Immer wenn da das Volk auf die Straße geht, dann ist Saudi-Arabien vertraglich sogar gehalten und verpflichtet, dort einzugreifen und auch mit militärischen Mitteln dann Freiheits- und Demokratiebewegungen niederzuschlagen, wie sie das in Bahrain jüngst erst praktiziert haben.

    Müller: Das ist ja das Beispiel, was immer wieder angeführt wird in der aktuellen Auseinandersetzung um die Panzer-Einsätze der Saudis in Bahrain. Wenn die Bundesregierung argumentiert, wir machen das alles im Rahmen der gültigen Exportrichtlinien, kann das stimmen?

    Ströbele: Nein. Das stimmt nicht, weil gerade in Krisengebiete und an Länder, an Staaten, an Despoten, die die Menschenrechte unterdrücken, da dürfen nach den Richtlinien keine Lieferungen von Kriegswaffen stattfinden. Und dass Panzer, Leopardpanzer Kriegswaffen sind, das kann überhaupt keiner bestreiten.

    Müller: Lügt die Bundesregierung?

    Ströbele: Die Bundesregierung soll sich erstmal dazu äußern, wie sie das miteinander in Übereinstimmung bringen will. Wir werden das sicherlich morgen im Auswärtigen Ausschuss ausführlich diskutieren. Wir beabsichtigen auch, in einer Aktuellen Stunde das Plenum des Deutschen Bundestages jetzt noch vor der Sommerpause damit zu befassen. Das Parlament ist alarmiert, und zwar in allen Fraktionen, und das kann so nicht gehen. Wir haben ja eine ähnliche Geschichte auch unter Rot-Grün mal gehabt. Da war geplant gewesen, 1000 Panzer an die Türkei zu liefern. Wir haben damals in der Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung gehabt, auch in der rot-grünen Koalition, und nachher ist nur ein Panzer geliefert worden. Also das muss hier rückgängig gemacht werden, selbst wenn es schon fest beschlossen ist.

    Müller: Wobei die Türkei damals immerhin wie auch heute Bündnispartner ist.

    Ströbele: Ja! Da war es eigentlich noch viel weniger, da gab es viel eher Argumente dafür, die zu liefern. Aber hier: Saudi-Arabien ist ja nicht in einem Bündnis mit der Bundesrepublik Deutschland und Saudi-Arabien hat gerade – das war bei der Türkei damals auch nicht so – vor wenigen Wochen noch zum Entsetzen der ganzen Welt, der Menschenrechtler auf der ganzen Welt bewiesen, dass sie auch mit Panzern sogar in ein Nachbarland einmarschieren, um dort die Demokratiebewegung niederzuwalzen. Es will mir überhaupt nicht in den Kopf, wie man da auch nur einen einzigen Gedanken daran verwenden kann, an dieses Land nun 200 starke Panzer zu liefern.

    Müller: Betrachten wir, Herr Ströbele, das Ganze doch einmal aus der ökonomischen Perspektive. Es gibt ja auch viele kritische Stimmen in der Union, keine in der FDP bislang, offiziell zumindest, aber viele in der CDU, auch einige in der CSU haben jetzt erhebliche Bedenken bezüglich dieses angeblichen Geschäftes. Es ist ja in der Form nicht bestätigt. Aber wenn wir die ökonomische Betrachtungsweise einmal genauer unter die Lupe nehmen: Diejenigen, die es jetzt befürworten, sagen, wenn wir es nicht machen mit den Lieferungen, dann machen es die anderen.

    Ströbele: Also das ist eine Argumentation, die völlig daneben ist. Wir haben ja gerade die Erfahrung gemacht und auch die Bundesregierung hat ja eingesehen, dass die Unterstützung von Despoten in Nordafrika, sei das Mubarak, sei das Gaddafi, sei das Assad in Syrien, sei es mit polizeilicher Hilfe, sei es mit militärischer Hilfe, dass das ganz riesige Fehler gewesen sind, die uns jetzt zurecht Demokratiebewegungen vorhalten. Und es wurde gesagt, das darf nie wieder passieren, wir müssen Außenpolitik nach anderen Kriterien betreiben gegenüber solchen Despoten. Und all das, was die Bundesregierung dazu bisher erklärt hat, ihre Sympathien für die Demokratiebewegungen, die klingen doch jetzt hohl und verlogen, wenn sie gleichzeitig die Despoten mit den schwersten Waffen ausstatten, mit denen dann Aufstände niedergeschlagen werden können.

    Müller: Der grüne Innen- und Rechtsexperte Hans-Christian Ströbele bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch.