Fachkräftemangel
Viele Inder studieren in Deutschland – doch wenige wollen bleiben

Inderinnen und Inder stellen die größte Gruppe internationaler Studierender an deutschen Unis. Seit die USA strengere Einreisebestimmungen haben, scheint Deutschland als Studienland noch beliebter zu werden. Deutsche Firmen hoffen auf Fachkräfte.

    Abschlussfeier an der Uni in Bremen. Junge Menschen mit Doktorhüten gehen fröhlich über eine Wiese.
    Abschlussfeier an der Uni in Bremen. (picture alliance / Caro / Bastian)
    US-Universitäten haben in Indien mittlerweile keinen allzu guten Ruf mehr. Zu oft wird in indischen Zeitungen davon berichtet, dass indische Studierende dort schlecht behandelt werden – beinahe wie Kriminelle. Für deutsche Hochschulen ist das eine Chance. Vielleicht kommen die gut ausgebildeten Schülerinnen und Schüler ja stattdessen nach Deutschland?!
    Die Zahl der indischen Studierenden hierzulande wächst jedenfalls – und die Unternehmen hoffen, dass die indischen Studierenden nach ihrem Uniabschluss bei ihnen einsteigen. Beispielsweise als Ingenieure oder Informatiker. Leider gelingt das nicht immer.

    Inhalt

    Warum und wie werben deutsche Universitäten um indische Studierende?

    Schon seit Jahren wirbt Deutschland um indische Studierende. Gerade künftige Ingenieure, Informatiker und Naturwissenschaftler werden von deutschen Unternehmen dringend gesucht.
    Denn der demografische Wandel macht sich auch an den Unis, vor allem aber auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Es gibt einfach zu wenig junge Menschen in Deutschland. Ohne Studierende aus dem Ausland wären die Hörsäle bald recht leer – und der Fachkräftemangel würde sich weiter verschärfen.
    Deswegen hat Deutschland bereits 2023 ein Migrationsabkommen mit Indien geschlossen, dass die Einreise für Fachkräfte und Studierende erleichtert. Außerdem rühren deutsche Diplomaten und Forschungsgemeinschaften wie der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) oder die Fraunhofer-Gesellschaft mit Info-Events und Social-Media-Posts in Indien die Werbetrommel. Auch viele deutsche Universitäten haben mittlerweile ihr eigenes Beratungsbüro in Indien, um gut ausgebildete junge Inderinnen und Inder von einem Studium in Deutschland zu überzeugen.
    Umgekehrt gebe es auch eine sehr große Zahl indischer Schülerinnen und Schüler, „die ein gutes Schulsystem durchlaufen haben und die möglicherweise auch in Indien nicht unbedingt den Studienplatz finden, den sie bräuchten, um auch später eine internationale Karriere zu machen“, sagt der Geschäftsführer der Gesellschaft für Akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung, Jörn Weingärtner.

    Warum interessieren sich Inderinnen und Inder für ein Studium in Deutschland?

    Deutschland scheint insgesamt bei ausländischen Studierenden beliebter zu werden: An den deutschen Hochschulen steigt einer Untersuchung zufolge die Zahl der Studienanfänger aus dem Ausland gerade enorm. Bereits im Wintersemester 2023 hatten 93.000 Erstsemester keine deutsche Staatsangehörigkeit. Ein Rekordwert. Deutschland hatte damit beim weltweiten Ranking der beliebtesten Studienländer Australien überholt und lag 2023 auf Platz drei hinter den USA und Großbritannien.
    Auch speziell unter indischen Studierenden ist Deutschland immer beliebter – und kommt gleich nach den englischsprachigen Ländern Kanada, den USA, Großbritannien und Australien. Denn es gibt einiges, was für Deutschland als Studienstandort spricht: Die Lebenshaltungskosten sind zwar hoch. Dafür gibt es aber niedrige Studiengebühren, wenn es überhaupt welche gibt. Mittlerweile werden auch immer mehr Masterstudiengänge auf Englisch angeboten.
    Anzahl der internationalen Studierenden an Hochschulen in Deutschland im Wintersemester 2024/2025 nach Herkunftsländern: Vorne liegt Indien, gefolgt von China, der Türkei und Syrien.
    Unter den internationalen Studierenden an deutschen Hochschulen liegen Inderinnen und Inder ganz vorne. (Statistisches Bundesamt / Statista)
    Hinzu kommt, dass es für Inderinnen und Inder wegen eines Migrationsabkommens verhältnismäßig einfach ist, als Studierende in Deutschland ein Visum zu erhalten. Und: „Wir haben auch ein sehr gutes Einwanderungsrecht. Das heißt, die Möglichkeit, nach dem Studium in Deutschland zu bleiben, hier zu arbeiten, sind im internationalen Vergleich auch sehr gut“, sagt Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. In den USA und Großbritannien wurde die Visavergabe dagegen verschärft.

    Wie viele indische Studierende gibt es bereits an deutschen Hochschulen?

    Über 50.000 Studierende aus Indien sind bereits an deutschen Hochschulen. Damit stellen sie die größte Gruppe internationaler Studierender an deutschen Universitäten. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verzehnfacht. Kein anderes Herkunftsland hatte ein so starkes Plus, schreibt dazu die „taz“.
    Und: 90 Prozent der Inderinnen und Inder kommen für Masterprogramme vor allem im technischen Bereich – und damit in Branchen, in denen Deutschland dringend Fachkräfte sucht, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Axel Plünnecke.
    Anzahl der Studierenden aus Indien in Deutschland im Wintersemester 2023/2024 nach Fächergruppen:  Ingenieurswissenschaften liegt vorne, gefolgt von Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, dann Mathematik und Naturwissenschaften.
    Unter indischen Studierenden in Deutschland sind vor allem Ingenieurswissenschaften beliebt. (Statistisches Bundesamt / Statista)

    Warum klappt es manchmal mit dem Studium und der Karriere in Deutschland trotzdem nicht?

    Man könnte meinen, es wäre eine Win-win-Situation, wenn die indischen Absolventen vom Studium direkt in den deutschen Arbeitsmarkt wechselten.
    Aber laut einer Studie des DAAD wollen schließlich nur 40 Prozent nach ihrem Abschluss in Deutschland bleiben. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Neben individuellen, privaten Motiven gibt es strukturelle Probleme. Eines ist die Sprache. Zwar heißt es, man komme in Deutschland mit Englisch gut zurecht. Doch englischsprachige Mitarbeiter werden hierzulande seltener eingestellt. Oft werden sehr gute Deutschkenntnisse erwartet. Auch Rassismuserfahrungen sind ein Problem. Indische Studierende klagen außerdem über Probleme bei der Wohnungssuche und zu lange bürokratische Prozesse.
    Um zukünftig mehr indische Studierende auch nach ihrem Abschluss in Deutschland zu halten, startet die Bundesagentur für Arbeit deswegen nun ein Pilotprojekt an insgesamt zehn Standorten in Deutschland. Gemeinsam mit Hochschulen und weiteren Netzwerkpartnern soll der Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt gezielt vorbereitet werden. Dazu gehören neben sprachlicher Qualifizierung auch Vermittlungsunterstützungen und das Knüpfen von Netzwerken.

    lkn