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Sturm auf Mossul
Ein Kampf um Bilder und Wahrheiten

Nach weiteren Geländegewinnen rund um die IS-Bastion Mossul hat das irakische Staatsfernsehen auf Kriegseuphorie umgeschaltet. Die Terrormiliz IS hält mit ihrer Propaganda dagegen. Ein angebliches Video aus Mossul setzt bewusst auf Normalität. Berichte über Krieg seien Lügen, heißt es darin.

Von Anna Osius |
    Mitglieder einer irakischen Spezialeinheit in der Nähe der Stadt Hamdaniyah.
    Mitglieder einer irakischen Spezialeinheit in der Nähe der Stadt Hamdaniyah. (dpa/ picture alliance/ Ahmed Jalil)
    Am zweiten Tag des Sturms auf Mossul melden die irakischen Streitkräfte weitere Geländegewinne. Die Armee rückte nach eigenen Angaben in die früher fast ausschließlich von Christen bewohnte Stadt Karakusch südöstlich von Mossul ein. Die IS Kämpfer seien quasi ohne Gegenwehr geflohen, berichten Armeesprecher.
    In anderen Gebieten kam offenbar zu Gegenangriffen – der IS soll mehrere Selbstmordattentäter geschickt haben und hat offenbar auf seinem Weg zahlreiche Sprengfallen deponiert. Außerdem zündeten die Dschihadisten Ölquellen an, pechschwarze Rauchwolken steigen in den nordirakischen Himmel.
    Der Kampf um Mossul entpuppt sich immer mehr auch als ein Kampf um Bilder – und Wahrheiten. Das irakische Staatsfernsehen hat komplett auf Kriegseuphorie umgeschaltet.
    Die morgendliche Nachrichtensendung wurde spontan umbenannt in "Morgen des Sieges" – dazu ertönt ein extra komponiertes Kampflied auf Mossul: "Ich fürchte den Tod nicht, ich bin bereit, nimm mich mit nach Mossul", heißt es.
    IS-Propagandavideo zeigt Alltag in Mossul
    Dem versucht die Terrormiliz Islamischer Staat mit ihrer Propaganda entgegen zu halten: Sie veröffentliche heute ein Video aus Mossul, das wie eine Fernsehreportage ganz bewusst absolute Normalität zeigt: Menschen gehen auf den Markt, man sieht einen Teeverkäufer und eine Bäckerei, und große Ausfallstraßen, auf denen zahlreiche Autos fahren. Bewohner Mossuls strahlen in die Kamera und erklären, wie normal und gut das Leben sei.
    Dank und Lob zu Gott – alles ist in Ordnung hier in Mossul, es geht uns gut, so dieser Mann. Es ist absolut sicher, Gott sei dank. All diese Berichte über einen Krieg sind Lügen, nicht als Lügen.
    Alle Männer im Video tragen lange Bärte, Frauen sind nirgendwo zu sehen, noch nicht mal im Hintergrund auf dem Markt. Ob das Video tatsächlich aus Mossul stammt, kann derzeit nicht überprüft werden.
    Angriff auf Mossul steht noch bevor
    Eines steht fest: Der eigentliche Angriff auf die Stadt, steht noch bevor und wird der schwierigste Teil der Mission Mossul. Die Offensive ist eine gemeinsame Aktion der irakischen Streitkräfte und ihren Verbündeten - kurdischen Peschmerga, schiitischen Milizen, sunnitischen Stämmen. Unterstützt werden sie von der Anti-IS-Koalition unter Führung der USA.
    Umstritten ist die Rolle der Türkei bei der Offensive: Ankara hat im Norden des Irak Truppen stationiert und will unbedingt beim Sturm auf Mossul dabei sein – gegen den Willen der irakischen Regierung. Hunderte Iraker demonstrierten heute vor der türkischen Botschaft in Bagdad gegen die Präsenz türkischer Truppen im Irak. In Sprechchören forderten sie den Abzug der Soldaten – die Demonstranten riefen: Verschwindet Besatzer und Türkei raus.
    "Wir verurteilen die türkische Einmischung in irakische Angelegenheiten, so dieser Sprecher. Niemand darf eindringen und irakischen Boden besetzen."
    Ein großes Aufgebot an Sicherheitskräften versuchte zu verhindern, dass weitere Menschen vor die Botschaft zogen. Die Türkei flog heute nach eigenen Angaben Luftschläge auf IS-Stellungen und betonte, beim Sturm auf Mossul unbedingt dabei zu sein. Es laufen allerdings derzeit Gespräche mit den USA, ob sich die Türkei nicht bei einer der nächsten Anti-IS-Offensiven, zum Beispiel auf die IS-Hauptstadt Raqqa in Nordsyrien beteiligt.
    Rotes Kreuz fordert Schutz von Zivilisten
    Die neuen Kämpfe in der Region um Mossul haben bereits erste Flüchtlingsbewegungen ausgelöst. Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen rechnen damit, dass zwischen 800.000 und 1 Million Menschen aus Mossul fliehen könnten, wenn der Sturm auf die Stadt losgeht. Noch gibt es zu wenige Flüchtlingslager in der Region, um all diese Menschen aufzufangen. Beobachter befürchten, dass Zivilisten in Mossul zwischen die Fronten geraten könnten. Das internationale Komitee des Roten Kreuzes hielt heute einen dringenden Appell an alle Kämpfenden:
    "Die Botschaft an alle ist einfach, so Robert Mardini vom Roten Kreuz. Zivilisten gehen vor. Das heißt, zivile Einrichtungen oder Krankenhäuser dürfen nicht beschossen werden. Das heißt auch, keine Bomben in dicht bevölkerte Gebiete wie Mossul abzuwerfen, den Menschen Zugang zu Wasser, Nahrung und medizinische Versorgung zu garantieren und den Flüchtlingen sicheres Geleit. Humanitäre Helfer brauchen Zugang, um zu helfen. Ich kann nur sagen: Die Welt schaut euch zu. Beweist in Mossul eure Menschlichkeit."