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Syrien-Konflikt
Flucht aus Idlib

Die Provinz Idlib ist wieder ins Zentrum des Syrien-Konflikts gerückt. Bewaffnete Kämpfer finden dort ein Rückzugsgebiet. Syrische und russische Kampfjets haben gleichzeitig ihre Angriffe intensiviert. Jüngst sollen mindestens 100.000 Menschen aus den Kampfgebieten geflohen sein. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm.

Von Jürgen Stryjak | 11.01.2018
    Ein türkisches Militärfahrzeug steht an einer Bergkante in der Provinz Idlib
    Umkämpftes Gebiet, die Provinz Idlib. 100.000 Menschen sind auf der Flucht. (imago/Xinhua)
    Jüngst im Südwesten Syriens: Mit Bussen und Krankenwagen dürfen Dschihadisten, die der Terrororganisation Al-Qaida nahestehen sollen, sowie ihre Familien das belagerte Dorf Beit Jin verlassen, insgesamt rund 300 Menschen. Die Regierung lasse sie, so berichten die Staatsmedien, unter anderem in die Provinz Idlib ziehen.
    Ein seit längerem üblicher Vorgang: Freies Geleit für Aufständische, die aus eingekesselten Gebieten in Richtung Idlib ziehen dürfen. Teile der Provinz im Nordwesten Syriens wurden zu einer Art Bad Bank für das Regime, zu einem Auffangbecken für bewaffnete Kämpfer. Die Provinz ist inzwischen das größte Gebiet im Land, das noch von Aufständischen kontrolliert wird – überwiegend von Kämpfern des Bündnisses Tahrir ash-Sham, das vom syrischen Al-Qaida-Ableger geführt wird.
    2,5 Millionen Menschen sind in dem Gebiet
    Es gibt aber auch eine kleine Zahl von Rebellen der Freien Syrischen Armee, außerdem oppositionelle Aktivisten, die die Kommunen verwalten – sowie eine Million Syrer, die hierher geflohen sind. Insgesamt sollen sich nach UN-Angaben mindestens 2,5 Millionen Menschen in dem Gebiet aufhalten.
    Die Zivilisten werden von den Dschihadisten drangsaliert – gegen die sich auch die Selbstverwaltungen der Kommunen behaupten müssen.
    Die größte Gefahr droht jedoch aus der Luft. Syrische und russische Kampfjets haben ihre Angriffe intensiviert. Sie bombardieren auch Wohnhäuser, wie hier in Kafr Sijnah, gut 40 Kilometer südlich der Stadt Idlib.
    Dutzende Zivilisten bei Bombenangriffen getötet
    Zivilschützer versuchen, das Feuer zu löschen und Verletzte zu bergen. Dutzende Zivilisten kamen in den vergangenen Tagen bei Bombenangriffen in der Provinz ums Leben.
    Vor zweieinhalb Wochen starteten die syrische Armee und ihre Verbündeten eine Offensive. Sie ist womöglich der Beginn der Rückeroberung der Provinz durch Assad-Truppen, hat aber auch konkretere Ziele.
    Das Regime wolle den Militärflughafen von Abu Zuhour einnehmen und die Verbindungsstraße zwischen Damaskus und Aleppo zurückerobern, sagt der syrische Politologe Hussain Abdulaziz. Es möchte strategische Vorteile erringen für die bevorstehende große Schlacht um die gesamte Provinz.
    Eine syrische Familie mit Koffern und Taschen vor einem Bus,
    Eine syrische Familie aus der Provinz Idlib verlässt die Provinz im Norwesten des Landes (dpa- EPA/Stringer)
    100 Dörfer in den Provinzen Idlib und Hama erobert
    Der Verstoß es Regimes findet aus der Luft und am Boden statt. Assad-Truppen konnten in den vergangenen Wochen knapp 100 Dörfer in den Provinzen Idlib und Hama erobern. Jüngst sollen mindestens 100.000 Menschen aus den Kampfgebieten geflohen sein. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm.
    Die Lage der Zivilisten sei beunruhigend, erklärte UN-Sprecher Farhan Haq. Auch weil immer wieder Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen gemeldet würden. Vor einigen Tagen sei in der Provinz Idlib ein Krankenhaus bombardiert worden, außerdem hätten Fassbomben ein Lager mit medizinischen Hilfsgütern beschädigt.