Kein aggressiver Schlagabtausch, stattdessen eine zumeist sachlich geführte Debatte – im TV-Duell von J.D. Vance und Tim Walz bemühten sich beide Vize-Präsidentschaftskandidaten spürbar um die Wähler der Mitte. Intensiv beackerten sie die zentralen Themen des Wahlkampfs, von Migration über Wirtschaft bis hin zu Abtreibung - ohne dass am Ende ein klarer Sieger des Duells festgestanden hätte.
Wie wichtig ist dieses Aufeinandertreffen für den Ausgang der Wahl und für welche Politik stehen die Kandidaten?
Welche Rolle spielt das TV-Duell der Vize-Kandidaten?
Das Rennen um die Präsidentschaft ist eng, das Duell der Vize-Kandidaten stand deshalb besonders im Fokus. Nach Ansicht des Politologen Andrew Denison hat der 90-minütige TV-Auftritt an der Situation im Wahlkampf jedoch kaum etwas verändert.
Dem Republikaner J.D. Vance sei es gelungen, sich als seriöser Politiker zu präsentieren und seine freundliche Seite herauszustellen - im Kontrast zu seinen höchst aggressiven, gar hetzerischen Äußerungen bei Wahlkampfauftritten. Der anfangs etwas bemüht wirkende Demokrat Tim Walz habe vor allem beim Thema Abtreibungsrecht gepunktet. Außerdem sei es ihm gelungen, die Eignung von Donald Trump für das Präsidentenamt in Zweifel zu ziehen und dessen Rolle beim Sturm aufs Kapitol aufzuzeigen.
Sowohl Vance als auch Walz behielten dabei ihre Mission im Blick: Sie sollen für ihr jeweiliges Lager Wähler der weißen Arbeiterklasse ansprechen, die sich abgehängt fühlen. Als Repräsentant des Mittleren Westens soll Tim Walz dazu beitragen, entscheidende Swing States in seiner Region für die Demokraten zu gewinnen. Mit ähnlichem Profil wurde J.D. Vance für die Republikaner ins Rennen geschickt.
Wer ist J.D. Vance und wofür steht er?
James David (J.D.) Vance ist in seiner ersten Amtszeit republikanischer Senator im US-Bundesstaat Ohio. Der 40-Jährige hat Jura an der Eliteuniversität Yale studiert. Danach arbeitete er für eine multinationale Anwaltskanzlei und wurde später Finanzmanager bei einer Investmentfirma.
Schlagartig berühmt wurde Vance, der aus einer Arbeiterfamilie aus Ohio stammt, als 2016 sein autobiografisches Buch „Hillbilly Elegie“ veröffentlicht wurde. Darin schildert er seine von Armut geprägte Kindheit und beschreibt die Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs im sogenannten Rostgürtel, einer großen Industrieregion im Nordosten der USA.
Nicht zuletzt durch die Geschichte seines persönlichen sozialen Aufstiegs verkörpert J.D. Vance ein Stückweit den Mythos des „American Dream“. Auch dadurch wurde er zu einer der Zukunftshoffnungen der Republikaner. Auf dem Nominierungsparteitag in Milwaukee versprach Vance, er und Donald Trump würden sich – anstatt „um die Bedürfnisse der Wall Street“ – vor allem um die Arbeiter kümmern.
In seiner noch jungen Karriere hat J.D. Vance bereits einen politischen Wandel vollzogen, für den er von manchen Seiten als unglaubwürdiger Opportunist kritisiert wird. Denn früher war Vance scharfer Gegner Donald Trumps und hat diesen öffentlich teilweise wüst beschimpft. Später wechselte er aber ins Lager der Trump-Unterstützer – und bekam vom Ex-Präsidenten sogar Rückendeckung in seinem Senats-Wahlkampf für Ohio.
Politisch gilt Vance als Hardliner mit markigen Sprüchen. So gab er US-Präsident Biden eine Mitschuld am Attentat auf Donald Trump im Juli in Pennsylvania. Auch außenpolitisch tritt Vance mitunter als Sprachrohr Trumps auf. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz forderte er vor allem Deutschland auf, mehr in seine Streitkräfte zu investieren. Vance spricht sich außerdem gegen weitere Militärhilfen für die Ukraine aus.
Wer ist Tim Walz und wofür steht er?
Tim Walz von der Demokratischen Partei ist seit 2019 amtierender Gouverneur des Bundesstaates Minnesota und war zuvor viele Jahre Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus. Bevor er in die Politik ging, hat der heute 60-Jährige als Lehrer gearbeitet.
In Minnesota setzt sich der Vizepräsidentschaftskandidat von Kamala Harris für bessere Arbeitnehmerrechte, ein strengeres Waffenrecht, das Abtreibungsrecht und für den Klimaschutz ein – Positionen, für die ihn der Republikaner J.D. Vance als „Marxist“ und „radikalen Linken“ bezeichnet.
Walz ist auch ehemaliger Footballtrainer und hat 24 Jahre beim Militär gedient. Den Bewohnerinnen und Bewohnern Minnesotas wird in den USA zudem eine besondere Bescheidenheit zugeschrieben. Nach Ansicht des Politikberaters Julius van der Laar versucht die Demokratische Partei, mit dem Kandidaten Tim Walz „eine wunderbare Geschichte“ zu erzählen, die der amerikanischen Bevölkerung suggerieren soll: „Das ist einer wie wir.“
Für große Aufmerksamkeit sorgte Harris‘ potenzieller Vize aber erst, als er Donald Trump und J.D. Vance als „weird“ („sonderbar“, „seltsam“, „unheimlich“) bezeichnete.
Welche unterschiedlichen Wahlkampfstrategien verfolgen Vance und Walz?
Vance und Walz unterscheiden sich sowohl in ihrem strategischen Ansatz als auch in ihrem Naturell. Der 40-jährige Vance tritt mit scharfer Rhetorik auf und fährt heftige Attacken gegen den politischen Gegner. Dabei malt er ein düsteres Bild von einem Land, das durch eine verfehlte Wirtschafts- und Einwanderungspolitik bedroht sei und das untergehe, wenn Donald Trump nicht die Wahl gewinnt.
Der 60-jährige Tim Walz mag vielen hingegen eher als freundlicher älterer Herr erscheinen. Die positive Nachricht, die er verkünden will, lautet etwa: Die Mittelschicht wird durch eine gerechte Steuerpolitik gestärkt, und durch mehr Chancengleichheit werden Hass und Spaltung überwunden, wenn Kamala Harris die Wahl gewinnt.
Welche Aufgaben hat der Vizepräsident in den USA?
Natürlich vertritt und entlastet die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident den hauptsächlichen Amtsinhaber manchmal bei verschiedenen Aufgaben. Vizepräsidenten gibt es in erster Linie dennoch aus einem bestimmten Grund: Er oder sie muss das Präsidentenamt schnell übernehmen können, falls dem Präsidenten etwas zustoßen oder er zurücktreten sollte. In der Geschichte ist dieser Fall bislang neunmal eingetreten – zuletzt mit Gerald Ford, als 1974 Richard Nixon zurücktrat.
Auch ansonsten sind Vizepräsidenten in den USA keinesfalls machtlose Stellvertreter. Ein Vizepräsident hat den Vorsitz im Senat. Kommt es bei Abstimmungen zu einem Gleichstand, kann er oder sie zum finalen Ergebnis beitragen und selbst abstimmen. Die aktuelle Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hat das 33 Mal gemacht – ein Rekord.
jma, jk