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Radsport
Frauen-Rennen scheitern an Professionalisierung

Die Tour de France der Frauen gilt als wichtigstes Frauen-Radrennen. Andere Veranstaltungen hingegen müssen kämpfen oder wurden abgesagt. Paradoxerweise scheitern die Rennen an der Professionalisierung im Frauen-Radsport.

Von Christian von Stülpnagel |
Svenja Betz vom Team Maxx-Solar Rose Women Racing führt beim Womens Cycling Grand Prix Stuttgart eine Gruppe von Radrennfahrerinnen an
Der Women’s Cycling Grand Prix Stuttgart & Region feierte Mitte Juli sein Debüt (IMAGO / frontalvision.com / Arne Mill)
Helen Henriksson ist wehmütig wegen der Absage von Vårgårda WestSweden,, einem Radrennen im Westen von Schweden, etwa 50 Kilometer nördlich von Göteborg. „Wir haben das Rennen über 15 Jahre lang organisiert. Wir waren ein Teil der Entwicklung des Frauenradsports, darauf sind wir stolz. Jetzt ist es an der Zeit, danke zu sagen und den Frauenradsport weiter wachsen zu lassen. Mit Organisationen, die größer und stärker sind.“
Seit 2006 war das Vårgårda-Rennen im August eine feste Station im Rad-Weltcup und im World Tour Kalender, der ersten Frauen-Radsport-Liga des Weltradsportverbands. Anfang des Jahres kam aber die Absage für das Rennen: "Wir sind nur ein kleiner Radsportverein in Schweden, der dieses Event auf die Beine gestellt hat. In diesem Jahr gab es neue Anforderungen an die Organisatoren. Das hat es für uns schwer gemacht, die Kosten vorauszusehen."

Streckensicherung - zu teuer und komplex

Vor allem die Absicherung der Strecke werde immer komplexer und teurer. Mit derartigen Problemen ist Henriksson nicht allein in der Welt der Frauen-Radrennen. In diesem Jahr gibt es gleich eine Handvoll Rennen, die nicht stattfinden.

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Die Mont Ventoux Dénivelé Challenge Mitte Juni ist ausgefallen. Die Tour of Scandinavia im August besteht nur noch aus vier statt fünf Etappen. Und die Belgien-Tour im Juni, ebenfalls ein Rennen der World Tour, wurde nur eine Woche vor dem Start abgesagt. Als Grund hat der Veranstalter die mangelnde Unterstützung in den Gemeinden angegeben, wenn es um die Streckensicherheit und –Beschilderung gehe.

Frauenradsport wächst zu schnell

Das Finanzielle war für Mick Bennett der Grund, warum er die Women’s Tour in Großbritannien für dieses Jahr nicht auf die Beine stellen kann. In fünf Etappen fahren die Radsportlerinnen im Juni normalerweise durch England. Aber nach dem Brexit, der Inflation und der Covid-Pandemie hielten sich viele Sponsoren mit Unterstützung für die Tour zurück. Doch auch gestiegene Anforderungen etwa des Weltverbandes machen in seinen Augen vielen Veranstaltern zu schaffen:
„Sie versuchen, den Frauenradsport zu schnell zu groß zu machen. Mit Equal Pay, gleichen Preisgeldern, der gleichen Infrastruktur wie bei Männerrennen.“
Er befürworte zwar all diese Dinge. Aber: „Man muss beachten, dass die World Tour der Männer viele Jahren gebraucht hat, um auf den heutigen Stand zu kommen. Und ich glaube, mit dem Frauenradsport versuchen sie diesen Punkt zu schnell zu erreichen.“

Viele Rennen scheitern an Wachstumsansprüchen

Sind die aktuellen Absagen vieler Rennen also die Wachstumsschmerzen eines aufstrebenden Sports?
„Ja, ganz klar“, sagt Vera Hohlfeld, Organisatorin der Thüringen-Rundfahrt. „Das habe ich vor zwei Jahren schon gesagt, als das Fahrt aufgenommen hat mit den neuen UCI-Regeln. Ich hab so ein bisschen das Gefühl, ein bisschen Angst und Sorge, dass das Tempo, das angesetzt ist, einfach zu schnell ist. Und dass dann einige auf der Strecke bleiben, weil man das Tempo mitgeht, auf Dauer aber nicht halten kann.“

Teams mit dünner Personaldecke

Doch nicht nur die Rennen haben zu kämpfen – auch die Teams haben Sorgen. Denn anders als bei den Männern, wo es große Rennställe mit viele Fahrern gebe, ist die Personaldecke dünner. Sagt die deutsche Ex-Fahrerin Lisa Brennauer im Deutschlandfunk Sportgespräch: „Das ist ein Balanceakt, wo sich noch nicht ganz eingependelt hat, diesen Mittelweg zu finden zwischen: Ich mache große Rennen, viele Rennen aber auch nicht zu viele, und gebe den Teams auch Zeit, hinterherzuwachsen und einen Fahrerpool aufzubauen.“
Alle könnten mehr tun, sagt deshalb auch Mick Bennett von der Women’s Tour: „Die Teams, die Fahrer, die Organisatoren, die UCI – wir können alle mehr tun. Aber man kann sollte nicht zu viel zu schnell machen. Es braucht seine Zeit. Das klingt frustrierend, und ich möchte auch, dass es über Nacht geht, aber es wird leider nicht über Nacht gehen.“

Debüt in Stuttgart: Women’s Cycling Grand Prix

Doch es gibt auch positive Nachrichten. Vor einer Woche hat in Stuttgart ein neues Rennen sein Debüt gefeiert: der Women’s Cycling Grand Prix. Und: Vera Hohlfeld sagt mit Blick auf ihre Thüringenrundfahrt: „Bei uns läuft’s gerade gut, wir sind zufrieden.“
Und auch Mick Bennett ist zuversichtlich, im kommenden Jahr wieder eine Women‘s Tour auf die Beine zu stellen: „Wir haben ein Datum und werden wieder ein Rennen haben. Ich freue mich drauf!“
Helen Henriksson hingegen wird nicht wieder als Organisatorin auftreten. Ihr Rennen in Vårgårda scheitert im Endeffekt an der zunehmenden Professionalisierung im Frauenradsport: „Wir waren der einzige kleine Verein, der so ein Rennen organisiert hat. Der Rest sind große Organisatoren mit Angestellten. Und ich denke, so wird das in Zukunft überall sein.“

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