Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Radsport
Start der Tour de France: Begeisterung in Kopenhagen

Die Tour de France startet am 1. Juli in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Die Begeisterung scheint riesig. Auf den Heim-Etappen gehören die dänischen Fahrer nicht zu den Favoriten - im weiteren Rennverlauf gibt es aber hohe Erwartungen.

Von Tom Mustroph | 26.06.2022
Kopenhagens Bürgermeisterin fährt die Tour-de-France-Trophäe in einem Lastenrad durch die Stadt und wird von vielen Fahrradfahrern begleitet.
Fahrradautobahnen, Lastenräder und nun die Tour de France - Kopenhagen ist fahrradbegeistert. (IMAGO/Ritzau Scanpix)
Auf dem Parcours der 2. Etappe der Tour de France fand Mitte Juni ein Jedermann-Rennen statt. Mehr als 3.500 Teilnehmer erreichten nach mehr als fünf Stunden Tretarbeit das Ziel in Nyborg und durften dort selbst einmal ins Meer der Begeisterung der wartenden Fans eintauchen.
Wer nicht jubelte, war mit Farbeimern beschäftigt. Viele Hausfassaden sind bereits gelb angemalt. Gelb ist die Farbe der Tour de France. Auch die roten Punkte auf weißem Grund – das Design des Bergtrikots der Tour – werden großflächig auf Wasserspeicher am Rande der Strecke angebracht.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Tour de France-Boss Christian Prudhomme fühlt sich im siebten Radsporthimmel: "Wir spüren Leidenschaft für Radsport, Leidenschaft für die Tour. Wir sind beeindruckt von dem, was wir sahen, und von dem, was geschehen wird beim Grand Depart am 1. Juli."

Vingegaard reist als Zweiter von 2001 an

Auch der dänische Radprofi Jakob Fuglsang ist voller Vorfreude: „Ich bin überzeugt, es wird ganz besonders. Meine Kollegen können sicher sein, dass wir Dänen sie beeindrucken werden. Die Unterstützung in Dänemark wird enorm sein. Es wird ein Radsportfest.“
Lange genug haben seine Landsleute auch warten müssen. Seit 2012, als der Giro d’Italia in Dänemark begann, träumt man vom Tourstart. 2016 warben in Paris Vertreter der Stadt Kopenhagen um den Zuschlag. 2020 sollte es losgehen. Die Pandemie sorgte aber für eine Verschiebung. Im letzten Jahr überschnitten sich Spiele der Fußballeuropameisterschaft mit dem Grand Depart.
Jetzt aber ist alles angerichtet. Kopenhagens Bürgermeisterin Sophie Haestorp Andersen heizte die Stimmung schon mal mit einem Selfie mit dem Shooting Star der letzten Tour de France, Jonas Vingegaard, an. Der junge Däne wurde letztes Jahr Zweiter und war einziger echter Herausforderer für Toursieger Tadej Pogacar. In diesem Jahr ist Vingegaard bei seinem Team Jumbo Visma die zweite Spitze neben Primoz Roglic, dem Tourzweiten von 2020.

Radfahren als Lebensstil

Auf ihm wie auf den weiteren dänischen Startern lastet aber auch viel Erwartungsdruck. Michael Rasmussen, einst selbst gedopt im gelben Trikot der Tour und seit Jahren als Journalist im Tourtross dabei, versucht den Druck etwas zu dämpfen:
"Ich denke, es wird sehr schwer für sie, eine der ersten drei Etappen zu Hause zu gewinnen. Aber es wäre sehr enttäuschend, wenn Dänemark nicht wenigstens eine Etappe während der gesamten Tour gewinnt. Vingegaard hatte gute Möglichkeiten, auf das Podium zu kommen. Und Fuglsang könnte Bergkönig werden, wenn er sich darauf konzentriert."
- RODEZ, FRANCE: Former Danisch cyclist Michael Rasmussen pictured before the start of stage 14 of the 2015 edition of the Tour de France cycling race, 178,5 km from Rodez to Mende, France, Saturday 18 July 2015. This year s Tour de France is taking place from 4 to 26 July. YORICKxJANSENS PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY x82981304x
RODEZ FRANCE Former Danisch cyclist Michael Rasmussen pictured before the start of stage 14 of (imago images / Belga)
Auch gedämpfte Erwartungen können hoch sein.
Die Begeisterung für den Radsport ist auch wegen der intensiven Nutzung des Fahrrads im Alltag so groß. Für Kopenhagener sei Rad fahren nicht nur ein Sport oder eine Möglichkeit, von A nach B zu kommen, sondern ein Lebensstil, betonte Kopenhagens Bürgermeisterin Sophie Haestorp Andersen.

Superhighways und die ersten modernen Lastenräder

Tatsächlich zeichnet sich das Land durch eine beeindruckende Rad-Infrastruktur aus. Etwa 250 km lang ist das Streckennetz der sogenannten Superhighways. Das sind gut ausgebaute Fahrradwege. Das Netz soll auf 750 km auf insgesamt 60 Routen ausgebaut werden.
Kopenhagen ist zudem Geburtsort der modernen Lastenfahrräder. Sie wurden in den 1980er Jahren in der Besetzerrepublik Christiania entwickelt und haben heute Kultstatus. Die Tour de France soll zu einer noch intensiveren Nutzung des Rads im Alltag beitragen.
Tour-Chef Prudhomme wiederum hofft, dass davon auch etwas in das Mutterland der Tour überschwappt: "Für uns als Franzosen kommt es darauf an, zu verstehen, wie man hier die Verbindung hinbekommt zwischen dem Rad, das jeden Tag genutzt wird und dem Sport und den Champions. Das ist sehr wichtig."

Weiterhin kein eigener Top-Rennstall

Alles rosig also im Radsportland Dänemark? Nicht ganz. Ein eigenes WorldTour-Team haben die Dänen nicht. Und der letzte große Star der Dänen, Michael Rasmussen, hat für die Zukunft auch wenig Hoffnung auf Besserung. Nicht einmal der Grand Depart in Kopenhagen konnte einheimische Sponsoren zur Investition in einen Rennstall locken:
"Wenn tatsächlich Interesse bestanden hätte, hätte es jemand schon vor langer Zeit angehen müssen. Bjarne Riis hat alle denkbaren Sponsoren in Dänemark fünf Jahre lang regelrecht angebettelt. Aber niemand hat zugesagt. Wenn Bjarne Riis das nicht geschafft hat, dann sehe ich keinen, dem das gelingen könnte."
Bjarne Riis, ehemaliger dänischer Radprofi
Bjarne Riis, neuer Teilhaber des Radsport-Teams NTT (Ritzau/Scanpix Liselotte Sabroe imago)
Bjarne Riis gewann die Tour de France 1997. Er war der größte dänische Radstar, bevor er wegen Dopings aufflog. Er versuchte tatsächlich, zum Grand Depart in der Heimat einen Rennstall aufzubauen. Geldgeber aber scheuen mittlerweile seine Nähe. Der alte Dopingschatten spielt also auch herein in diesen Grand Depart.