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Traditionsunternehmen vor dem Aus

Der oberfränkische Fernsehhersteller Loewe - ein Elektronikunternehmen mit Weltruhm. 1931 brachte Loewe den ersten elektronischen Fernseher auf den Markt. Weitere Innovationen, über den ersten tragbaren Fernseher bis zum ersten Smart-TV der Welt, folgten. Nun hat die Loewe AG einen Insolvenzantrag gestellt.

Von Florian Weber |
    Das Entsetzen in der oberfränkischen 17.000-Einwohnerstadt Kronach ist riesig: Fast jeder hat schon mal bei Loewe gearbeitet oder kennt Beschäftigte:
    "Ganz schlimm, das ist die einzige gute große Firma hier gewesen, das sind viele Schicksale, weil Familien mit drinhängen. / Grausam, wir müssen schauen, dass wir über die Runden kommen, die Stadt hat kein Geld mehr, und die Leute werden arbeitslos. / Da hängen auch Zulieferer mit dran, und die Kaufkraft für Kronach lässt auch nach."
    Jahrzehntelang konnten die Kronacher stolz sein auf Loewe – das Elektronikunternehmen mit Weltruhm. 1923 haben die Brüder Sigmund und David L. Loewe in Berlin die damalige Radiofrequenz GmbH gegründet – drei Jahre später erschien der erste Verkaufsschlager: der Loewe Ortsempfänger OE 333. Über eine Million mal ging das Gerät über den Tisch und sorgte damit für einen Aufschwung des Mediums Radio.

    Das Fernsehen hat Loewe sogar gewissermaßen erfunden: 1931 hat das Unternehmen den ersten elektronischen Fernseher auf den Markt gebracht, den Urvater aller heutigen Fernsehgeräte. Es waren die Innovationen, die Loewe weltweit bekannt gemacht haben. Und davon gab es einige, erzählte Löwe-Pressesprecher Roland Raithel stolz, schon vor vielen Jahren, als es Löwe noch richtig gut ging:
    "Wir haben in den 50er-Jahren das erste Kassetten-Tonbandgerät auf den Markt gebracht, einen der ersten europäischen Videorekorder in den 60ern, der war so groß wie ein Kühlschrank."
    Es folgten 1963 der erste tragbare Fernseher, der Loewe Optaport oder 1982 der erste europäische Stereo-Fernseher. Pionier waren die Kronacher schon Ende der 90er-Jahre bei der Integration des Internets in Fernsehgeräte. Loewe hat dabei immer auf höchste Qualität und einzigartiges Design gesetzt. 1999 geht Loewe an die Börse – aus Loewe Opta wird die Loewe AG.

    Doch Anfang des Jahrtausends ist Loewe ein erstes Mal in eine ernste Krise geraten: Den Trend zum Flachbildfernseher hat das Unternehmen schlicht verschlafen. Die qualitativ hochwertigen, aber klobigen Bildröhrenfernseher von Loewe wurden zu Ladenhütern. Loewe ein erstes Mal nahe am Bankrott.

    Die Rettung: Die Beschäftigten verzichteten teilweise sogar auf ein ganzes Monatsgehalt, frisches Geld kam vom japanischen Elektronikkonzern Sharp, der sich 29 Prozent der Aktien sicherte. Loewe stellte die Produktion komplett auf Flachbilderfernseher um, die Geräte verkauften sich, und die Mitarbeiter wie Roland Pohl aus der Entwicklungsabteilung konnten damals wieder stolz sein:
    "Wir haben zwei komplette Designlinien an Flachprodukten hingestellt, und was ganz wichtig ist: mit einer Funktionsvielfalt, die keiner sonst auf der Welt bieten kann."
    2008 präsentierte Loewe den ersten Smart-TV der Welt mit kabellosem Zugriff auf Bilder, Musik, Videos, externe Festplatten und PC-Systeme. Loewe feiert Rekordgewinne. Den Gehaltsverzicht und Einsatz der Mitarbeiter honorierte das Unternehmen mit einer Sonderprämienzahlung in Höhe von insgesamt fast 3 Millionen Euro. Auch in Sachen Design war Loewe weiter ganz vorn dabei – hat mehrere hochrangige Designpreise gewonnen. Der damalige Loewe-Chef Frieder C. Löhrer konnte stolz sein:
    "In der heutigen Zeit wollen die Leute zu Hause sein und sich erholen. Möchten sich mit dem Besten umgeben. Wir sind schon lange kein Fernsehhersteller mehr – wir sind Home-Entertainment, diejenigen, die den Zugang zu allen anderen Medien ermöglichen, wo es Spaß macht, zu Hause im Kreise der Familie."
    Doch der Spaß hat bei Loewe seit jeher seinen Preis, den nur noch wenige bereit sind zu zahlen. 2012 machte Loewe über 44 Millionen Euro Verlust. In den vergangenen Monaten sollen die Umsätze noch mal deutlich zurückgegangen sein. Jetzt will Loewe auch günstige Fernsehmodelle verkaufen, hat deshalb eine Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen Hisense abgeschlossen. Wenn die Verhandlungen mit potenziellen Investoren in den kommenden Wochen aber scheitern, droht Loewe schon bald das Aus.