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Transatlantische Beziehungen
Mißfelder glaubt an No-Spy-Abkommen

US-Präsident Obama sei grundsätzlich bereit, seinen Verbündeteten in der NSA-Affäre entgegenzukommen, sagte Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, im DLF. Ein mögliches Ermittlungsverfahren in der Angelegenheit hält er für keine wirksame Lösung des Konflikts.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion
    Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion (dpa / picture-alliance / Soeren Stache)
    Christiane Kaess: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren schon mal besser als im Moment vor dem Hintergrund der NSA-Spähaffäre. Mit Spannung war am Freitag eine Rede von US-Präsident Barack Obama erwartet worden zu den Befugnissen der Geheimdienste. Die Erwartungen wurden davor bereits niedriggehängt, und tatsächlich hat Obama zwar Zusagen gegeben, die Aktivitäten der Geheimdienste einzuschränken, aber keine rechtlichen Verpflichtungen angekündigt. Entsprechend skeptisch war das Echo dann auch: Regierung, Koalitionsparteien und Opposition reagierten zurückhaltend. Die Bundesregierung ließ lediglich wissen, man werde die Ankündigungen genau analysieren. Am Wochenende hat der US-Präsident noch einmal nachgelegt. In einem Interview mit dem ZDF warb Obama für das Verständnis der Deutschen in der NSA-Affäre. Unterdessen berichtete der "Spiegel", es könnten neue Belastungen auf die bilateralen Beziehungen zukommen. In der Affäre um das abgehörte Handy der Bundeskanzlerin soll der Generalbundesanwalt Gründe sehen, eventuell Ermittlungen einzuleiten.
    Am Telefon ist Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, demnächst Koordinator für die transatlantischen Beziehungen. Guten Morgen!
    Philipp Mißfelder: Guten Morgen.
    Kaess: Die Einladung der Bundeskanzlerin nach Washington, die Rede zur NSA-Spähaffäre und dann das Interview im deutschen Fernsehen - will Obama jetzt mit einer Charmeoffensive beruhigen?
    Mißfelder: Ich gehe schon davon aus, dass seine Berater und er selbst sich darüber vollkommen im klaren sind, dass sehr viel Vertrauen in Europa verloren gegangen ist und dass es das gilt wiederherzustellen, und ich glaube, dass deshalb auch dieses gezielte Zugehen auf die deutsche Öffentlichkeit stattgefunden hat.
    "Abwägungsfrage in den USA zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten"
    Kaess: Obama hat ja in dem Interview noch einmal erklärt, dass die angekündigten Beschränkungen für die NSA klar machen sollten, dass Amerika sich nicht so verhält, dass die Privatsphäre der Deutschen verletzt wird. Wie sehr hat Sie das beruhigt?
    Mißfelder: Ich finde das schon mal eine sehr gute Nachricht, denn in der vergangenen Woche gab es ja sehr viele schlechte Nachrichten. Durch Medienberichterstattung wurde ja der Eindruck erweckt, als wären die Amerikaner überhaupt nicht bereit, uns entgegenzukommen. Ich sehe bei Obama schon die grundsätzliche Bereitschaft, unsere Sorgen ernst zu nehmen und auch Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen. Die Frage ist nur letztendlich, wie viel bekommt er als rechtliche Grundlage im Kongress nachher durch, und die Abwägungsfrage in den USA zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten auf der anderen Seite, das ist eine ganz andere Situation als bei uns, denn wir haben schließlich kein 9/11 gehabt. In den USA ist es deshalb politisch auch sehr schwierig, diesen Kurs durchzuhalten.
    Kaess: Sie haben die rechtlichen Grundlagen angesprochen. Justizminister Heiko Maas hat am Wochenende noch einmal gesagt: "Erst wenn wir ein rechtlich verbindliches Abkommen unterzeichnet haben, das die Daten aller Bürger schützt, werden wir verlorenes Vertrauen zurückgewinnen können." Ist das nicht naiv, immer noch zu glauben, so ein Abkommen werde tatsächlich kommen?
    Mißfelder: Wir arbeiten daran. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, weil wir der Meinung sind, dass das notwendig ist, um deutlich zu machen, dass sehr wohl auf beiden Seiten des Atlantiks die Werte nicht modifizierbar sind, sondern dass wir sagen, diese Wertegemeinschaft wird gemeinsam getragen, und insofern ist das die richtige Konsequenz aus dem Skandal. Andererseits sage ich aber auch ganz deutlich: Ein Abkommen macht nur dann Sinn, wenn hinter dem Abkommen auch tatsächlich eine Einsicht steht, dass im Vorhinein etwas schiefgelaufen ist, und das ist, glaube ich, das richtige, was wir aus Obamas Rede mitnehmen können. Ich hoffe, dass sich das auf weitere Teile der Politik in den USA ausdehnt.
    "Sehr viele Gespräche geführt"
    Kaess: Wo sehen Sie denn konkret Anzeichen, dass es tatsächlich so ein Abkommen noch geben wird?
    Mißfelder: Wir haben in der vergangenen Woche selbstverständlich nach den Medienberichten sehr viele Gespräche geführt und es gab zwar auch kritische Hinweise, wo wir um Zurückhaltung gebeten worden sind und dass die Erwartungshaltungen nicht zu hochgeschraubt werden, aber es gibt ja nicht nur unseren Wunsch, sondern es gibt auch das berechtigte Interesse vieler NATO-Partner, gegenüber den USA deutlich zu machen, dass ein gegenseitiges Ausspionieren nicht im Interesse der Wertegemeinschaft ist, und vor dem Hintergrund nehmen wir die Diskussion sehr ernst und ich glaube, die USA auch. Das ist unser stärkstes Argument, abseits aller Drohungen, die dort ausgesprochen worden sind. Ich bin der Meinung, die USA müssen, um ihre moralische Integrität auch wieder herzustellen, dafür sorgen, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass die Verbündeten nicht ausspioniert werden, egal ob das Handy der Bundeskanzlerin oder das Handy von viel mehr Bürgern.
    Kaess: Sie glauben, Herr Mißfelder, ein Abkommen wird kommen?
    Mißfelder: Ich bin ja kein Wahrsager. Ich weiß nicht, was in der Zukunft alles kommt. Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass ein solches Abkommen kommt, und wir haben ein großes Interesse daran und werden das den Amerikanern auch deutlich machen.
    Kaess: Was glauben Sie wird Obama Angela Merkel bei ihrem Besuch in Washington anbieten?
    Mißfelder: Ich glaube, es wird abseits dieses großen Skandals auch um die Frage gehen, wie geht es generell in den transatlantischen Beziehungen weiter. In Amerika gibt es sehr viel Kritik an uns, an uns Europäern, dass wir zu wenig aus deren Sicht tun für die militärische Komponente der Sicherheitsallianz, dass wir wesentlich mehr Verantwortung übernehmen sollen, und andererseits wir uns sehr stark dafür machen, dass das Freihandelsabkommen in Kraft tritt, und wir werden daran arbeiten, dass es auch im Zeitrahmen in Kraft tritt, also in Obamas Präsidentschaft noch unterzeichnet wird. Ich glaube, das sind auch wichtige Fragen, die in Washington dann diskutiert werden.
    "Wir wollen das Freihandelsabkommen"
    Kaess: Aber meine Frage zielte eher in eine andere Richtung. Etwas Konkretes wird Obama Angela Merkel wahrscheinlich nicht mitgeben?
    Mißfelder: Da bin ich mir nicht so sicher, weil wir haben ja an der Reaktion in Deutschland schon gemerkt, ohne dass Snowden ja nahezu wöchentlich irgendetwas Neues veröffentlicht, in einer Art Salamitaktik, um auch unsere Öffentlichkeit gezielt anzufüttern, ist es so, dass die eigentliche Empörungswelle ja dadurch entstand vergangene Woche, dass es Berichte gab, Amerika hätte kein Interesse mehr an diesem No-Spy-Agreement. Und ich glaube, die Reaktion in Deutschland war ja in fast allen Parteien sehr, sehr heftig, und das kann den Amerikanern nicht egal sein, was in Berlin gedacht wird und was auch große Teile der Bevölkerung in Deutschland denken.
    Kaess: Geht es denn Obama mit seinen Bemühungen jetzt um wirtschaftliche Interessen, konkret um die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen, das Sie gerade angesprochen haben, und ist das nicht ein Zeichen dafür, dass Deutschland und Europa hier Druck aufbauen könnten?
    Mißfelder: Na ja, wir würden uns vor allem ins eigene Fleisch schneiden, wenn wir das Freihandelsabkommen versuchen zu unterminieren. Wir brauchen dieses Freihandelsabkommen. Europa leidet ja jetzt nun nicht gerade an zu viel Wachstum, sondern eher an zu wenig Wachstum. Ich meine, Deutschland steht zwar gut da in den vergangenen Jahren, aber es ist nicht in dieser Situation, dass wir jetzt sagen können, wir verzichten gerne darauf. Nein, ganz im Gegenteil! Wir wollen das Freihandelsabkommen, weil wir der Meinung sind, das bedeutet per se mehr Wachstum, denn wir sind vom europäischen Binnenmarkt überzeugt und wir sind auch gleichzeitig davon überzeugt, dass das Freihandelsabkommen und mehr Freihandel generell unserer Wirtschaft nützen. Insofern ist das im eigenen Interesse, es fortzuführen.
    "Weniger mit juristischen Mitteln zu begreifen"
    Kaess: Herr Mißfelder, der "Spiegel" berichtet, ein Ermittlungsverfahren zum Ausspähen des Handys von Angela Merkel durch die NSA könnte eingeleitet werden. Einige Abgeordnete kritisieren, dass das noch nicht passiert ist. Der Grüne-Politiker Hans-Christian Ströbele wählt ganz eindeutige Worte. Er spricht von einem völlig unverständlichen Schmierentheater. Hat er recht?
    Mißfelder: Ich bin gestern auch von Ihren Kollegen mit der Frage konfrontiert worden und ich verstehe das nicht, dass Herr Ströbele sich aufregt. Offenbar ist es ja so, dass der Generalbundesanwalt an den Justizminister herangetreten ist und der ihm klar gemacht hat, dass er nicht gewillt ist, von seinem Recht, ihm Weisung zu erteilen, Gebrauch zu machen, sondern dass er ihn unabhängig agieren lässt. Das ist natürlich eine Abwägungsfrage: Wie viel Schaden entstünde dadurch, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Staatsbürger der Vereinigten Staaten oder Institutionen der Vereinigten Staaten von Amerika ins Laufen gebracht werden würde. Aber wir haben ja auch eine unabhängige Justiz in Deutschland und offenbar gibt es Rechtsverstöße und wir bewegen uns nicht in einem rechtsfreien Raum, und deshalb wird es aus meiner Sicht in der Abwägung dazu kommen, dass es ein solches Ermittlungsverfahren gibt. Ich frage mich nur - das ist eher eine praktische Frage -, wohin soll das ganze dann führen, was ist das Ziel dieses Ermittlungsverfahrens. Aber das ist getrennt von dieser Grundsatzentscheidung.
    Kaess: Aber das hört sich so an, als hoffen Sie, dass es nicht dazu kommt, mit Rücksicht auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen?
    Mißfelder: Nein, nein! - Nein, das wäre vielleicht der fromme Wunsch mancher Amerikaner, dass sie sagen - das hat keiner gesagt, aber man könnte es sich vorstellen -, warum wollt ihr denn ein Ermittlungsverfahren gegen uns anstrengen. Die Justiz entscheidet das selbst an dieser Stelle. Ich frage mich halt nur, was am Ende konkret dabei herauskommen soll, denn ich glaube, das ganze hat eine politische Dimension und ist weniger mit juristischen Mitteln zu begreifen.
    Kaess: Was würde das denn für das deutsch-amerikanische Verhältnis bedeuten?
    Mißfelder: Ich glaube, dass auf amerikanischer Seite durchaus darüber Empörung entstehen würde. Aber andererseits: Wir sind ein Rechtsstaat und wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber unseren Prinzipien hier. Insofern ist es dem Generalbundesanwalt am Ende wahrscheinlich überlassen, dieses Verfahren einzuleiten, oder eben nicht, auf Grundlage dessen, was ihm an Erkenntnissen vorliegt.
    "Wir sind der Überzeugung, dass der politische Weg der richtige ist"
    Kaess: Schauen wir noch voraus auf die Friedenskonferenz zu Syrien, die an diesem Mittwoch beginnt, in Montreux am Genfer See. Nach langem Zögern hat sich jetzt am Wochenende mit der Syrischen Nationalen Koalition zumindest ein Teil der Opposition zur Teilnahme an dieser Konferenz durchgerungen. Ein gutes Zeichen?
    Mißfelder: Grundsätzlich ist das ein gutes Zeichen. Aber daran, wie die syrische Opposition untereinander abgestimmt hat am Wochenende, nämlich nur mit einer verhältnismäßig geringen Mehrheit sich dafür ausgesprochen hat, daran teilzunehmen, sehen Sie schon, dass auch da noch weitere Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Aber generell wollen wir ja die syrische Opposition auch einbinden und jetzt nicht, nachdem Assad wieder gestärkt worden ist, die Opposition ganz außen vor lassen. Insofern ist das eine richtige Entscheidung.
    Kaess: Es ist jetzt bekannt geworden, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon auch die iranische Regierung zur Syrien-Friedenskonferenz eingeladen hat. Die USA haben erst einmal zurückhaltend reagiert. Wie bewerten Sie diese Einladung?
    Mißfelder: Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, wenn man mit Iran und mit Russland, die ja die Hauptunterstützer Syriens sind von außen, neben der Hisbollah aus dem Libanon, wenn man mit denen versucht, auch eine politische Lösung herbeizuführen. Wir sind ja der Überzeugung, dass der politische Weg der richtige ist, und haben ja militärische Optionen weitestgehend ausgeschlossen, und das halten wir auch nach wie vor für sinnvoll. Deshalb glaube ich, dass es auch richtig ist, die entscheidenden Kräfte, die auch im Hintergrund wirken, mit zu der Konferenz zu nehmen und zu versuchen, dort das beste Ergebnis zu erzielen.
    Kaess: …, sagt Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion und zukünftiger Koordinator für die transatlantischen Beziehungen. Danke für das Gespräch heute Morgen, Herr Mißfelder.
    Mißfelder: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.