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Trump beim NATO-Gipfel
"Es war ein denkbar schlechter Auftritt vom US-Präsidenten"

Der SPD-Politiker Rolf Mützenich sieht das Verhalten von US-Präsident Donald Trump während des NATO-Gipfels in Brüssel kritisch. Trump sei in manchen Dingen "unvorbereitet" und "provokativ" gewesen und könne sich nicht mäßigen, sagte Mützenich im DLF. Er halte Trump nicht für berechenbar und glaube nicht, dass er sich an Verabredungen mit Partnern halte.

Rolf Mützenich im Gespräch mit Peter Kapern | 26.05.2017
    Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich
    Europa wolle weiterhin mit den USA zusammenarbeiten, doch zurzeit müsse man sich darauf konzentrieren, was der europäische Beitrag sein könne, sagte der Rolf Mützenich (SPD) im Deutschlandfunk. (dpa / picture-alliance / Michael Kappeler)
    Zudem pflege Trump einen rüden Umgangston. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende forderte, die Bundesregierung müsse überlegen, wie sie mit dem US-Präsidenten künftig umgehe. Kanzlerin Merkel habe es während ihres Washington-Besuchs offenbar nicht geschafft, Trump deutlich zu machen, was er von deutschen Investitionen habe.
    Mützenich bezeichnete den US-Präsidenten als scheinbar nicht lernfähig und nicht bereit, Vereinbarungen langfristig einzuhalten.
    Der SPD-Abgeordnete lehnte zudem die von Trump geforderte deutliche Steigerung des Verteidigungshaushaltes ab. Zwei Prozent des Bundeshaushaltes in die Verteidigung zu stecken wäre eine "irre Summe".
    US-Präsident Trump hatte die deutsche Handelspolitik auf dem gestrigen NATO-Gipfel Medienberichten zufolge als - Zitat - "sehr schlecht" bezeichnet.

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Mit gemischten Gefühlen dürften die sechs Staats- und Regierungschefs nach Sizilien gereist sein, die sich dort in Taormina mit Donald Trump an einen Tisch setzen. Die meisten waren auch schon in Brüssel dabei, als der US-Präsident seine Breitseite auf die Partner abfeuerte. Geht das jetzt auf Sizilien so weiter, dürften sich die sechs anderen jetzt fragen. Immerhin stehen dort Themen mit Konfliktpotenzial an: der Klimaschutz, die Migrationspolitik und der Kampf gegen den Terrorismus.
    Und bei mir im Studio ist Rolf Mützenich, der stellvertretende Fraktionschef der SPD im Bundestag. Herr Mützenich, Donald Trump ist jetzt seit vier Monaten im Amt, in der Zwischenzeit war da Hoffnung aufgekeimt, dass er außenpolitisch zumindest doch zu einem gewissen Maß an Mäßigung fähig ist. Wie sieht das jetzt nach diesen 24 Stunden von Brüssel aus, wie sehen Sie das?
    Rolf Mützenich: Es war ein denkbar schlechter Auftritt vom US-Präsidenten gewesen und trotz aller Vorbereitung, die ja Ihre Kollegin Klein auch noch mal angesprochen hat, finde ich, haben wir einen US-Präsidenten erlebt, der offensichtlich in manche Dinge unvorbereitet oder provokativ hineingeht und sich überhaupt nicht mäßigen kann, einen rüden Umgangston pflegt und scheinbar auch ein entsprechendes Auftreten.
    "Scheinbar ist Präsident Trump nicht lernfähig"
    Kapern: Nun soll er ja im Gespräch mit Jean-Claude Juncker, dem EU-Kommissionschef, und dem Ratspräsidenten Donald Tusk nach Medienberichten jedenfalls gesagt haben, die Deutschen seien böse, sehr böse sogar, mit Blick auf diesen Handelsbilanzüberschuss. Wir haben gerade gehört, Jean-Claude Juncker versucht das gerade ein wenig einzufangen, dieses Zitat. Aber dennoch, abgesehen vom vermeintlichen oder tatsächlichen Gouvernantenton, den er da anschlägt: In der Sache hat er recht, oder?
    Mützenich: Wenn er das getan haben sollte, dann muss die Bundeskanzlerin sich wirklich fragen, ob ihr Besuch in Washington, wo sie ja auch Unternehmensvertreter mit dabei hatte, die zumindest nach den Verlautbarungen danach Präsident Trump deutlich gemacht haben, was er eigentlich letztlich auch von deutschen Investitionen hat im Hinblick auf Arbeitsplätze, Verlässlichkeit bei den Wirtschaftsdaten, dass das nicht fruchtet.
    Und ich finde, da muss man eben jetzt auch überlegen innerhalb der Bundesregierung und insbesondere an der Regierungsspitze, wie man mit diesen Dingen umgeht. Scheinbar ist er nicht lernfähig und auch nicht bereit, mit Partnern gemeinsame Verabredungen langfristig einzuhalten und auch zu treffen.
    "Wir werden als Sozialdemokraten alles dafür tun, an Prinzipien festzuhalten"
    Kapern: Zu dieser Regierung, wenn ich mich recht erinnere, gehören auch ein Außenminister Gabriel, eine Wirtschaftsministerin Zypries, die beide Ihrer Partei angehören. Also, was ist der Stand der Überlegungen als Reaktion darauf?
    Mützenich: Nun, das müssen wir jetzt auch in den nächsten Tagen noch mal austauschen. Aber zuerst mal ist die Bundeskanzlerin hier gefragt. Sie hat ja unmittelbar nach der Wahl auch erklärt, sie würde ein Wertegerüst einbringen, und letztlich auch eben offensichtlich versucht, die Dinge, die früher zwischen den USA und Europa relativ bestimmt auch möglich gewesen waren, in Verabredungen und insbesondere auch in der Atmosphäre weiterzutragen. Scheinbar klappt das nicht.
    Wir werden als Sozialdemokraten alles dafür tun, dass wir an Prinzipien festhalten, und zum Beispiel Außenminister Gabriel hat ja sehr deutlich gemacht, was er von bestimmten Forderungen vonseiten der US-Regierung hält.
    Kritik am deutschen Handelsüberschuss: "Eine Milchmädchenrechnung von Trump"
    Kapern: Aber noch mal nachgefragt: Was ist denn jetzt mit diesem Handelsbilanzüberschuss? Da hat Donald Trump doch einfach recht, und es gab ja auch mal SPD-Politiker, die darauf hingewiesen haben, dass das nicht langfristig tragfähig ist.
    Mützenich: Aber das ist doch eine viel zu einfache Rechnung. Natürlich muss man sich genau angucken, wie die bilateralen Beziehungen letztlich sind, aber auf der anderen Seite ist es doch sozusagen eine Gewinnsituation für beide Seiten, sowohl was das Investitionsklima betrifft, natürlich auch was den Handel letztlich herausfordert.
    Wir wollen, dass das auf europäischer Ebene – die EU ist für diese Handelsverträge auch zuständig –, wollen wir auch bestimmte Erleichterungen einführen. Aber es ist sozusagen eine Milchmädchenrechnung, die Präsident Trump aufgemacht hat, und wahrscheinlich ist er blockiert aus seinem Wahlkampf, weil er offensichtlich Wählerinnen und Wählern versprochen hat, was er scheinbar nicht einhalten kann.
    "Zwei Prozent wäre eine irre Summe, die in den Verteidigungshauhalt kommen würde"
    Kapern: Hat die Bundesregierung, Herr Mützenich, eigentlich schon auf finanzpolitischen Krisenmodus umgeschaltet, weil sie der NATO oder den USA ja massive Geldsummen schuldet, wie wir gelernt haben?
    Mützenich: Aber das stimmt ja überhaupt nicht. Erstens ist es ein Korridor, der damals in Wales entschieden worden ist, und auf der anderen Seite sage ich sehr klar für die Sozialdemokraten: Wir tragen dieses Ziel, so wie es absolut formuliert wird und scheinbar heute Morgen bei Ihnen im Sender auch vom verteidigungspolitischen Sprecher der Union mitgetragen wurde … das wollen wir nicht.
    Zwei Prozent wäre eine irre Summe, die in den Verteidigungshaushalt kommen würde. Wir reden lieber – und das macht ja auch das Abschlussdokument der NATO deutlich – über Fähigkeiten, über Beiträge. Und da braucht sich Deutschland in der internationalen Politik und auch innerhalb der NATO nicht zu verstecken.
    Kapern: Also, eine SPD-geführte Bundesregierung wäre in dieser Sache bei der NATO nicht vertragstreu?
    Mützenich: Also, ich muss Ihnen erst mal sagen: Erstens ist es kein Vertrag, zum Zweiten ist es eine Verabredung zwischen den Regierungen, über das Budget entscheidet der Deutsche Bundestag und da sollten wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier zumindest der SPD-Fraktion sehr selbstbewusst auftreten.
    Ich glaube, es gibt andere Dinge, wo wir gerade investieren müssen, wenn es um die internationale Politik geht. Humanitäre Hilfe, Entwicklungspolitik und viele andere Bereiche auch, da bin ich bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen.
    "Wir im Parlament tragen keine Verantwortung für eine Regierungsverabredung"
    Kapern: Aber gilt man da nicht im Rahmen der NATO als unsicherer Kantonist, wenn man erst als deutsche Regierung in Cardiff dieses Papier unterzeichnet und dann ein paar Jahre später eine Nachfolgeregierung sagt: Fühlen wir uns nicht dran gebunden!
    Mützenich: Nein, ich trage … Wir im Parlament tragen überhaupt nicht eine Verantwortung für eine Regierungsverabredung. Noch mal, wir wollen eben, dass die Bundeswehr auch fähig ist, insbesondere in Auslandseinsätzen unter dem Dach der Vereinten Nationen, aber auch die Investitionslücken, die es letztlich hier in Deutschland gibt, verursacht immerhin von vielen CDU-Verteilungsministern. Und ich glaube, da tun wir gut daran, keine absoluten Zahlen letztlich auch zu nennen, wie es bei der NATO getan worden ist, sondern entsprechend eben auch der Vorhaben zu agieren.
    Kapern: In welche Richtung würden sich denn die Verteidigungsausgaben dann bewegen? Was würde eine SPD-Regierung dann noch für akzeptabel halten mit dieser Zielsetzung, die da mal beschlossen worden ist?
    Mützenich: Ich würde überhaupt gar keine Summen in diesem Zusammenhang einbringen, sondern ich würde das …
    "Wir wollen, dass die USA sich zu den Regeln der NATO bekennt"
    Kapern: Nennen Sie doch Prozentzahlen!
    Mützenich: Nein, ich würde zum Beispiel das versuchen, was wir ja in dem Haushalt eingesetzt haben. Und Sie müssen eben sehen, die Verteidigungsministerin gibt am Ende des Jahres immer wieder Geld zurück. Ich meine, damit müssen Haushaltspolitiker, damit müssen Verteidigungspolitiker umgehen und scheinbar reicht ja zurzeit das Geld, was wir glauben, was an Fähigkeiten für die Bundeswehr nötig ist.
    Kapern: Meine Kollegin Bettina Klein hat ja gerade in ihrem Bericht aus Brüssel noch mal darauf hingewiesen, dass Donald Trump sich nicht noch mal ausdrücklich zur NATO-Beistandspflicht bekannt hat, obwohl das eigentlich so erwartet worden war. Was ist eigentlich die NATO ohne eine klare sich gegenseitig versprochene Beistandspflicht wert?
    Mützenich: Relativ wenig. Weil, die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und wir wollen eben, dass auch die USA sich zu diesen Regeln letztlich bekennt. Das hat die NATO damals im Zusammenhang mit dem 11. September glaube ich klugerweise auch durchaus getan. Wir haben uns dort gebunden und die Erwartungshaltung gegenüber den USA und einem neuen US-Präsidenten sind hier in diesem Zusammenhang sehr deutlich. Das hat der Generalsekretär versucht, aber scheinbar ist ihm nicht gelungen, aus welchen Gründen auch immer, Präsident Trump von dieser Linie auch zu überzeugen.
    "So wird mit Europa langfristig keine Zusammenarbeit möglich sein"
    Kapern: Was bedeutet das, wenn Trump dieses Bekenntnis verweigert?
    Mützenich: Eine weiterhin sehr schwerwiegende Belastung im transatlantischen Verhältnis, sowohl innerhalb der NATO, weil offensichtlich ja Vorbereitungen, die für diese Reise getroffen wurden und die ja auch tragfähig schienen, von eben dem US-Präsidenten nicht eingehalten werden, und das muss eben schon auch, glaube ich, dann in einem Kreis erörtert werden, wo wir deutlich machen: So wird mit Europa langfristig keine Zusammenarbeit möglich sein.
    Und da kommt viel darauf an, wie sich auch zum Beispiel der französische Präsident mit der Bundeskanzlerin abstimmt in der Möglichkeit, auch wahrscheinlich die europäische Dimension in diesem Zusammenhang viel deutlicher zu machen.
    Kapern: Nun hat Donald Trump ja irgendwann mal gesagt, die NATO sei obsolet, und kurz darauf hat er gesagt, die NATO sei jetzt nicht mehr obsolet. Aber wenn man sich diesen Auftritt da in Brüssel jetzt anschaut: Halten Sie es für ausgeschlossen, dass er vielleicht doch noch mal zu der Erkenntnis kommt, dass die NATO obsolet sei, und dem Bündnis einfach den Rücken zukehrt?
    Mützenich: Ich muss sagen, nach den Tagen … Vielleicht, wenn Sie mich in einer Woche fragen, sehe ich es anders, aber zurzeit bin ich überhaupt nicht hoffnungsfroh, dass dieser US-Präsident rational sowohl berechenbar ist als auch sich an Verabredungen hält.
    Kapern: Und das heißt, die Europäer müssen ihr eigenes Ding machen?
    Mützenich: Nicht ihr eigenes Ding, wir wollen weiterhin auch gerade mit den USA zusammenarbeiten. Aber wenn die Tragfähigkeit nicht ausreicht, müssen wir uns natürlich – und das haben wir in der Vergangenheit auch – sehr stark darauf konzentrieren, was möglicherweise der europäische Beitrag sein kann.
    Kapern: Rolf Mützenich, der stellvertretende Fraktionschef der SPD im Bundestag, heute Mittag hier bei uns im Deutschlandfunk. Herr Mützenich, vielen Dank für den Abstecher in unser Studio!
    Mützenich: Danke, Herr Kapern, für die Einladung!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.