Freitag, 19. April 2024

Archiv

Trumps Einreisedekret
Warum ausgerechnet diese Länder?

Seit dem Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimischen Ländern nimmt die Kritik an US-Präsident Donald Trump nicht ab. Wieso wurden ausgerechnet diese Länder ausgewählt? In den Sozialen Netzwerken kursieren Statistiken, die nahelegen, dass Donald Trump bei seinem Dekret auch an seine Geschäfte gedacht hat. Doch ist da was dran?

29.01.2017
    US-Präsident Donald Trump
    US-Präsident Donald Trump wird für das Einreiseverbot für viele Muslime kritisiert. (AFP / Nicholas Kamm)
    Irak, Iran, Syrien, Libyen, Somalia, Sudan und der Jemen - Menschen aus diesen Ländern dürfen 90 Tage lang nicht in die USA einreisen. Flüchtlingen aus Syrien wird zudem auf unbestimmte Dauer der Zugang zu den USA verwehrt. Betroffen von dem Dekret des neuen US-Präsidenten sind auch Doppelstaatler, womöglich auch Deutsche mit einem zweiten Pass aus einem der Länder, berichtet der Spiegel.
    Doch wie kam es zur Auswahl der betroffenen Länder? Trump begründete das Dekret damit, dass radikale islamische Terrorsiten daran gehindert werden sollten, in die USA zu kommen. Daher fiel die Wahl auf Länder mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Doch natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Länder mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, die nicht auf der Liste stehen. Die meisten Muslime weltweit leben etwa in Indonesien. Auch Saudi-Arabien ist ein rein muslimisches Land. Worauf bezieht sich also die Auswahl? Stammen aus den betroffenen Ländern besonders viele Terroristen? Diese Statistik, die in Sozialen Netzwerken kursiert, widerspricht dem:
    Laut der Tabelle haben Menschen aus den vom Dekret betroffenen Ländern in den Jahren 1975 bis 2015 keinen Amerikaner getötet. Dafür aber Menschen aus anderen Ländern, die jedoch nicht unter das Einreise-Dekret fallen. So kamen 15 der 9/11-Attentäter aus Saudi-Arabien. Sie haben also statistisch gesehen die meisten US-Amerikaner auf amerikanischem Boden getötet. Trotzdem steht das Land nicht auf der Liste.
    Die Statistik lässt die Auswahl Trumps willkürlich erscheinen - oder aber berechnend: Es wird darüber spekuliert, ob Trumps Geschäftsbeziehungen einen Einfluss auf die Auswahl der sieben Länder hatten. Fakt ist, Trump hat geschäftliche Verbindungen in mindestens 20 Länder auf der ganzen Welt - darunter auch welche mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, wie etwa Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Saudi-Arabien ist außerdem schon seit Langem wichtiger strategischer Partner der USA im Nahen Osten.
    Ausweitung eines Obama-Gesetzes?
    Die Auswahl der sieben Länder könnte aber auch einen anderen Hintergrund haben: Es sind genau die Staaten, die von der Obama-Administration 2015 mit Einreise-Restriktionen belegt wurden. Und auf diese Gesetzgebung seiner Vorgänger-Regierung bezieht sich Trump auch in seinem Dekret. Laut dem Gesetz aus dem Dezember 2015 wurde für Menschen aus dem Irak, dem Iran, Syrien und dem Sudan sowie Menschen, die diese Länder in den vergangenen fünf Jahren besucht hatten, eine strengere Kontrolle bei der Einreise angeordet. Das Gesetz wurde später auf Libyen, Somalia und den Sudan ausgeweitet.
    Wie groß ist das Risiko, durch Terror aus dem Ausland zu sterben?
    Das Einreise-Dekret von Donald Trump legt zudem nahe, dass Immigration grundsätzlich ein Sicherheitsrisiko darstellt. Die Studie, die der oben gezeigten Statistik zugrunde liegt, widerspricht dem: Sie hat untersucht,
    • wie viele Terrorakte in den Jahren 1975-2015 von im Ausland geborenen Menschen in den USA verübt wurden
    • welchen Visa-Status diese Terroristen hatten - ob sie also etwa als Tourist, Student oder Flüchtling ins Land gekommen sind
    • wie viele Amerikaner bei den Anschlägen ums Leben gekommen sind
    • und schließlich eine Kostenrechnung: Was kostet der Terrorismus das Land - und in welchem Verhältnis dazu steht der Nutzen der Immigration?
    Die Studie - im vergangenen Jahr von der US-amerikanischen Denkfabrik CATO Institute vorgelegt - listet 154 nicht-amerikanische Terroristen auf, die im Zeitraum von 1975 bis 2015 auf US-amerikanischem Boden Terrorakte verübt haben - unabhängig davon, ob es dabei Todesopfer gegeben hat. 20 von ihnen hatten bei der Einreise einen Flüchtlingsstatus, vier waren Asylsuchende. 54 hatten einen permanenten Aufenthaltstitel. Weitere kamen als Touristen oder Studenten ins Land. Diese 154 Terroristen töteten in den 41 untersuchten Jahren 3.024 Menschen - 98 Prozent davon bei den Anschlägen des 11. September 2001.
    Der Autor der Studie betont, dass die Anschläge vom 11. September zwar ein "schreckliches Verbrechen" gewesen seien - aber eine extreme Ausnahme. In den 41 untersuchten Jahren hatte es insgesamt 768.000 Morde in den USA gegeben - 3.024 davon waren Fälle von Terrorismus durch Ausländer. Im untersuchten Zeitraum war es also 253-mal wahrscheinlicher, ermordet zu werden, als in einem von einem Ausländer verübten Terroranschlag zu sterben.
    Mehr Vorteile als Nachteile durch Migration
    Schließlich kommt der Autor zu dem Schluss, dass Terrorismus zwar eine Bedrohung für die USA sei, gegen die die Regierung weiter vorgehen müsse - etwa mit strengen Kontrollen. Von grundsätzlichen Änderungen der Einwanderungspolitik rät er angesichts der ökonomischen Vorteile durch Immigration im Verhältnis zu den geringen Kosten des Terrorismus aber ab. "Große Änderungen wie ein allgemeines Einwanderungs- oder Tourismus-Moratorium würden viel höhere Kosten verursachen als die Immigration und der Tourismus Vorteile bringen."
    (cvo/stfr)