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Tschechien
Kehrtwende in der Europapolitik

Tschechiens neue Regierung schlägt einen neuen Kurs in der Europapolitik ein. Jahrelang hatte die Republik sich mit ihrem Präsidenten Vaclav Klaus von Europa abgewandt. Der neue Präsident Bohuslav Sobotka kündigte jedoch ein aktives Auftreten Tschechiens in der EU an.

Von Stefan Heinlein | 12.02.2014
    Ein Gipfeltreffen mit seinen europäischen Amtskollegen ist für Lubomir Zaoralek noch keine Routineveranstaltung. Erst seit zwei Wochen ist der Außenminister im Amt. Doch seine Premiere auf dem Brüsseler Parkett lässt aufhorchen:
    "Zehn Jahre nach unserem EU-Beitritt herrscht bei uns immer noch die Vorstellung, das Brüssel so etwas ist wie einst Moskau. Ich will deshalb von Anfang an klar sagen: Wir sind ein Teil der Europäischen Gemeinschaft und werden für ihre Gestaltung Mitverantwortung übernehmen."
    Auch daheim in Prag hat sich der Ton in Richtung Brüssel grundlegend verändert. Jahrelang beherrschte die schrille Kritik von Präsident Vaclav Klaus die europapolitische Grundstimmung in Tschechien. Doch seine Mitte-links-Regierung wird dieses Erbe nicht antreten, so die klare Ansage von Ministerpräsident Bohuslav Sobotka:
    "Wir wollen eine absolut aktive Rolle innerhalb der Europäischen Union. Es geht auch für Tschechien um die Zukunft der weiteren europäischen Integration."
    Schrittweise Rückkehr in die Mitte Europas
    Den Worten sollen schon bald Taten folgen. Alle drei Koalitionsparteien haben bereits ihre Zustimmung zum lange abgelehnten EU-Fiskalpakt signalisiert. Auch die im Zuge des Lissabon-Vertrages von Vaclav Klaus ausgehandelten Ausnahmeregelungen bei der EU-Grundrechte-Charta sollen verschwinden. Tschechien kehrt damit schrittweise zurück in die Mitte Europas, so der Politikwissenschaftler Jiri Pehe:
    "Die neue Regierung plant grundlegende Veränderungen im Verhältnis zur Europäischen Union. Alle Hauptakteure der tschechischen Außenpolitik inklusive des Präsidenten wollen diesen pro-europäischen Wandel."
    Tatsächlich weht auch auf der Prager Burg seit Anfang letzten Jahres ein neuer europapolitischer Wind. Auf dem Amtssitz des Präsidenten flattert erstmals wieder das europäische Sternenbanner. Trotz aller innenpolitischen Hackeleien unterstützt der Präsident die internationale Kehrtwende seines Landes:
    "Die neue Regierung ist europa-optimistisch. Das deckt sich mit meinen Überzeugungen. Der Präsident, der Regierungschef und der Außenminister werden gemeinsam in diese Richtung gehen und sich darüber nicht in der Öffentlichkeit streiten."
    Debatte über Euro-Einführung
    Trotz der neu erwachten Europabegeisterung auf allen Seiten gibt es allerdings auch bereits Differenzen. Während Präsident Zeman und Außenminister Zaoralek die Euro-Einführung in Tschechien bereits in naher Zukunft für möglich halten, tritt Finanzminister Babis deutlich auf die Bremse. Doch nach vielen Jahren der grundsätzlichen Ablehnung der Gemeinschaftswährung gilt in Prag allein die offene Euro-Debatte als Beleg für die beginnende Zeitenwende der tschechischen Europapolitik.