Nach der Veröffentlichung geheimer TTIP-Unterlagen durch Greenpeace ist die EU-Kommission heute in die Offensive gegangen. Man weiß natürlich um das schlechte Image der Freihandelsgespräche gerade in Deutschland – insofern versuchte heute der europäische Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero, die veröffentlichten Dokumente einzuordnen und die Kritik der vielen Nichtregierungsorganisationen daran zu entkräften:
"Bei den konsolidierten Texten werden die jeweiligen Positionen der USA als auch der EU in einem gemeinsamen Dokument gegenübergestellt. Dieses Dokument steht also nicht für ein Verhandlungsergebnis der Gespräche oder eine Übereinkunft der beiden Seiten".
Tatsächlich spiegeln die rund 240 Seiten die jeweiligen Verhandlungspositionen wider, nicht aber bereits erzielte Kompromisse. Von einem Sturm im Wasserglas sprach deshalb heute auch Handelskommissarin Cecilia Malmström und Bercero versuchte dies, an mehreren Beispielen zu verdeutlichen:
"Man kann beispielsweise einen Vorschlag der USA nachlesen. Darin ist von Produkten der modernen Agrartechnik die Rede, vor allem von genveränderte Produkten. Man sieht aber: Dazu gibt es keinen Vorschlag der EU, da stehen leere Klammern. Das macht deutlich: Die EU sieht hier keine Notwendigkeit für einen Vorschlag. Also unsere Verhandlungsposition hat sich hier nicht geändert".
Sven Giegold: TTIP-Befürworter haben verharmlost
Doch viele TTIP-Kritiker sehen sich in den geleakten Dokumenten bestätigt – die USA versuchten mit aller Macht, ihre Interessen gegenüber den Europäern durchzudrücken, sagt etwa der Europaabgeordnete der Grünen, Sven Giegold. Es bestehe eben doch die Gefahr, dass Umwelt- und Verbraucherschutzstandards ausgehöhlt würden:
"Zunächst einmal zeigen die Dokumente, dass nicht die Kritiker überzogen haben, sondern die Befürworter verharmlost. In den Verhandlungen haben offenbar die Amerikaner das Thema Marktzugang für europäische Automobile verknüpft mit besserem Marktzugang für amerikanische Agrarprodukte. Dabei geht es ganz konkret um unsere Standards. Also sei es Gentechnik oder die Frage nach Hormonfleisch".
Außerdem sind die USA nach den jetzt veröffentlichten Papieren nicht bereit, die umstrittenen Schiedsgerichte durch ein transparenteres Modell mit öffentlich bestellten Richtern und Revisionsmöglichkeiten zu ersetzen. Weiterhin gibt es eine Kollision zwischen dem europäischen Vorsorgeprinzip und dem in den USA angewandten Risikoprinzip, wonach zuerst die Schädlichkeit eines Produkts nachgewiesen werden muss, bevor es verboten wird.
"In den Papieren finden sich Positionen der USA, die im Grunde seit langem bekannt sind. Insofern ein Dienst an der Demokratie ja, da ist ein bisschen mehr Transparenz entstanden. Aber der Sensationsduktus, der sich hier eingeschlichen hat, den kann ich überhaupt nicht nachvollziehen", sagt dagegen Alexander Graf Lambsdorff von den Liberalen im Europäischen Parlament.
Chefunterhändler Bercero räumte heute ein, dass sich beide Seiten auch nach der soeben abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde bei den Kernstreitpunkten nicht angenähert hätten. Das betrifft nicht zuletzt das öffentliche Beschaffungswesen, bei dem die EU auf einen besseren Zugang in den USA pocht.