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Türkei
Prozessbeginn gegen "Cumhuriyet"-Journalisten

In der Türkei müssen sich seit heute zwei Journalisten vor Gericht verantworten. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sie persönlich angezeigt, nachdem die beiden eine türkische Waffenlieferung nach Syrien aufgedeckt hatten. Für unabhängige Journalisten wird es in der Türkei immer ungemütlicher.

Von Gunnar Köhne | 25.03.2016
    Can Dündar, Journalist bei der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" kommt vor dem Gericht in Istanbul an.
    Can Dündar, Journalist bei der türkischen Zeitung "Cumhuriyet", muss sich wegen schwerer Vorwürfe vor Gericht verantworten. (picture alliance / dpa / Sedat Suna)
    Die Vorwürfe wiegen schwer: Spionage, Geheimnisverrat, ja sogar Putschversuch. Als Staatsfeinde stehen Can Dündar und Erdem Gül an diesem Karfreitag vor ihrem Richter in Istanbul. Der Staatsanwalt hat eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Can Dündar ist Chefredakteur der oppositionellen Zeitung "Cumhuriyet", Erdem Gül Leiter der Hauptstadt-Redaktion. Die beiden hatten in einem Artikel aufgedeckt, dass der türkische Geheimdienst mehrere Lastwagen mit Waffen nach Syrien schmuggeln wollte. Auch hatten sie über den Verdacht geschrieben, dass diese Waffen an islamistische Kämpfer geliefert werden sollten.
    Präsident Erdogan persönlich hatte daraufhin Strafanzeige gegen die Redakteure gestellt. Das sei kein Journalismus, das sei Spionage, so Erdogan. Ein gutes Vierteljahr saßen die beiden Journalisten in Untersuchungshaft. Anfang März kamen sie durch eine Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts wieder auf freien Fuß. Staatspräsident Erdogan machte dennoch klar: Er will die beiden Journalisten hinter Gittern sehen. "Dieser Fall hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun. Dies ist ein Spionage-Prozess. Das Verfassungsgericht mag ein solches Urteil gefällt haben. Ich kann diesem Urteil gegenüber nur schweigen. Aber ich muss es nicht akzeptieren. Das sage ich ganz offen. Ich füge mich diesem Urteil nicht und ich respektiere es auch nicht."
    Auch Spiegel-Korrespondent musste abreisen
    Die Türkei habe die freieste Presse der Welt, entgegnet Erdogan seinen Kritikern. Tatsächlich aber nimmt die Türkei bei der Pressefreiheit laut Organisation "Reporter ohne Grenzen" inzwischen Rang 149 unter 180 Staaten ein. Kritische Journalisten werden mit Klagen überzogen, oppositionelle Zeitungen unter Vorwänden unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Und mmer wieder scheint es Erdogan persönlich zu sein, der durch öffentliche Bemerkungen die Strafverfolgung einzelner Redaktionen oder Journalisten in Gang setzt. So hatte er Can Dündar vor dessen Verhaftung prophezeit, er werde für den Artikel über die Waffenlieferungen büßen müssen.
    Und auch Korrespondenten ausländischer Medien werden von Erdogan persönlich ins Visier genommen: So beschwerte er sich in einer Rede über einen Artikel des Spiegel-Korrespondenten Hasnain Kazim. Der hatte vor eineinhalb Jahren kritisch über das Grubenunglück von Soma berichtet. Kazims Akkreditierung wurde für dieses Jahr nicht verlängert. Er musste Istanbul verlassen.
    Schlechte Zeiten für unabhängige Journalisten
    Noch kann man sich in der Türkei über einige wenige Zeitungen und Internetportale regierungsunabhängig informieren. Doch je größer die politischen Spannungen im Land werden, je gewalttätiger vor allem der Kurdenkonflikt ausgetragen wird, desto größer wird der Druck auf die Journalisten.
    Staatspräsident Erdogan hat nach den jüngsten Anschlägen militanter Kurden denjenigen Medien gedroht, die eine andere Kurdenpolitik fordern: "Das hat nichts mit Menschenrechten, Meinungsfreiheit oder Demokratie zu tun. Wer den Terror gegen Unschuldige auch nur indirekt unterstützt, ist selbst nichts anderes als ein Terrorist. Der schreibt doch bloß seine Meinung, heißt es dann. Das mag so sein, aber mich interessiert das nicht. Wer mit seinem Stift den Terror unterstützt, der bekommt es mit mir zu tun."