Dienstag, 19. März 2024

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Türkisch-Islamische Union
"Ditib ist Gefangene im eigenen Haus"

Nach der Pressekonferenz des neuen Ditib-Vorstands in Köln glaubt Bezirksbürgermeister Josef Wirges nicht an einen Neuanfang der Türkisch-Islamischen Union. Die Ditib sei ferngesteuert, sagte Wirges im Dlf. Selbst Migrantenfamilien gehe der Einfluss des türkischen Präsidenten in Deutschland zu weit.

Josef Wirges im Gespräch mit Christiane Kaess | 17.01.2019
    Die Moschee der Ditib in Köln.
    Noch immer ein Kritikpunkt: Bei der Einweihung der großen Ditib-Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld zwar der türkische Staatspräsident Erdogan zu Gast war, aber kein deutscher Politiker (dpa-Bildfunk / Oliver Berg)
    Christiane Kaess: Der Islam-Dachverband Ditib in Deutschland ist immer wieder scharfer Kritik ausgesetzt. Der Vorwurf, die Ditib werde vor allem vom türkischen Staat gesteuert und dessen Werten und Interessen. Ende 2016 wurde außerdem bekannt, dass Ditib-Imame in deutschen Moscheen türkische Regimegegner ausspioniert haben sollen. Dann war die Verärgerung wieder groß, dass bei der Einweihung der großen Ditib-Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld zwar der türkische Staatspräsident Erdogan zu Gast war, aber kein deutscher Politiker.
    Und zuletzt gab es Empörung darüber, dass an einer internationalen Konferenz in der Moschee auch radikale Vertreter von den Muslim-Brüdern teilnahmen. Gestern hat die Ditib einen Neustart versucht. Zumindest sollte es das in ihren Augen sein, als der neue Vorsitzende Kazim Türkmen auf einer Pressekonferenz in Köln einen Neuanfang ankündigte.
    Am Telefon ist jetzt Josef Wirges von der SPD. Er ist Bezirksbürgermeister von Köln-Ehrenfeld, dem Stadtteil, in dem die Ditib-Zentralmoschee steht. Guten Morgen, Herr Wirges.
    Josef Wirges: Guten Morgen.
    Kaess: Herr Wirges, Sie haben sich ja schon oft über die Ditib geärgert. Glauben Sie denn an einen echten Neustart?
    Wirges: Das ist nach dieser Pressekonferenz noch weniger der Fall. Ich meine, Ditib ist eine Gefangene im eigenen Haus, um es mal so auszudrücken. Wenn gesagt worden ist auf der Pressekonferenz, mit dieser Islam-Konferenz hätte Ditib ja nichts zu tun gehabt, weil das wäre ja Sache der Diyanet gewesen, Ditib hätte ja nur die Räume bereitgestellt, dann frage ich mich, …
    Kaess: Sie sagt, Ditib war nur Gastgeber.
    Wirges: Ja, war Gastgeber, hat die Räume bereitgestellt. So wird ja der Vorsitzende zitiert, Herr Türkmen. Dann frage ich mich natürlich als Hausherr, als ein Verein nach deutschem Vereinsrecht kann ich auf meinem Grundstück natürlich sagen, ich möchte so eine Konferenz aus den verschiedenen Gründen nicht in meinem Einflussbereich, auf meinem Grund und Boden haben, das möchte ich nicht.
    So ein Ansinnen würde natürlich Ditib gegenüber der Diyanet niemals aussprechen, weil die enge Beziehung, die ja auch nicht geleugnet wird, zwischen dem Religionsministerium und dem deutschen Verein ja keinen Spielraum zulässt. Deshalb bleibe ich dabei: Die Ditib ist Gefangene im eigenen Haus. Das ist problematisch, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass der neue Vorsitzende - ich habe ihn noch nicht kennengelernt; ich hoffe, dass er auch zu mir kommt und seinen Antrittsbesuch absolviert, der Herr Türkmen -, dass er dann auch einmal dazu Stellung nimmt, wenn ich ihn befrage. Das ist das Problem, was wir haben.
    Kazim Türkmen (l), neu gewählter Vorstandsvorsitzender der Ditib, spricht auf einer Pressekonferenz neben seinen Stellvertretern, Ahmet Dilek (M) und Emine Secmez (r). Der Islamverband Ditib, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, hat seinen neuen Vorstand vorgestellt.
    Kazim Türkmen (l), neu gewählter Vorstandsvorsitzender der Ditib (dpa/Oliver Berg)
    "Ditib kann einladen, wen sie möchte"
    Kaess: Herr Wirges, Sie gehen jetzt gleich auf diesen Vorwurf zu dieser internationalen Konferenz. Man könnte ja auch sagen, die Ditib kann doch reden, mit wem sie will, sie muss doch da nicht um Erlaubnis fragen.
    Wirges: So ist es! Selbstverständlich kann sie das. Aber er hat jetzt ja auch eine Einschränkung gemacht, indem er gesagt hat, da haben wir nichts mit zu tun, das hat die Diyanet gemacht. Ja was ist das denn für eine Art?
    Kaess: Die türkische Religionsbehörde.
    Wirges: Natürlich. Dann soll man doch ehrlich sein. Ich kann auf meinem Grund und Boden einladen, wen ich möchte. Ich meine, der Vergleich ist kein Vergleich, aber es gibt ja Gruppierungen und Parteien, die laden sich oft Leute ein, wo wir sagen, um Gottes willen, was ist da denn los. Rechtlich ist das sauber und richtig.
    Wir haben ja auch eine Religionsfreiheit, wo sich auch und gerade über Jahre deutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Köln immer wieder schützend vor die Baustelle unserer Moschee gestellt haben, um gegen die Braunen, gegen Pro Köln, wie sie alle hießen, da gegenzuhalten. Ich denke, das zeichnet unseren Staat aus.
    Dann kann ich nicht umgekehrt hingehen und kann dann sagen, das sind andere, da haben wir nichts mit zu tun. Zwei Leute von islamistischen Gruppierungen wie die Muslim-Brüder etc. sind schon zwei zu viel auf so einer Konferenz. Das politische Signal, das ist das Entscheidende.
    Gläubige beim Freitagsgebet in der Ditib-Merkez-Moschee in Duisburg.
    Gläubige beim Freitagsgebet in der Ditib-Merkez-Moschee in Duisburg. (dpa / picture-alliance)
    "Der Riss geht quer durch die Migrantenfamilien"
    Kaess: Dazu sagt aber die Ditib, sie versteht sich als Brückenbauer zwischen allen Strömungen im Islam. Und wie soll sie denn diese Rolle einnehmen, wenn sie dann diese ganz konservativen Strömungen außen vor lässt?
    Wirges: Allein die Tatsache, dass das einfach so, ohne dass wir überhaupt davon in Kenntnis gesetzt worden sind. Wenn man Transparenz und Klarheit einfordert, dann muss man auch im Sinne eines vernünftigen Miteinanders sagen: Hallo, ihr seid die Vertreter der Kölner Stadtgesellschaft, jetzt als Beispiel, wir haben vor, hier eine Konferenz zu machen, so und so.
    Dann hätte ich sicherlich in einem Vier-, Sechs- oder Acht-Augen-Gespräch gesagt, das finde ich problematisch, solche Menschen einzuladen. Das fördert nicht das Zusammenleben der Menschen hier bei mir im Veedel. Es ist ja nicht so, dass es jetzt eine Islamophobie gibt. Die haben wir, natürlich, aber ich lasse mir zum Beispiel dieses Etikett in keinster Weise anheften. Das ist schon fast eine Unverschämtheit, gerade wo wir uns immer vor Ditib gestellt haben. Das ist eine Schutzbehauptung.
    Und vor allen Dingen: Das Gegenteil ist doch der Fall. Bei solchen Geschichten wird noch mehr Misstrauen mit der Kölner Stadtgesellschaft, mit den Menschen geschürt. Und vor allen Dingen: Viele muslimische Menschen - das weiß ich aus vielen Einzelgesprächen -, die nicht genannt werden wollen, haben Angst, weil der Riss geht da auch quer durch die Migrantenfamilien. Die sind auch nicht damit einverstanden, dass der Erdogan hier so massiv Einfluss nimmt in Köln.
    Recep Tayyip Erdogan spricht bei der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee. Er hebt die Hände.
    Recep Tayyip Erdogan bei der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee Ende September 2018 in Köln. (dpa / Henning Kaiser)
    "Das geht gar nicht"
    Kaess: Das ist genau der zweite Vorwurf, der gestern auch angesprochen wurde, um die Moschee-Eröffnung herum. Jetzt haben wir in dem Bericht gehört, Bundespräsident Steinmeier sei für die Moschee-Eröffnung in Köln angefragt gewesen, sagt die Ditib, aber sie habe nie eine Antwort bekommen.
    Und wir haben es auch gerade gehört: Das Bundespräsidialamt sagt, wir haben diesen Termin aus Termingründen schriftlich abgesagt. Ist damit aber zumindest der Vorwurf entkräftet, die Ditib habe sich nicht bemüht, deutsche Politiker einzuladen?
    Wirges: Ja, das mag sein. Ich kenne diese Verhandlungen nicht. Das ist ja auch auf hohem diplomatischen Parkett passiert. Sicherlich denke ich, dass es falsch war, einseitig, dass ein Regierungschef eines Staates, der ja, sage ich mal, auch politische Ambitionen hat, Mittelzentrum in seinem Gebiet, rund um seine Republik oder die Türkische Republik zu werden, dass der natürlich auch ganz andere Ambitionen hat und dafür natürlich auch die Zustimmung vieler Menschen, die einen türkischen Migrationshintergrund haben, auch in Deutschland dann für sich vereinnahmen kann. Das hat mich immer schon geärgert.
    Wissen Sie, stellen Sie sich doch mal vor, eine deutsche Regierung würde mit einem deutschen Ministerium bei einem türkischen Verein eine Veranstaltung abhalten mit zweifelhaften, sage ich mal, deutschen Politikern. Was würde dann die türkische Regierung, der Staatspräsident sagen. Das geht gar nicht! Mit Recht würden die das auch sagen dürfen und können.
    Kaess: Das heißt, wenn ich Sie da richtig verstehe, auch der Vorwurf ist für Sie eigentlich nach der PK gestern nicht entkräftet.
    Wirges: Nein.
    "Das wäre eher eine peinliche Veranstaltung zurzeit"
    Kaess: Schauen wir noch mal auf dieses Thema Neustart. Die Ditib hat gestern auf der Pressekonferenz angekündigt, dass sie im April rund um die Moschee für die Kölnerinnen und Kölner ein Fest veranstalten will. Wissen Sie davon?
    Wirges: Selbstverständlich! Ich sagte doch, ich habe zwei wichtige Gespräche mit Vertretern von Ditib geführt. Das letzte war am 19.12. vergangenen Jahres. Da ging es auch um dieses Straßenfest.
    Kaess: Da arbeiten Sie durchaus zusammen? Da gibt es eine Kooperation?
    Wirges: Da habe ich am 19.12. gesagt, wir treffen uns nächste Woche wieder bei Ditib. Diesen Termin habe ich schriftlich per E-Mail vom gestrigen Tage gecancelt. Da kannte ich noch nicht das Ergebnis der Pressekonferenz. Das nur nebenbei. Das heißt, ich werde nicht diesen Termin wahrnehmen. Es macht für mich zurzeit keinen Sinn, über ein Straßenfest organisatorischer Art etc., Ausgestaltung zu diskutieren und Hilfestellung zu leisten als Bezirksbürgermeister, wenn ich weiß, dass die Mehrheit der Stadtgesellschaft in meinem Veedel, im Stadtbezirk Ehrenfeld - wir haben rund 180.000 Einwohner; es ist ja nicht nur der Stadtteil Ehrenfeld, sondern der Bezirk Ehrenfeld.
    Da liege ich richtig, wenn ich sage, da kommen sehr wenige hin, oder es wird sogar gegen Erdogan demonstriert. Das wäre eher eine peinliche Veranstaltung zurzeit, sondern wir müssen jetzt langsam versuchen, da auch einmal Klartext zu reden, und ich denke mal, die Chance ist nur dann gegeben, wenn Ditib auch im Sinne dessen, dass sie gerne Körperschaft des öffentlichen Rechts werden – das ist ja nicht so einfach, wenn man ferngesteuert ist -, dann ist es ein Problem. Es gibt da klare Vorgaben. Es gibt natürlich auch Staatsverträge.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.