Der monatelange Poker um die TV-Rechte für die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen ist beendet. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) hat sich mit der FIFA eine grundsätzliche Vereinbarung getroffen. Damit werden ARD und ZDF die Partien übertragen. Demnach ist der drohende TV-Blackout abgewendet, fünf Wochen vor dem Beginn des Turniers in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August). Zuvor hatte es über Monate in gleich fünf großen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, Streit mit der FIFA über die Rechtekosten für die TV-Übertragung gegeben.
Warum gibt es Streit um die TV-Rechte für die Frauen-WM?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen gibt es ein Novum: Erstmals werden die TV-Rechte abgekoppelt von dem Männer-WM-Turnier und nicht wie sonst als Gesamtpaket verhandelt. Diese neuen Verhandlungen gestalten sich schwierig, da FIFA-Präsident Gianni Infantino höhere Zahlungen von den öffentlich-rechtlichen Sendern fordert, als diese bereit sind zu zahlen.
Außerdem findet das Turnier aus europäischer Sicht in einer ungünstigen Zeitzone statt - nämlich in Australien und Neuseeland. Die Spiele finden aufgrund der Zeitverschiebung in den frühen Morgen- und Vormittagsstunden statt, die Anstoßzeiten liegen zwischen 3 Uhr nachts und 14:30 Uhr. Diese ungewöhnlichen Spielzeiten erschweren die Vermarktung und Refinanzierung des Turniers. Daher halten sich auch die privaten Sendeanstalten bisher mit Angeboten zurück.
Wie argumentiert die FIFA, wie die Sender?
FIFA-Präsident Gianni Infantino sieht in der Vermarktung neues wirtschaftliches Potenzial, argumentiert aber mit dem Thema Gleichberechtigung. Beim FIFA-Kongress Mitte März 2023 in Kigali warf er den Rundfunkanstalten vor, den Frauen im Vergleich zu den Männern nur ein Zehntel der Zahlungen anzubieten, obwohl die Zuschauerzahlen kaum niedriger seien. Infantino sprach in diesem Zusammenhang auch von einer angemessenen Wertschätzung des Frauenfußballs.
Die Angebote aus den fünf großen europäischen Ländern seien immer noch sehr enttäuschend und einfach nicht akzeptabel. Infantino drohte zwischenzeitlich sogar mit einem "Blackout" für europäische Sender bei der WM.
Im weiteren Verlauf äußerte sich die FIFA aber auch zu einem möglichen Plan B. Der Weltverband teilte mit, dass er weiterhin Übertragungen im öffentlichen Fernsehen bevorzuge. Sollten die Verhandlungen mit den Sendern scheitern, könnte das Turnier aber auch auf der hauseigenen Streaming-Plattform übertragen werden. Es werde keinen Blackout geben, hieß es von der FIFA.
DFB-Vizepräsidentin Celia Sasic betonte nochmals, dass die Übertragung des Turniers im klassischen Fernsehen "sehr, sehr wichtig für den Frauenfußball und für die gesamte Entwicklung" sei. Man müsse die Sichtbarkeit hochhalten, sagte die ehemalige Nationalspielerin.
Am Mittwoch (14.06.2023) wurde jetzt bekannt: ARD und ZDF haben sich mit der FIfa geeinigt. Demnach können die Fans in Deutschland die WM-Spiele doch live auf den öffentlich-rechtlichen Plattformen verfolgen: "Ich freue mich sehr, dass wir dem Frauenfußball nun auch in diesem Jahr die Bühne bieten können, die die Spielerinnen und das Publikum verdienen", sagte ARD-Sportrechte-Intendant Tom Buhrow zu der Einigung.
Für den wichtigen britischen TV-Markt hatte sich bereits kurz zuvor eine Lösung der festgefahrenen Verhandlungen angedeutet. Mehrere Medien, darunter "Bloomberg" und "Evening Standard" berichteten am Dienstag (13.06.2023) über eine bevorstehende Einigung mit der FIFA. Demnach sollen die staatliche BBC und der Privatsender ITV die Rechte für die WM gemeinsam erwerben, für einen Betrag zwischen sieben und acht Millionen Pfund.
In Deutschland standen ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky und ZDF-Sportchef Yorck Polus den Forderungen der FIFA nach einem höheren Erlös bei den Medienrechten im Vergleich zu den vergangenen Turnieren skeptisch gegenüber. Im Zuge des Streits hatten sie auch die dramatische Unsicherheit bei der Planung für beide Sender beklagt. "Es gibt eine Liste mit festen Terminen, die wir erstellt haben, und der Druck seitens unserer Produktion lastet nicht nur auf unseren Schultern, sondern sie drückt uns von hinten, denn für sie wäre es eine regelrechte Katastrophe."
Verhandlungen im eigentlichen Sinne habe es lange gar nicht gegeben, sagte in der ARD für Sportrechte zuständige WDR-Intendant Tom Buhrow bei der Sportministerkonferenz am 12. Mai: "Herr Infantino trompetet in der Öffentlichkeit herum und versucht, Druck, moralischen Druck auf uns auszuüben. So nicht. Wir sind stolz, dass wir dem Fußball, dem Frauenfußball jahrzehntelang eine Bühne geboten haben, dass wir ihm helfen konnten, ihn mit großzumachen. Wir wollen das auch weiterhin tun, aber wir müssen eben auch die Kirche im Dorf lassen. Und das sieht Herr Infantino offenbar nicht ein.“
Um welche Summen geht es?
Bisher gab es keine offiziellen Angaben zu den Verhandlungen. Laut dem Sportmagazin Kicker hätten ARD und ZDF jeweils 5 Millionen Euro geboten, während die FIFA 10 Millionen Euro von den Sendern verlangt. Diese Informationen wurden jedoch nicht bestätigt. Zum Vergleich: Bei der Männer-WM in Katar wurden 214 Millionen Euro gezahlt.
SPD-Medienpolitikerin Heike Raab verdeutlichte im Dlf die Schwierigkeiten im Verhandlungspoker: Einerseits sei es eine gesellschaftliche Aufgabe, diese WM zu zeigen. Andererseits müsse auch das Interesse der Beitragszahler gewahrt bleiben, denn "es liegt nahe, dass es hier um Gewinnmaximierung geht. Und deshalb will ich sofort das sagen: Die FIFA trägt auch die Verantwortung für den Fußball insgesamt und nicht nur für die eigene Profitgier."
Was fordert die Politik?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die anderen für Sport zuständigen Ministerinnen und Minister aus den für die WM qualifizierten europäischen Ländern Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien setzen sich gemeinsam für eine schnelle Einigung bei den Verhandlungen zur TV-Übertragung der Frauen-Fußball-WM ein.
Angesichts der bevorstehenden WM in Australien und Neuseeland betonen sie die Bedeutung des Turniers und fordern alle Beteiligten auf, eine Lösung zu finden. Sie seien sicher, "dass die FIFA und unabhängigen Fernsehsender gemeinsam Wege und Mittel finden werden, um diesem Wettbewerb eine angemessene Bühne zu bieten".
Olivia Gerstenberger, Jessica Sturmberg, dpa