Sonntag, 28. April 2024

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TV-Serie "Die Neue Zeit"
Frauen und Freiheit am Bauhaus

Die öffentlich-rechtliche Fernsehserie „Die Neue Zeit“ erzählt von der Gründung des Bauhaus' vor 100 Jahren und nimmt dabei Frauen, Freiheitskampf und ein zerrissenes Deutschland zu Beginn der Moderne in den Blick. Alles in allem: Starkes Historiendrama - mit einer kleinen Schwäche.

Von Julian Ignatowitsch | 05.09.2019
Fotografie von Walter Gropius, der leicht zur Seite schaut.
Walter Gropius, das Original (picture alliance / akg-images / Louis Held)
"Bitte begrüßen Sie mit mir, Herrn Walter Gropius."
Er wurde im Sommer 1919 zum Direktor der Weimarer Kunstakademie ernannt. Mit dem Ziel, die modernste Kunsthochschule der Welt zu errichten: das Staatliche Bauhaus.
"Ich sage es ganz deutlich: Ich stehe und kämpfe für die radikale Kunst."
Bauhaus-Gründer Walter Gropius verfolgte dabei anfangs auch ein emanzipatorisches Anliegen:
"Wie ich sehe, haben sich auch viele Frauen bei uns eingefunden, um hier zu studieren - und das freut mich ganz besonders."
Frauen wie: Dörte Helm.
Rebellische Ideen
Eine junge Studentin - die gegen den Willen ihres konservativen Vaters am Bauhaus studierte und dort innovative, liberale, ja rebellische Ideen kennenlernte.
"Denn wir sind die Werkzeuge eines neuen revolutionären Weltgedankens."
Hier Star-Architekt Gropius (gespielt von August Diehl), dort die unbekannte Künstlerin Helm (gespielt von Anna Maria Mühe), beide am Bauhaus: Die Serie "Die Neue Zeit" erzählt an ihrem Beispiel von den Konflikten und Umbrüchen in Kultur, Politik und Gesellschaft zu Beginn der Moderne sehr anschaulich:
Wie die konservativen Eliten der Hauptstadt sich von den freigeistigen Kunstrevolutionären am Bauhaus bedroht fühlten; wie Rassismus und Faschismus in der Weimarer Republik nach und nach an Einfluss gewannen; wie Gropius in einem fortwährenden diplomatischen Balanceakt versuchte, sein Lebensprojekt am Leben zu halten; und wie die Frauen plötzlich doch wieder in der Küche standen und für die Männer kochten - in der Kunst blieb ihnen nur die Weberei in einer eigenen Frauenklasse.
Regisseur und Drehbuchautor Lars Kraume (unter anderem "Der Staat gegen Fritz Bauer" und "Das schweigende Klassenzimmer") zeigt einmal mehr, dass er es glänzend versteht, BRD-Geschichte in kluge Fernsehunterhaltung zu kleiden. Dass seine Frau, die Kunsthistorikerin Lena Kiessler, am Skript mitgeschrieben hat, war sicher hilfreich.
Fiktion kommt dort dazu, wo geknutscht und getanzt wird, in den Studentenstuben und Klassenzimmern, wo sicher nicht alles so pointiert ablief, wie es die Serie zeigt. Aber das dient Plot und Vorstellung.
Rebellische Frauen
Studentin Helm rebelliert also gegen ihren Mentor und Liebhaber - das ist so eine Fiktion - Gropius. Das Thema Emanzipation ist in der Serie sehr wichtig, meint Schauspielerin Mühe:
"Die ganzen Szenen zwischen Gropius und Dörte Helm im Büro sind sozusagen wegweisend, glaube ich, für viele Diskussionen, die wir auch heute noch teilweise führen. Also dass Dörte Helm sich weigern musste, nicht in der Webereiklasse zu sein, nur weil da alle Frauen sind, und alle Männer gefühlt die guten, die spannenden Sachen machen dürfen – was ich übrigens selber auch so empfunden habe, weil, ich musste Weben lernen und fand das wirklich grässlich – ist ja heute die Diskussion die gleiche im Sinne, dass die Frauen die gleiche Arbeit machen wie die Männer und trotzdem schlechter bezahlt werden."
Dominate Männer
So gibt die Serie den Frauen am Bauhaus - wie schon die ARD-Doku "Bauhausfrauen" oder diverse Buchveröffentlichungen in diesem Jahr - eine Stimme. Nur störend dabei, dass diese Stimme männlich, nämlich Gropius’ Stimme ist, der die Geschichte in einer Rahmenhandlung als Rückblick einer Journalistin anvertraut. Hier hätte der weibliche Blick der Erzählung gut getan und mehr Authentizität verliehen. Obwohl, so zeigt man die Bauhaus-Geschichte eben auch, als das, was sie war: nämlich männerdominiert.
Alles in allem ist die Serie "Die neue Zeit" starkes deutsches Historiendrama, auf dem Niveau der besten Produktionen der vergangenen Jahre, wie "Babylon Berlin" oder "Ku’damm 56" und "59".
Gut gemacht, historisch valide und so informativ wie eine Kunstgeschichtsvorlesung - eine sehr unterhaltsame!