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Ukraine-Konflikt
Erst die Wahl, dann das Referendum

Eine der ersten Amtshandlungen der Kiewer Übergangsregierung war die Festsetzung von Präsidentschaftswahlen und wenig später eines landesweiten Referendums. Verfassungsrechtler bezweifeln, dass Wahl und Referendum gleichzeitig möglich sind. Zudem ist unklar, was genau überhaupt Gegenstand einer Volksabstimmung sein soll.

Von Sabine Adler |
    Die Flagge der Sowjetunion ist vor dem Regionalparlament in Simferopol gehisst.
    Die Flagge der Sowjetunion ist vor dem Regionalparlament in Simferopol gehisst. (dpa / Markku Ulander)
    Haben der Übergangspräsident und die -regierung den Mund zu voll genommen? Die Präsidentschaftswahl, die die Aufständischen in der Ostukraine verhindern, ist aus Sicht der Verfassungsrechtler möglich, ein Referendum dagegen nicht. Eine solche Volksabstimmung jetzt zusammen mit der Präsidentschaftswahl würde das Gesetz verletzen, sagt der Jurist Igor Koljuschko.
    "Ein landesweites Referendum kann laut Gesetz so lange nicht abgehalten werden, wie die Präsidentschaftswahlen nicht stattgefunden haben. Denn ein solches Referendum kann nur der Präsident anberaumen, nicht der Vorsitzende des Parlaments, der als Übergangspräsident ernannt wurde. Artikel 106 der Verfassung besagt, dass ein Referendum nur ein rechtmäßig gewählter Präsident festsetzen kann."
    War schon die Absetzung von Viktor Janukowitsch verfassungsrechtlich angreifbar, soll sich dies mit dem Referendum keinesfalls wiederholen.
    Immerwährender Quell des Unmuts
    Die Zentralregierung in Kiew ist für die Regionen zweifellos ein immerwährender Quell des Unmuts, die Verfassung sieht aber bislang die lokale oder regionale Selbstverwaltung nicht vor – ein Überbleibsel aus sowjetischen Zeiten. Bei der öffentlichen Parlamentsanhörung diese Woche interessierten sich die Abgeordneten für den Termin des Referendums und seine mögliche Verschiebung nicht wirklich, sie diskutierten die nötigen Veränderungen.
    Waleri Pisarenko von der Partei der Regionen will, dass die Gouverneure künftig gewählt werden, in einer öffentlichen Abstimmung und die Regionen über ihre Finanzen autonom entscheiden.
    Wjatscheslaw Soboljow von der Vaterlandspartei möchte nicht die Gebietsverwaltungen, sondern die Städte und Gemeinden mit so vielen Vollmachten wie möglich ausstatten. Übergangspräsident und Premier drücken weiter aufs Tempo. Das kann gut sein für die weitere Vorbereitung der neuen Verfassung, doch ein Referendum schon am 15. Juni, der jetzt als neues Datum im Gespräch ist, wäre vermutlich immer noch nicht erlaubt.
    "Ein Referendum am 15. Juni wäre theoretisch möglich, aber nur, wenn es bis dahin einen Präsidenten gibt."
    Fehlender Verfassungsentwurf
    Was kaum zu schaffen sein dürfte, denn auf diesen Tag könnte erst einmal die Stichwahl fallen, sofern keiner der Kandidaten bereits im ersten Wahlgang die nötigen 50 Prozent erreicht hat. Zudem müsste ein Verfassungsentwurf nicht nur endlich ausgearbeitet und diskutiert, sondern auch vom Verfassungsgericht abgesegnet sein. Wenn die Verfassungsrechtler jetzt also auf die Bremse treten, dann dürfte das weder die Regierung in Kiew erfreuen, noch die sogenannten Separatisten in der Ostukraine, die ihre Volksrepubliken Russland einverleiben wollen, und ebenso wenig Moskau, dass der Ukraine nicht nur Russisch als zweite Amtssprache in die neue Verfassung schreiben will, sondern auch eine Föderalisierung.
    "Mir ist unklar, was der Gegenstand des Referendums sein soll. Alle reden über irgendein Referendum, diese Terroristen oder Separatisten, die sich in Donezk vor die Kameras stellen. Aber keiner sagt, worüber es eigentlich sein soll? Welche Fragen sollen damit beantwortet werden?"
    Wenn so viele so Unterschiedliches mit der gleichen Abstimmung beabsichtigen, dürfte die Erarbeitung der Fragen der allerschwerste Part werden, mutmaßt der Verfassungsrechtler Igor Koljuschko. Premier Jazeniuk will am 25. Mai statt eines Referendums eine landesweite Umfrage durchführen lassen, vorausgesetzt die Wahl findet überhaupt statt.