Sonntag, 12. Mai 2024

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Ukraine
"Nicht mit Moskaus Unterstützung fortfahren"

Ein klares Signal gegen eine Aufnahme der Ost-Ukraine in die Russische Förderation fordert Elmar Brok. Präsident Putin müsse deutlich machen, dass ein entsprechender Antrag von moskautreuen Separatisten nicht angenommen werde, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament im DLF.

Elmar Brok im Gespräch mit Peter Kapern | 13.05.2014
    Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, spricht auf dem 25. Bundesparteitag der CDU in Hannover.
    Der CDU-Politiker Elmar Brok ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments. (dpa picture alliance / Bernd Von Jutrczenka)
    Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, dass sich an dem für morgen geplanten Runden Tisch in Kiew alle Konfliktparteien beteiligen sollten - auch diejenigen, die möglicherweise in Gewalt verstrickt waren. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (CDU) müsse Druck auf die Übergangsregierung ausüben, auch diese Kräfte als Gesprächspartner zu akzeptieren. Nur so gebe es die Chance, die Einheit der Ukraine zu bewahren.
    Scharfe Kritik äußerte Brok an Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem Linken-Politiker Gregor Gysi. Dass die Europäische Union an der Ukraine gezerrt habe, sei "Geschwätz", das mit der historischen Wahrheit nichts zu tun habe. Er betont weiter, dass am 25. Mai den Bürgern die Chance gegeben werden soll eine Entscheidung über ihr Land zu treffen - "nicht Moskau, nicht Brüssel, nicht Washington" solle entscheiden. Ende Mai soll in der Ukraine die nächste Präsidentschaftwahl staattfinden.

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Was tut man, wenn man von einem Gesprächspartner gravierende Zugeständnisse erreichen will? Man überschüttet ihn zunächst einmal mit Lob, und so hat es auch Außenminister Steinmeier gehalten, als er heute vom ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk in Kiew begrüßt wurde.
    O-Ton Frank-Walter Steinmeier: "Die Lage insbesondere in der östlichen Ukraine ist nach wie vor gefährlich und bedrohlich. Umso mehr haben wir Respekt, Herr Ministerpräsident, vor der Arbeit, die Sie und Ihr Kabinett in dieser schwierigen Umgebung tun."
    Kapern: Steinmeier will Jazenjjuks Zustimmung zu einem Runden Tisch, an dem auch Vertreter der abtrünnigen Regionen im Osten der Ukraine sitzen sollen.
    Wie lassen sich nach den sogenannten Referenden im Osten der Ukraine die Wahlen vom 25. Mai retten? Die EU-Außenminister haben gestern beschlossen, unter der Federführung der OSZE in Windeseile nun alle Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen. Diesen Vorstoß erläutert der Bundesaußenminister heute in Kiew der ukrainischen Übergangsregierung.
    Bei uns am Telefon der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. Guten Tag!
    Elmar Brok: Guten Tag, Herr Kapern.
    Kapern: Herr Brok, die alles entscheidende Frage scheint doch zu sein: Wer soll die abtrünnigen Regionen des Ostens der Ukraine an diesem Runden Tisch vertreten. Haben Sie da einen Vorschlag?
    Brok: Ich glaube, dass nahezu alle daran teilnehmen sollten, wenn nicht alle. Es muss ein Dialog sein, der inclusive ist, der also alle einbezieht, der dafür Sorge trägt, dass wirklich eine Chance besteht, eine Übereinstimmung zu erzielen, die eine Einheit der Ukraine gewährleistet bei gleichzeitig natürlich Differenzierungen, die in einer Föderalisierung münden könnten, die allerdings dort die Zentralgewalt in entscheidenden Fragen weiter zuständig hält.
    Kapern: Nun sagt aber doch der Übergangspräsident der Ukraine, diejenigen, die Blut an ihren Händen haben, die haben keinen Platz an diesem Runden Tisch. Das heißt also, die Führer der Separatisten sind seiner Meinung nach von diesen Gesprächen, die die EU verlangt, ausgeschlossen. Kann das funktionieren?
    Brok: Das ist ja eine der Aufgaben, dieses zu erreichen, dass alle sich daran beteiligen, um eine friedliche Lösung zu bekommen. Ich kann den Präsidenten verstehen, der ja legitimiert ist, der ja gewählt ist, wie auch die Regierung vom Parlament gewählt ist und von daher nicht als Junta bezeichnet werden kann, dass die natürlich Probleme haben, mit den Aktivisten, die von Russland gesteuert gewaltsam dort vorgegangen sind, zu reden. Aber ich glaube, man sollte dies sinnvollerweise machen, dass alle Beteiligten da sind, und mit Wolfgang Ischinger übernimmt ja ein sehr erfahrener Mann den Vorsitz dort, und ich glaube, dass darin eine Chance besteht. Jedenfalls sollte man diesen Versuch unternehmen.
    "Separatisten dürfen nicht weiter mit der Unterstützung Russlands fortfahren"
    Kapern: Das heißt, die Aufgabe von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier besteht heute insbesondere darin, der ukrainischen Übergangsregierung die Daumenschrauben anzusetzen?
    Brok: Nein. Ich glaube, dass das eine Überzeugungsarbeit ist. Aber das funktioniert natürlich nur, wenn auch Präsident Putin gleiches auf der anderen Seite macht und dafür Sorge trägt, dass hier offen verhandelt wird. Das bedeutet, dass auch Putin erklärt, dass er diesen Wunsch, Russland angeschlossen zu werden, nicht erfüllt, nachdem dieses Referendum ja nun wirklich alles andere als demokratischer Standard war. Wir müssen ja sehen, dass nach wie vor 80, 85 Prozent der Ukrainer, auch der Ostukrainer ja bei der Ukraine bleiben will und dass dieses ja bisher in öffentlichen Debatten nicht zum Ausdruck kommt. Ich glaube, dieses muss entsprechend berücksichtigt werden. Deswegen dürfen diese Separatisten jetzt nicht mit Russlands Unterstützung weiter fortfahren und vielleicht auch wie beim Fall der Krim dann die Aufnahme bekommen. Dann ist wirklich alles zerstört und deswegen wäre es wichtig, wenn Putin jetzt erklären würde, wir werden diesen Antrag nicht annehmen, und sie auffordert, an den Verhandlungstisch zu kommen, um auf diese Art und Weise an einer Lösung innerhalb der Ukraine mitzuarbeiten.
    "Ukraine insgesamt muss Entscheidungsrechte haben"
    Kapern: Immerhin, Herr Brok, heißt es ja heute aus Moskau, dass noch vor den Wahlen vom 25. Mai über die künftige Struktur des Staates und die Rechte der Regionen gesprochen werden soll. Das klingt doch so, als steuere Moskau da tatsächlich jetzt auch auf diesen Wahltermin positiv zu. Oder was lesen Sie aus solchen Äußerungen heraus?
    Brok: Nun habe ich ja in den letzten Wochen des Öfteren etwas Positives aus Moskaus Äußerungen herausgelesen, und dann kam es nicht so, und ich hoffe nicht, dass das wiederum ein Trick ist. Aber wenn das so der Fall sein sollte, dann wäre das zu begrüßen. Jedenfalls muss unbedingt die Wahl stattfinden. Ich glaube, dass die Destabilisierungsversuche, die auch von Moskau bisher gemacht worden sind, um die Wahlen zu verhindern, nur dem Zweck dienen, dass die Ukraine nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht sich wirklich äußern kann. Es muss die Ukraine insgesamt Entscheidungsrechte haben, wohin sie geht, was ihre Ziele sind, mit wem sie verbunden sein will, und ich glaube, allein die ukrainische Bevölkerung soll dies ermöglichen und nicht irgendwelche Rücksichtnahmen auf Putin, die sagen, da gibt es historische Ansprüche, ethnische Ansprüche. Das ist alles nicht wahr. Denn diese Leute, die dieses in Deutschland oftmals fordern, dieses Verständnis für Moskau, lehnen damit ab das Recht eines Volkes, über das eigene Schicksal zu entscheiden.
    Kapern: Schauen wir noch kurz, Herr Brok, auf einen anderen Aspekt dieser Ukraine-Krise. Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat der Europäischen Union vorgeworfen, mit ihrer Assoziierungspolitik den Ukraine-Konflikt erst heraufbeschworen zu haben, und auch Gregor Gysi hat das heute Früh in unserem Programm anklingen lassen. Das können wir uns mal kurz anhören:
    O-Ton Gregor Gysi: "An der Ukraine wurde gezerrt. Die EU sagte, also Barroso sagte, entweder mit uns Verträge oder mit Russland, und die russische Seite, also Putin sagte zu Janukowytsch, entweder mit uns Verträge oder mit der EU. Man hätte von vornherein sagen müssen, die Ukraine kann ja auch eine Brücke sein zwischen der EU und Russland und nicht sich entscheiden müssen, ob sie nun dahin geht oder dahin geht."
    "Ukraine soll selbst entscheiden, was sie will"
    Kapern: Gregor Gysi heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Brok, was hat die EU falsch gemacht im Vorfeld dieses Konflikts?
    Brok: Diese Äußerungen sind falsch. Die Europäische Union hat niemanden gezogen. Es ist klar gewesen, dass die Ukraine - und zwar alle politischen Kräfte der Ukraine - seit Ende der 90er-Jahre die Verhandlungen mit der Europäischen Union wollten, sogar das Ziel der Mitgliedschaft in der Europäischen Union hatten und in der NATO, beides! Das Ziel der Mitgliedschaft hat die Europäische Union nicht akzeptiert, der Beitritt in die NATO ist 2008 abgelehnt worden. Das sind alles Geschwätz von Schröder und Gysi, was mit der historischen Wahrheit nichts zu tun hat. Hier ist ein Freihandelsabkommen von 2007 bis 2012 verhandelt worden, schrittweise von allen politischen Kräften in der Ukraine, auch von Herrn Janukowitsch, der dieses 2012 abgeschlossen hat. Russland hat dagegen niemals Protest erhoben.
    Gleichzeitig haben wir Verhandlungen mit Russland über ein neues Partnerschaftsabkommen geführt, bis es die Krim okkupiert hat, und wir müssen sehen, dass Russland erst im vergangenen Jahr, als man offensichtlich die Politik dort verändert hat, gegen dieses Abkommen vorgegangen ist, dass man einseitig Handelsmaßnahmen gegen die Ukraine ergriffen hat, um es wirtschaftlich unter Druck zu bringen, dass die Energie als Waffe eingesetzt worden ist. Und jetzt eine Umkehrung der Dinge zu machen, dass derjenige entschuldigt wird, der das Völkerrecht bricht, erstmalig seit 1945 das Völkerrecht in Europa bricht - wir möchten, dass die Ukraine entscheidet, was es will, nicht Moskau, nicht Brüssel, nicht Washington. Am 25. Mai soll man den Bürgern die Chance geben, die Entscheidung zu treffen.
    Kapern: Der Europaabgeordnete Elmar Brok heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Brok, danke, dass Sie Zeit für uns hatten. Schönen Tag noch!
    Brok: Ich danke auch, Herr Kapern.
    Kapern: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.