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Umfrage unter Abgeordneten
Der Fußball ist zu mächtig

Der Fußball hat eine Machtstellung - und nutzt sie aktiv für seine Interessen. Eine Umfrage des Deutschlandradios unter Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen hat ergeben, dass 60 Prozent der Befragten das glauben. Beispiel aus dem Bundesland: Der Bau des DFB-Museums in Dortmund, bei dem die Stadt stark unter Druck gesetzt wurde.

Von Moritz Küpper | 12.11.2015
    Ein Mann und ein Kind schauen auf einem Monitor ein Fußpballspiel an. Der Monitor befindet sich in einer Wand mit der Darstellung eines Stadion-Innenraums. Auf der linken Seite sind Ganzkörperportraits der Spieler Ronaldo, Robben und Rooney zu sehen.
    Zwei Besucher am 25.10.2015 im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund am Eröfffnungstag. (Maja Hitij / dpa)
    Fußball bedeutet Macht. Nicht zuletzt deshalb, weil die Vereine und Verbände ein großes öffentliches Interesse erzeugen und damit auch über Millionen-Gelder verfügen. Laut einer exklusiven Deutschlandradio-Umfrage, an der ein Drittel der insgesamt 211 Landtagsabgeordneten in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland Nordrhein-Westfalen teilgenommen haben, hat der Fußball eine Machtstellung. Das sagen drei Viertel der Befragten. Doch nicht nur das: Knapp 60 Prozent der Parlamentarier glauben, dass der Fußball diese Machtstellung auch aktiv für seine Interessen nutzt. Werte, über die sich der Politikwissenschaftler Jürgen Mittag von der Sporthochschule Köln nicht wundert:
    "Das überrascht mich nicht, denn die Politiker im Landtag, aber auch in der Regierungsverantwortung kriegen ja genau mit, welche Ansinnen vonseiten des Sportes an sie herangetragen werden und sie sehen auch, wie schwierig das ist, sich solchen Ansinnen entgegenzustellen, was ja nachvollziehbar ist."
    DFB-Museum: 99-jährige Erbpacht in bester Lage
    Auch das jüngste Beispiel für ein Durchsetzen der Interessen stammt aus Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland, aus dem immerhin knapp ein Drittel der Vereine in der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga stammen. Es ist das gerade eröffnete Fußballmuseum in Dortmund. Mehr als die Hälfte der Baukosten von insgesamt 36 Millionen, nämlich 18,5 Millionen, muss das Land tragen. Der millionenschwere Deutsche Fußball-Bund, kurz DFB, steuert nur 17,5 Millionen bei, hat sich aber zudem noch zusichern lassen, bei einem Verlust nur bis 250.000 Euro pro Jahr gerade stehen zu müssen. Den Großteil dieses Risiko trägt die mit insgesamt 2,4 Milliarden Euro verschuldete Stadt Dortmund, die dem DFB-Museum zugleich das Grundstück in bester Lage am Dortmunder Hauptbahnhof für eine 99-jährige Erbpacht kostenfrei überließ. Dazu war beispielsweise die Stadt Köln einst nicht bereit. Doch der damalige Oberbürgermeister Jürgen Roters erinnert sich schon an eine Drucksituation:
    "In Sachen Museum hätte ich mir gewünscht, dass man noch auf die Stadt zugegangen wäre. Man muss ja auch sehen: Das ist ja auch eine politische Entscheidung. Und wenn man sagt: Wir machen das nur, wenn das Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt wird, dann setzt man die Politik schon in eine Entscheidungssituation, die nicht so günstig ist."
    Für Roters wäre ein solcher Deal nicht vermittelbar gewesen:
    "Und wenn wir wirklich den reichsten Fußball-Verband der Welt haben, dann hätte man auch von ihm erwarten können, dass er im Hinblick auf die Immobilienfrage auch auf die Stadt zugegangen wäre. Das ist nicht geschehen, das muss man sagen. Insoweit ist dieses Museum an uns vorbeigegangen."
    Umdenken nach Negativ-Berichterstattung?
    Neben dem Beispiel Fußball-Museum hat NRW auch insgesamt 15 Landesbürgschaften im Zusammenhang mit Stadion-Neu- oder Umbauten in den Büchern stehen. Kredite von gut 350 Millionen Euro wurden insgesamt bewilligt, von denen noch 150 Millionen Euro offen sind. Viel Geld. Doch für Politikwissenschaftler Mittag könnten diese hohen Kosten, die verbundene Intransparenz und vor allem die nun kritische Berichterstattung über die WM 2006-Vergabe auch zu einem Umdenken führen:
    "Wenn der Politiker als rational denkender und handelnder Mensch merkt, hier habe ich nichts zu gewinnen, sondern eher zu verlieren, dann werden Dinge auch infrage gestellt."
    Doch ob das geschieht, bleibt abzuwarten. Laut der Deutschlandradio-Umfrage würden sich nämlich auch drei Viertel der befragten NRW-Abgeordneten als "Fußball-Fans" bezeichnen.