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Ungarn und der Krieg in der Ukraine
Wie Orbáns Medien vor der Wahl manipulieren

Vordergründig unterstützt Viktor Orbán die EU und ihre Position im Ukraine-Krieg. Gleichzeitig ist seine Beziehung zu Russlands Präsident Wladimir Putin eng. Kurz vor der Wahl macht das auch die Berichterstattung der staatlichen Medien deutlich - die offenbar Vorgaben der Regierung folgen.

Von Stephan Ozsváth | 31.03.2022
Ungarns Premierminister Vikor Orbán und Russlands Präsident Wladimir Putin geben eine Pressekonferenz, im Hintergrund die Flaggen Russlands und der Ukraine
Enge Beziehungen: Ungarns Premierminister Vikor Orbán und Russlands Präsident Wladimir Putin (picture alliance/dpa/Russian President Press Office)
Zwei Wochen vor Beginn des Krieges eröffnet Zsolt Bayer den Presseklub im regierungsnahen Hír TV. Der Orbán-Freund spottet über eine Meldung eines unabhängigen Nachrichtenportals und darüber, dass die Amerikaner ihre Diplomaten aus Kiew abziehen. "Die Russen werden die Ukraine nicht angreifen, das weiß auch ein Dummkopf. Die USA rasseln mit dem Säbel und zu ihrer Kriegsrhetorik gehört auch, dass man die Diplomaten der Kiewer US-Botschaft evakuieren müsse. Sind alle bekloppt? Da setzt man sich ins Auto, fährt zum Flughafen und fliegt nach Hause."
Es sekundieren zwei seiner Gäste, die Gebrüder Bencsik: Die USA täten alles dafür, damit es zu einem Krieg zwischen der Ukraine und Russland komme. Der ungarische Regierungschef habe dagegen bei seinem Besuch in Moskau wie ein Eisbrecher gewirkt. „Orbán, der Friedensengel. Solidarität mit der Ukraine – Vaterlandsverrat“, titelt ein regierungsnaher Kolumnist. Willkommen in Orbáns Medienwelt.

Demo gegen öffentlich-rechtliche Medien

Dóra Diseri macht das fassungslos. Die Ungarin leitet die ungarische Redaktion der Deutschen Welle, die einen eigenen Youtube und Facebook-Kanal betreibt und unabhängige ungarische Medien als Plattform nutzt. „Es ist traurig, dass in Ungarn heute in den öffentlich-rechtlichen Medien zum Beispiel solche Meinungen von regierungsnahen Experten vertreten werden, dass die Ukraine quasi diesen Krieg provoziert haben. Deshalb hat es kürzlich auch Demonstrationen vor der Senderzentrale und Unterschriftensammlungen gegeben.“
Ungarns Oppositionsführer Péter Márki-Zay
Ungarns Oppositionsführer Péter Márki-Zay - er wird von sechs Oppositionsparteien unterstützt (pa/ZUMA PRESS/Thomas Krych)
„Freie Presse, freies Volk!“, skandieren die Demonstranten Anfang März vor der Senderzentrale der Holding MTVA. Die Demonstranten tragen Verbotsschilder mit dem Konterfei des russischen Präsidenten Putin. Es spricht der gemeinsame Kandidat der Opposition, Péter Márki-Zay: „Wir gehören nicht zum Osten, sondern zum Westen. Europa statt Putin!

Sprachregelungen für staatliche Medien

„Europa“, skandiert die Menge. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen berichtet sogar über die Demonstration. Allerdings: über niedrige Teilnehmerzahlen, wie die Opposition angeblich die Pressefreiheit angreife, und dass von pro-russischer Propaganda im Staatsfernsehen keine Rede sein könne. Man habe wahrheitsgemäß berichtet.

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Zu Beginn dieser Woche hackten Mitglieder von Anonymous die Webseiten regierungstreuer Medien und versahen sie mit Hinweisen und kleinen Videos, wie in regierungsnahen Medien manipuliert werde. Orbáns Pressechef gibt den staatlichen Medien die Sprachregelungen vor - wie, berichtete das Investigativportal átlátszó.hu. Ehemalige Mitarbeiter bestätigen den Missbrauch der staatlichen Medien als Regierungssprachrohr. Mehrere Moderatoren des regierungsnahen Senders TV2 machen sogar offen Wahlwerbung für Orbán.

„Ich bin ja Journalist und kein Propagandist“

„Ich möchte, dass meine Familie und meine Kinder auch weiter in Frieden leben können“, sagt einer. Für sie sei die Gesundheit das Wichtigste, meint eine Kollegin, und dass ihre Eltern glückliche Rentner sein könnten. Für eine andere ist wichtig, dass das Mutterland auch die ethnischen Ungarn in den Anrainerstaaten schütze. „Ich möchte in einem Land leben, das sich aus dem Krieg heraushält, dafür braucht es einen Anführer wie Viktor Orbán“, sagt eine andere. Deshalb – sagen die bekannten Fernsehgesichter und die Nachrichtenchefin – unterstützen sie Viktor Orbán am 3. April.
Der inszeniert sich in den gut 500 regierungsnahen Medien als Grenzschützer, der Frieden und Sicherheit garantiert. Dem stehen wenige unabhängige Medien gegenüber, etwa der Privatsender RTL Klub. Er rief das Publikum auch zur Wahl auf, allerdings so: „Das Wichtigste ist, überhaupt wählen zu gehen“, sagt der Moderator. „Du sagst jetzt nicht, wen Du wählst“, mahnt die Kollegin im Studio. „Keine Sorge“, beruhigt der RTL Klub-Moderator: „Ich bin ja Journalist und kein Propagandist.“