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Uni-Gründer wegen Veruntreuungsvorwurf vor Gericht

Die Privatuni European Business School in Wiesbaden kämpft mit massiven Finanzproblemen. Um Gehälter zahlen zu können, sollen Fördergelder der hessischen Landesregierung umgeleitet worden sein. Nun steht auch der ehemalige EBS-Präsident Christopher Jahn vor Gericht, da er Gelder veruntreut haben soll.

Von Armin Himmelrath |
    "Und jetzt geht es los, wir zählen alle gemeinsam zurück, von zehn an: 10-9-8-7-6-5-4-3-2-1-0!"

    Graduierungsfeier an der privaten European Business School, der EBS, in Wiesbaden im vergangenen Jahr. Jubelnd werfen die Absolventen ihre Hüte in die Luft. Doch dieser Jubel will nicht so recht zu den aktuellen Schlagzeilen über die EBS passen. Von massiven Finanzproblemen ist da die Rede, von Gehältern, die nur gezahlt werden konnten, weil Fördergelder der hessischen Landesregierung umgeleitet wurden. Und dann steht auch noch der ehemalige Hochschulpräsident Christopher Jahns ab kommenden Dienstag vor Gericht. Der Vorwurf: Jahns soll 180.000 Euro veruntreut haben. Er selber weist die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe vehement zurück, etwa im November in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk:

    "Zu den Vorwürfen kann ich sagen, dass ich von meiner Unschuld zu 100 Prozent überzeugt bin. Also, zu 100 Prozent überzeugt bin."

    Auch ein zweites Verfahren dürfte demnächst starten – denn Christopher Jahns hat seinerseits das Land Hessen verklagt, weil er der Staatsanwaltschaft einseitige Ermittlungen zu seinen Lasten vorwirft. Doch so zerrüttet war das Verhältnis zwischen Jahns und dem Land nicht immer. Gut drei Jahre ist es her, da jubelte der damalige EBS-Präsident in einer Mail an seine Mitarbeiter. Er hatte es geschafft: Die kleine und elitäre, bundesweit aber zu den Top-Adressen gehörende Privathochschule sollte neben der bis dahin bestehenden wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eine weitere juristische Abteilung in Wiesbaden erhalten – und damit zu einer vollwertigen Universität werden. Nach den Verhandlungen mit der Landesregierung und dem damaligen Wiesbadener Oberbürgermeister Helmut Müller, CDU, vermeldete Jahns per Mail:

    "DIE UNI IST DA! Habe die ganze Nacht noch gekämpft wie ein Stier, das Handy drei Mal leertelefoniert. OB Müller war total Klasse, der hat sich fast bei Koch auf den Schoss gesetzt und gesagt, hier gehe ich nicht weg, bis Jahns und ich die Law School bekommen."

    Eine mehr als euphorische Mail an die EBS-Mitarbeiter, in der der Präsident mit seinen engen Kontakten zur hessischen Landesspitze prahlte. Kontakte, die viel Geld versprachen: 24,7 Millionen Euro sagte die damalige schwarz-gelbe Koalition der Privatuni an Unterstützung zu, zusätzlich waren weitere 21 Millionen vom Land im Gespräch zur Sanierung leer stehender Gerichtsgebäude in Wiesbaden.

    Und der damalige Oberbürgermeister legte für die hessische Landeshauptstadt noch einmal zehn Millionen Euro drauf: Helmut Müller war vor seiner Zeit als Wiesbadener Stadtoberhaupt Büroleiter bei Roland Koch gewesen. Kein Wunder, dass der OB sich damals erfreut zeigte über den neuen Universitätsstandort Wiesbaden:

    "Für die Stadt wird sich in zweierlei Hinsicht, denke ich, ein großer Schub ergeben: Zum einen für das Viertel, das ja eigentlich ein sehr schönes Viertel ist, da wird die Belebung durch den neuen Betrieb – auch durch die Studenten – ein riesen Vorteil sein; und das Zweite ist: Durch ne Vergrößerung der Hochschullandschaft in der Stadt glaube ich, dass wir dann noch besser in der Stadt für das kommende Jahrhundert aufgestellt sind."

    Auch Müllers früherer Chef Roland Koch ließ zu seiner Zeit als Ministerpräsident immer wieder große Sympathie für die EBS erkennen:

    "Wir sind in Deutschland und auch bei uns in Hessen sehr, sehr auf Automobilbau angewiesen. Das ist einer der großen Arbeitgeber. Aber Automobile zu bauen wird in der Welt der Zukunft eine Herausforderung nicht nur technisch, sondern auch betriebswirtschaftlich sein. Mit vielen mittelständischen Unternehmen, mit wenigen Großkonzernen eine gute Produktkette zu haben. Das muss man erarbeiten, erforschen und erlernen. Das kann man nur an einer Universität, und dazu kann das automobilwissenschaftliche Zentrum der EBS etwas beitragen."

    Unterstützung bei seinen Expansionsplänen für die Manager-Eliteschmiede EBS erhielt Koch vom kleinen Koalitionspartner FDP. Florian Rentsch, heute liberaler Wirtschaftsminister in Hessen, war zu diesem Zeitpunkt noch Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion – und saß bis Herbst 2011 im Stiftungsvorstand der European Business School. Im Aufsichtsrat der Hochschule hat außerdem mit dem CDU-Mann Walter Arnold auch noch Kochs ehemaliger Finanzstaatssekretär einen Posten gefunden – sodass es für Christopher Jahns möglicherweise nicht allzu schwer war, bei den Entscheidern in der Landesregierung für den EBS-Ausbau zu werben.

    Wie eng die Verstrickungen der Politik mit der Privathochschule waren und ob an entscheidender Stelle schon mal gezielt weggesehen wurde, soll seit Januar ein Untersuchungsausschuss des Landtags klären. Klar ist: Irgendwann wird hier auch der frühere EBS-Präsident als Zeuge auftreten müssen. Doch zunächst ist erst einmal ein anderer Termin für Christopher Jahns wichtig.

    Ab Dienstag wird gegen ihn vor dem Wiesbadener Landgericht verhandelt. Das öffentliche Interesse ist groß – deshalb lässt Jahns sich vom Kommunikationsberater Dirk Metz unterstützen, einem Fachmann für Krisen-PR. Und auch der ist, Zufall oder nicht, ein alter Bekannter aus der hessischen Landespolitik: Dirk Metz war mal der Sprecher von Ministerpräsident Roland Koch.