Migration
Union hält an Zurückweisung von Asylsuchenden fest - Merz: Spielraum möglicherweise eingeschränkt

Bundeskanzler Merz hält Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze weiter für rechtlich möglich. Dass das Berliner Verwaltungsgericht einen konkreten Fall für rechtswidrig erklärt hat, enge die Spielräume möglicherweise etwas ein, sagte der CDU-Politiker auf einem Kongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin.

    Ein Polizist stoppt an der deutsch-österreichischen Grenze ein Fahrzeug auf der Autobahn mit einer Polizeikelle mit Aufschrift: HALT POLIZEI.
    Anfang Mai hat Bundesinnenminister Dobrindt angeordnet, mehr Bundespolizisten an den Grenzen einzusetzen. Zudem können nun Asylsuchende an den Grenzen abgewiesen werden. (picture alliance / CHROMORANGE / Michael Bihlmayer)
    Man wisse aber, dass man nach wie vor Zurückweisungen im Rahmen des europäischen Rechts vornehmen könne. Bundesinnenminister Dobrindt hatte zuvor erklärt, es gebe keinen Grund, wegen der Gerichtsentscheidung die Praxis zu verändern. Das Berliner Urteil sei eine Einzelfallentscheidung ohne allgemeine Gültigkeit, sagte der CSU-Politiker in Berlin. Von mehreren Seiten kommt Kritik.
    Dobrindt erklärte, es gebe aktuell keinen Anlass, von der grundsätzlichen Praxis abzuweichen. Man wolle eine Entscheidung im Hauptverfahren abwarten. Außerdem werde sein Ministerium, wie vom Berliner Verwaltungsgericht verlangt, ausführlichere Begründungen für die Zurückweisungen nachliefern. Ähnlich äußerte sich Kanzleramtschef Frei, der Zurückweisung an den Grenzen im Zuge verschärfter Kontrollen verteidigte. Man habe versprochen, dass man ordnen, steuern, begrenzen und eine Wende in der Migrationspolitik erreichen wolle, sagte der CDU-Politiker dem Fernsehsender RTL. Dafür seien die Zurückweisungen neben vielen anderen Dingen ein wesentlicher Baustein.
    Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in einer Eilentscheidung festgestellt, die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet sei rechtswidrig. Ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens dürfen sie nicht abgewiesen werden, entschied das Gericht.

    Dobrindt: Asylsystem ist dysfunktional

    Dobrindt hatte am 7. Mai, wenige Stunden nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister, eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Seinen Angaben zufolge hatten die Somalier, die in Berlin das Gericht angerufen hatten, bereits am 2. und am 3. Mai versucht nach Deutschland einzureisen, ohne ein Asylgesuch vorzubringen. Dies hätten sie erst beim dritten Versuch am 9. Mai getan. Man sehe an dem Beispiel, wie dysfunktional das ganze Asylsystem inzwischen geworden sei, sagte Dobrindt.
    Das Berliner Verwaltungsgericht hatte erklärt, dass die verschärften Maßnahmen nicht ausreichend begründet worden seien. Der Rechtswissenschaftler der Uni Konstanz, Thym, sagte im Deutschlandfunk,die Bundesregierung könne beispielsweise versuchen, die Zurückweisungen durch eine besondere Überlastung bei der Integration zu begründen. Deutschland habe im europäischen Vergleich die meisten Menschen aufgenommen. Ob das als Begründung für verschärfte Maßnahmen juristisch ausreiche, müssten dann höhere Instanzen entscheiden.

    Grünen-Chef Banaszak: Schallende Ohrfeige für Union

    Kritiker der neuen Grenzkontrollen fühlen sich durch die Entscheidung des Gerichts bestätigt. Der Co-Vorsitzende der Grünen, Banaszak, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Union habe sich "eine schallende Ohrfeige vor Gericht" geholt. Es sei unseriös und höchst bedenklich, wenn man immer wieder versuche, den rechtlichen Rahmen maximal auszutesten und dafür auch bereit sei den Rechtsbruch in Kauf zu nehmen. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Mihalic, forderte, Dobrindt müsse unverzüglich seine Anordnung zurückzuziehen.
    Die Linken-Abgeordnete Bünger forderte Dobrindt zum Rücktritt auf. Ein Minister, der bewusst Recht breche, sei untragbar.
    Auch innerhalb der schwarz-roten Koalition wurde Kritik laut. Der SPD-Abgeordnete Stegner sagte ebenfalls der "Rheinischen Post", das Gerichtsurteil werde für Dobrindt möglicherweise nicht ohne ein paar politische Schrammen bleiben. Die Union stehe nun vor dem Praxistest im Regierungshandeln.

    Polizeigewerkschaft: Vorgehen war von Anfang an juristisch stark umstritten

    Die Gewerkschaft der Polizei sieht sich in ihrer Skepsis bestätigt. Man habe von Anfang an gesagt, dass die Zurückweisung von Asyl- und Schutzersuchenden juristisch stark umstritten sei, sagte der GDP-Vorsitzende Roßkopf den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er äußerte die Erwartung, dass es nun keinerlei rechtliche Schritte gegen Polizisten geben werde.

    Weiterführende Informationen

    Gericht erklärt Abweisung Asylsuchender hinter der Grenze für rechtswidrig
    Diese Nachricht wurde am 03.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.