Streit über von SPD-nominierte Kandidatin
Bundestags-Sitzung kurz vor Abstimmung über Verfassungsrichter unterbrochen

Drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht müssen neu besetzt werden. Über diese Personalien wollte der Bundestag heute entscheiden. Doch die Unionsfraktion will eine der Wahlen absetzen. Die Bundestags-Sitzung ist mittlerweile auf Wunsch der SPD-Fraktion unterbrochen.

    Frauke Brosius-Gersdorf
    Umstrittene Kandidatin als Verfassungsrichterin: Frauke Brosius-Gersdorf ist Professorin für Verfassungsrecht und Sozialrecht an der Universität Potsdam. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Parlamentpräsidentin Klöckner teilte mit, das Plenum werde nach einer Sondersitzung der SPD-Fraktion gegen 11 Uhr wieder zusammenkommen.
    Die SPD-Bundestagsfraktion rief für die Zeit bis dahin eine Sondersitzung der Fraktion ein, wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf eine Einladung an die Abgeordneten berichtet. Damit kann auch der für den Vormittag angesetzte Wahlgang für den Unions-Kandidaten Spinner derzeit nicht stattdinden. Die SPD will sich nach der Sitzung vor der Presse dazu äußern, wie es weitergeht. Auch die Grünen planen eine Sondersitzung.

    Union will heute nur zwei Wahlen durchführen

    Nach übereinstimmenden Medienberichten hatte die Union mit Enthaltung gedroht, sollte die Abstimmung über die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf nicht abgesetzt werden. Ziel sei, heute nur zwei Richter zu wählen.
    Als Begründung wurden demnach Plagiatsvorwürfe gegen die Professorin vorgebracht. Bereits in den vergangenen Tagen hatte die Unionsfraktion erhebliche Vorbehalte gegen Brosius-Gersdorf geäußert, unter anderem wegen ihrer Haltung zu Abtreibungen.
    Für die drei vakant werdenden Stellen in Karlsruhe hat die Union den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Spinner nominiert, die SPD die Jura-Professorinnen Brosius-Gersdorf und Kaufhold.

    SPD-Ministerpräsidentin: "Union beschädigt höchstes Gericht"

    Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Schwesig, kritisierte die Union für den Umgang mit der Kandidatin Brosius-Gersdorf. Sie habe kein Verständnis dafür, "wie man mit einer solchen Debatte das höchste Gericht in Deutschland beschädigt", sagte die SPD-Politikerin bei RTL/n-tv.
    Sie forderte die Union dazu auf, wie besprochen für die SPD-Kandidatin zu stimmen und betonte: "Jetzt kommt es darauf an, ob Herr Spahn und Herr Merz in der Lage sind, dass ihre Reihen geschlossen sind." Die Personalvorschläge seien im Vorfeld ausgetauscht worden und es habe keine Kritik gegeben. CDU und CSU müssten sich jetzt als verlässlich erweisen. "Das ist das Einmaleins, wenn eine Koalition gut zusammenarbeiten soll."

    Wie die Wahlen ablaufen

    Für die geheime Wahl im Bundestag ist eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten nötig. Sind alle 630 Abgeordneten anwesend, entspricht das 420 Stimmen. Wenn alle Fraktionen gemäß ihrer relativen Stärke vertreten sind, reichen die Stimmen der drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sowie der Grünen nicht aus für eine Zweidrittelmehrheit.
    Es bräuchte dann noch Stimmen der AfD oder der Linken. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt eine Zusammenarbeit sowohl mit der Linken als auch der AfD ab. Die AfD-Fraktionsspitze hat ihren Abgeordneten empfohlen, den von der Unin unterstützten Kandidaten zu wählen. Die Linke lehnt eine Zustimmung bislang ab. Es könnte also zum ersten Mal ein Verfassungsrichter nur durch Zustimmung der AfD gewählt werden. Grünen-Fraktionschefin Haßelmann mahnte im Deutschlandfunk, eine Mehrheit ohne die AfD zu gewährleisten. Die Abstimmungen seien kein "Roulette".
    Diese Nachricht wurde am 11.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.