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Unrecht im SED-Regime
Bundesregierung will Opfern unkomplizierter helfen

Die Rehabilitierung von Willkür-Opfern der ehemaligen DDR soll einfacher geregelt werden. Besonders frühere Heimkinder würden davon profitieren, andere Opfergruppen jedoch nicht - so die Kritik. Am Mittwoch berät das Kabinett über den Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Katarina Barley.

Von Christiane Habermalz | 14.05.2019
Eine Zeichnung eines Opfers, das als Kind im Durchgangsheim in Bad Freienwalde war.
Eine Zeichnung eines Opfers, das als Kind im Durchgangsheim in Bad Freienwalde war. (dpa/ picture-alliance/ Patrick Pleul)
Leitende Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sollen auch künftig auf eine mögliche Stasi-Tätigkeit zu DDR-Zeiten überprüft werden können. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Katarina Barley wird das Kabinett morgen verabschieden. Eigentlich wäre die Regelung Ende 2019 ausgelaufen, jetzt soll sie bis 2030 verlängert werden. So war es auch schon im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Zunächst war diskutiert worden, ob man die Überprüfung auf bestimmte Berufsgruppen einschränkt.
"Also wir haben uns gegen die Einschränkung entschieden und nur für die Verlängerung bis 2030."
Dies erklärt die Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, die SPD-Politikerin Katrin Budde. Betroffen wären Personen, die heute Mitte 50 seien.

"Man sagt, okay: Die, die heute Mitte 50 sind, waren 90 Mitte 20 - und da kann man durchaus schon Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen sein. Und deshalb haben wir uns entschieden, dass es weiter eine Überprüfung geben soll."
Bundesjustizministerin: "Wichtiges Zeichen der Gerechtigkeit"
Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Stephan Hilsberg begrüßte die Verlängerung.
"Es geht auch darum, deutlich zu machen, dass es unter rechtsstaatlichen Bedingungen absolut unvereinbar ist, dass jemand, der sich für ein Unrechtssystem schuldig gemacht hat, in einem demokratischen System weiterarbeiten kann. Nun muss man das immer im Einzelfall sehen, eine Überprüfung bedeutet noch lange keine Entlassung. Das ist dann eine Sache der Bewertung, aber dass diese Bewertung überhaupt vorgenommen werden kann, dafür war die Voraussetzung die Entfristung, und das ist schon sehr gut, dass die jetzt vorgenommen wird."
Antragsfristen sollen gestrichen werden
Außerdem soll es Opfern politischer Willkür der DDR künftig erleichtert werden, ihre Ansprüche durchzusetzen. In einem zweiten Gesetzentwurf sollen sämtliche Antragsfristen auf Rehabilitierung für erlittenes Unrecht gestrichen werden. Der Entwurf war vom Bundesrat initiiert und von den Opferinitiativen in den Ländern angeregt worden.
"Die juristische Aufarbeitung des SED-Unrechts und die Rehabilitierung der Opfer politischer Verfolgung sind noch immer nicht abgeschlossen. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, den Opfern zur Seite zu stehen."
Dies erklärte Barley. Auch wenn eine finanzielle Unterstützung das Leid dieser Opfer nicht wiedergutmachen könne, sei sie ein wichtiges Zeichen der Anerkennung und Gerechtigkeit.
Positives Signal für ehemalige Heimkinder
Die neue Regelung soll vor allem ehemaligen Heimkindern zu Gute kommen, die bislang keinen Anspruch auf Entschädigung hatten. Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft begrüßte den Gesetzentwurf, vor allem in Bezug auf die dringend notwendige Entfristung. Allerdings bringe der Vorschlag für Heimkinder, deren Eltern etwa wegen versuchter Republikflucht inhaftiert wurden und die deswegen ihren Eltern weggenommen wurden, keine wirkliche Verbesserung. Dieser Gruppe von Betroffenen kann daher nur wirksam geholfen werden, indem ihr Verfolgungsschicksal im Gesetz ausdrücklich als Rehabilitierungsgrund anerkannt wird, so wie es der Bundesrat ursprünglich gefordert hatte. Auch der ehemalige Bürgerrechtler Stefan Hilsberg bezeichnete den Entwurf als noch nicht ausreichend. Es gebe noch immer Opfergruppen, bei denen es dringenden Handlungsbedarf gebe, und die vom Gesetzentwurf nicht erfasst würden.
"Dazu gehören die Zwangsausgesiedelten, dazu gehören die Opfer von den staatssicherheitlichen Zersetzungsmaßnahmen, aber auch die ganze Gruppe der Zwangsarbeiter ist noch lange nicht wirklich zur Genüge behandelt. Also da muss der Staat noch nachlegen."
So hätten DDR-Häftlinge etwa Zwangsarbeit leisten müssen, die niemals entlohnt worden sei - wovon Unternehmen wie Ikea oder die Deutsche Bahn profitiert hätten. Dass diese Unternehmen die Betroffenen freiwillig entschädigt hätten, sei zwar lobenswert, ersetze aber keine staatliche Rehabilitation.