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Unterschriften sammeln für die Wahlfreiheit

Viele Eltern in Hamburg wollen das Abitur nach 13 Schuljahren zurück. Um das zu erreichen, wurde die Initiative "G9 Jetzt! Hamburg" gegründet und eine Onlinepetition auf den Weg gebracht. Fast 3000 Eltern unterstützen bereits das Vorhaben.

Von Axel Schröder | 18.01.2013
    Mareile Kirsch ist aufgebracht. Stocksauer auf Politiker wie Ties Rabe, den Hamburger Bildungssenator. Deshalb hat Kirsch die Initiative "G9 Jetzt! Hamburg" gegründet und eine Onlinepetition auf den Weg gebracht, die die Rückkehr zum Abitur nach 13 Schuljahren an den Gymnasien der Hansestadt erzwingen soll.

    "Ich habe einen Sohn, der jetzt in der zehnten Klasse ist. Mit acht Stunden Dauersitzen! In einem Klassenraum, wo man die Fenster nicht aufmachen kann! Wirklich physisch überfordert! Der braucht Bewegung, der braucht Abwechslung, der braucht frische Luft und Erholungsphasen."

    Und schon ihre Tochter hat unter dem Turbo-Abi am Christianeum, einem Gymnasium im feinen Blankenese, gelitten, so Kirsch. Unter einem Tagespensum, das für Kinder und Jugendliche einfach nicht verkraftbar sei.

    Bis heute unterstützen fast 3000 Eltern die Onlinepetition von Mareile Kirsch. Sie alle möchten das alte G9-Abi zurück. Weil es auch zehn Jahre nach Einführung der G8-Variante immer noch Probleme bei der Umsetzung der Reform gebe. Probleme, die auch Schulsenator Ties Rabe nicht leugnet:

    "Ich glaube, dass wir an G8 an den Gymnasien noch weiter arbeiten müssen. Dass wir die Schulkultur und die Frage der Hausaufgaben, die Frage der Zusammenballung von Klausuren, vielleicht auch die Einzelheiten von Bildungsplänen uns noch einmal angucken müssen."

    Und wenn den Eltern schulpflichtiger Kinder das zu lange dauere, hätten sie – anders als in zum Beispiel in Niedersachsen – die Möglichkeit, den Nachwuchs auf die Stadtteilschulen der Hansestadt zu schicken. Denn dort wird das G9-Abitur angeboten. Was hält Mareile Kirsch von diesem Vorschlag?

    "80 Prozent der Eltern in Deutschland haben in einer Umfrage in Deutschland gerade gesagt: 'Wir möchten das G9!' Sie wollen also diesen 80 Prozent der Eltern, von den Eltern verlangen, ihr Kind in die Stadtteilschule zu schicken und damit das Gymnasium zu einer Restschule für 20 Prozent Hochbegabte machen? Ist das das, was Herr Rabe will und ist das das, was sie mit dieser Frage den Eltern abverlangen?"

    Immerhin kenne sie sich aus mit den Stadtteilschulen. Denn Mareile Kirsch arbeitet als Förderlehrerin an einer Stadtteilschule am Osdorfer Born. Eine "Brennpunkt"-Schule am Rand der Metropole. Für G9 an den Gymnasien spreche auch die sogenannte "KESS 12"-Studie, erklärt Kirsch auf ihrer Internetseite. Danach sind die Leistungen der Hamburger Schülerinnen und Schüler durch das Turbo-Abi gesunken. Ein Blick in die Studie allerdings widerlegt diese Behauptung: in den meisten Bereichen gibt keine großen Unterschiede zwischen den G9- und G8-Jahrgängen, in einigen Bereichen hat die jetzige Generation sogar die Nase vorn. – Schulsenator Rabe, ein einstiger Gegner des Turbo-Abis, warnt deshalb vor einer Rolle rückwärts zum G9.

    Unterstützung bekam der Senator gestern von der Rektorenschaft. Die "Vereinigung der Leiter Hamburger Gymnasien und Studienseminare" will das G8 bewahren und warnt davor, endlich gefundene verlässliche Schulstrukturen zu gefährden.